In der letzten Phase der Präsidentschaftswahlen in der Türkei sah man den Sultan oft, wie er auf den Straßen seine Geldbörse herausholte und Lira-Scheine an Passanten übergab. Er wollte damit einerseits seine großzügige Seite pontentiellen Wählern zeigen, aber auch deutlich machen, dass er trotz der Wirtschaftsmisere des Landes – an dem er maßgeblich beteiligt ist durch seine Finanzpolitik – einer vom Volk ist, hilft wo er kann, also ein Teil von ihnen ist.
Die Gattin Erdogans stand oft neben ihm, unterhielt sich mit den Passanten, zeigte Verständnis für die Verarmung der Menschen. Auch wenn sie nicht selber Geld verteilte, es würde sich nicht ziemen für eine muslimische Frau in der Öffentlichkeit neben ihrem Ehegatten, hat sie andere Mittel, um mit Gottesvertrauen und „Volksnähe“ von der katastrophalen Politik der AKP-Regierung abzulenken. Dafür, dass Emine Erdogan sehr auf ihr Image als Wohltäterin achtet, lebt sie nicht nur luxuriös, sondern äussert sich auch zum Geschlechterverhältnis auffallend konservativ. Im März machte sie durch ihre durchweg positiven Aussagen über das Harem-Dasein Schlagzeilen.
Die vielen extravagenten Einkäufe und Anschaffungen der türkischen First Lady stoßen auf Kritik. Der Unterschied zwischen ihrem Lebensstandard und dem des durchschnittlichen türkischen Bürgers ist frappant. Für die Untertanen gibt sie Tipps, besonders für Hausfrauen. Aus Apfelschalen könne man noch Essig kochen, und Mangos schmeckten auch getrocknet sehr gut, verriet sie noch jüngst einer regierungsergebenen Zeitung. Mangos in der Türkei? Der Spott in den sozialen Netzwerken war groß. „Die Leute stehen für billige Kartoffeln und Zwiebeln an, und du erzählst ihnen, wie sie Mangos trocknen sollen“, schrieb ein Nutzer.
Der erwähnte Artikel trug die Überschrift „Das bescheidene Leben in der Palastküche“ ist der Artikel überschrieben. Tatsächlich aber würden wohl nur die wenigsten Türken ihre First Lady mit Bescheidenheit in Verbindung bringen wollen. Für ihren züchtigen Modestil, der stets aus eng gebundenem Kopftuch, weiten Kleidern aus exquisitem Zwirn, Pumps und kräftigem Make-up besteht, beschäftigt die 68-Jährige eine eigene Modedesignerin. Für die „shoppingsüchtige“ Präsidentengattin wie sie die britische Zeitung „Daily Mail“ nannte, wurde 2015 sogar ein Abschnitt der Brüsseler Avenue Louise gesperrt, damit sie ungestört einkaufen konnte. Ende März dieses Jahres, keine sechs Wochen nach dem verheerenden Erdbeben im Südosten der Türkei, ließ sie sich mit ihrer Entourage in New York vor dem Geschäft von Dior auf der 5thAvenue absetzen.
Emine Erdogan stammt wie ihr Gatte aus bescheidenen Verhältnissen. Geboren wurde sie in Istanbul als eines von fünf Kindern frommer ostanatolischer Eltern. Ab dem 15. Lebensjahr musste sie das Kopftuch tragen. Ihr Bruder berichtete 2010 der türkischen Zeitung „Milliyet“, dass sie deswegen tagelang in ihrem Zimmer geweint und gar an Selbstmord gedacht habe. Schließlich bedeutete das Kopftuch damals