Der Bau einer neuen Moschee in der westdeutschen Stadt Wuppertal zeigt, dass es nicht nur die rechtspopulistischen Kreise sind, die neue Moscheebauten kritisieren. Bei der Diskussion um den Neubau einer Moschee im Westen der Republik, finanziert von der türkisch-islamischen Vereinigung Ditib, sind es besonders die Linken, denen das Projekt missfällt.
Ähnlich wie bei der aktuellen Asyldebatte sind es die Menschen vor Ort, die die Blauäugigkeit der Politik kritisieren. Das Beispiel in Wuppertal zeigt, dass sich linke Gruppen, die nicht im Verdacht stehen rechtspopulistische Rhetorik zu nutzen, an vorderster Stelle stehen. Sie kritisieren den Einfluss der Ditib auf die türkische Community in der Stadt und das politische Ignorieren der Gefahren durch die Kontrolle der Erdogan-nahen staatlichen Religionsbehörde Diyanet auf die in der Stadt lebenden Türken.
Vor mittlerweile drei Monaten stimmte der Rat der Stadt mit breiter Mehrheit für eine Resolution, die es der Stadtregierung erlauben soll, den Vertrag über den Bau einer neuen Moschee türkisch-islamischen Gemeinde abzuschließen. Öffentliche Gelder sollen für das Projekt nicht fließen, lediglich ein kleineres städtisches Grundstück soll der Gemeinde übereignet werden, damit das Baufeld komplett ist.
Eigentlich ist es, so der Gemeindevorstand in einem Interview, die geologische Lage Wuppertals, die einen Neubau notwendig mache: Viele Gebäude der Stadt stehen in extremer Hanglage, so auch das alte Gotteshaus. Bei einem Notfall hätten Feuerwehr und Einsatzkräfte nicht die Möglichkeit, schnell eingreifen zu können. Trotz der positiven politischen Entscheidungen befürchtet man bei der Gemeinde nun weitere Verzögerungen, denn mittlerweile läuft ein Bürgerbegehren gegen das Bauprojekt der Ditib-Gemeinde in der Straße.
Es ist nichts Neues. Schon beim Neubau der Ditib Haupt-Moschee in Köln waren es die öffentlichen Proteste, die das Projekt lange verzögerten. Umso mehr wurde die Eröffnung gefeiert, mit einem ganz besonderen Hauptgast: dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan. Im Fall der Moschee in Wuppertal ist es aber so, dass der Widerstand nicht wie sonst vorwiegend aus rechtspopulistischen oder rechtsextremen Kreisen kommt, sondern von ganz links. „Wir wollen und werden keine islamophobe Diskussion befeuern, und wir würden uns auch sofort abgrenzen, wenn sich Rechte in unseren Protest mischen würden“, sagt der Vertreter eines linken Autonomie-Zentrums, das sich in der Nähe des Baugrundstücks befindet. „Wir sind sowohl gegen die Gentrifizierung als auch gegen die Ditibisierung“. Aber es ist einfach skandalös, dass eine Vereinigung wie die Ditib einen so immensen Einfluss in unserem Viertel bekommen soll.“ Die Ditib ist für den Altlinken der verlängerte Arm Erdogans und in dieser Funktion gefährlich für alle, die Verbindungen in die Türkei haben und nicht in das „zutiefst reaktionäre, patriarchale und nationale Chauvinisten-Weltbild“ von Erdogans Partei AKP und ihrer rechtsextremen Koalitionspartnerin MHP passten. „Es ist krass, dass die Wuppertaler Politik sich vormacht, die hiesige Ditib sei doch ganz anders.“
Die Ditib mit Hauptsitz in Köln und rund 900 Moscheen in Deutschland untersteht direkt der staatlichen Religionsbehörde Diyanet in Ankara, die wiederum der türkischen Regierung zugeordnet ist. In Deutschland waren über Jahrzehnte die politischen Akteure aller Couleur ganz froh darüber, dass die Ditib die religiösen Belange der Türken hierzulande organisierte. Spätestens nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei im Sommer 2016 wurde klar, wie konsequent Präsident Recep Tayyip Erdogan die Ditib als Machtinstrument nutzt. Einige der vom türkischen Staat bezahlten Ditib-Imame in Deutschland leisteten sogar willfährig Spitzeldienste, stellten Namenslisten mit angeblichen Feinden der Türkei zusammen. Ein weiterer Tiefschlag war, dass die Kölner Zentralmoschee 2018 nicht vom Bundespräsidenten eröffnet wurde – wie die Ditib einst nicht müde wurde zu verkünden – sondern von Erdogan. Die Veranstaltung war de facto ein türkischer Staatsakt auf deutschem Boden.
Im Stadtparlament von Wuppertal verweisen verweisen die dort vertretenen Parteien darauf, dass die Stadt seit vielen Jahrzehnten vertrauensvoll mit der Gemeinde zusammenarbeite. „Die immerhin rund 60.000 Muslime gehören mit ihrer Religion zu Wuppertal“, sagte der konservative CDU-Stadtvorsitzende bei der Ratsdebatte zum Zielbeschluss Anfang März. Nach der in Grundgesetz Artikel 4 verankerten Religionsfreiheit gebe es einen Anspruch darauf, eine Moschee zu bauen. Die von der Ditib geplante „offene Architektur“ demonstriere Transparenz und Dialogbereitschaft, mache deutlich, dass es nicht um einen Ort der Abschottung, sondern der Hinwendung zur Stadtgesellschaft gehe. „Das Projekt hat das Zeug dazu, ein Ort des modernen deutschen Islams zu werden“, sagte der CDU-Mann und zitierte den aus Wuppertal stammenden Bundespräsidenten Johannes Rau: „Wer ein Haus baut, der will bleiben.“
Die CDU sei sich sehr bewusst, dass die türkische Religionsbehörde Diyanet Einfluss nehmen könnte. Doch sei man nach zahlreichen Gesprächen, Sondierungen und vor allem wegen der guten Erfahrungen mit der örtlichen Ditib-Gemeinde „der festen Überzeugung, dass die theoretische Einflussnahme eher eine abnehmende als eine zunehmende Bedeutung hat“. Von den Sozialdemokraten heisst es, die Gemeinde sei nach ihrer eigenen Satzung ein politikfreier Raum – und das werde dort auch so gelebt.
Volker Beck, der lange religionspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen war und Mitglied der Islamkonferenz ist, warnt vor Naivität. „Spätestens seit der Spionageaffäre können alle wissen, was von der Ditib zu halten ist. Anders als behauptet, hat sie nie Konsequenzen aus diesem Skandal gezogen.“ Zudem agiere die Ditib regelmäßig als Wahlkampfagentur in Deutschland für Erdogan. So auch in den vergangenen Wochen. Angesichts dieses Charakters dürfe man nichts tun, um die Struktur der Ditib zu fördern. „Ich finde es deshalb abwegig, der Ditib ein kommunales Grundstück zu übereignen oder zu verkaufen“, sagt Beck im Gespräch mit der deutschen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Nach der Wahl in der Türkei müsse die deutsche Innenministerin Nancy Faeser nach Ankara reisen, um darüber zu verhandeln, dass der türkische Staat die türkischstämmigen Muslime in die Unabhängigkeit entlasse. „Die Abnabelung von der Diyanet und die Neugründung einer unabhängigen muslimischen Religionsgemeinschaft kann man nicht mit deutschem Satzungsrecht hinbekommen, das geht nur, wenn Ankara das will. Das wäre für das Ankommen der Muslime in Deutschland ein unheimlich wichtiger Akt.“
Aber auch Becks Parteifreunde in Wuppertal haben keine Bedenken gegen das Projekt. Den Umstand, dass kürzlich ein türkischer Historiker einen Vortrag hielt, der im Internet den Genozid an den Armeniern verharmlost und in einem Buch „Zionisten und „Evangelisten“ als Feinde bezeichnet, von denen die Welt in Brand gesetzt worden sei, kommentierte der Redner der Grünen in der entscheidenden Ratssitzung mit den lapidaren Worten, es sei „nicht die beste Idee“ gewesen, „diesen Historiker einzuladen“.
Die Befürworter des Projekts machen kein Geheimnis daraus, dass es ihnen auch darum geht, ein ganzes Quartier ohne Kosten für die Stadt aufzuwerten. Für das Autonome Zentrum wollen sie eine neue Bleibe finden. Die Straße, einst die Wuppertaler Ausgehmeile, befindet sich seit vielen Jahren im Abwärtsstrudel. Sie ist geprägt von leer stehenden Ladenlokalen, mehr als einem Dutzend Spielhöllen und Wettbüros. „Ein massiver städtebaulicher Missstand wird hoffentlich bald der Vergangenheit angehören“, heißt es von der SPD. Auch die FDP ist sich sicher: „Die Neubaupläne mit Café, Kindergarten und offener Platzgestaltung werden das Gebiet definitiv aufwerten.“ Wichtig sei aber, dass auch die Kita und das Seniorenheim wirklich offen für alle seien, mahnen die Liberalen.
Zwischen vier und sechs Millionen Euro wird allein das Gemeindezentrum samt Moschee kosten, eine große Summe für eine Gemeinde mit nur 600 Mitgliedern. Von der türkischen Religionsbehörde Diyanet werde dennoch kein Cent in den Neubau der Moschee fließen, sagt der Ditib-Vorstand. Die Finanzierung über Spenden laufe in muslimischen Gemeinden in Europa identisch ab. „Sobald der erste Bagger rollt, werden wir ein Spendenkomitee zusammenstellen, die Freitag für Freitag in Moscheen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Holland oder Dänemark unterwegs sein werden.“
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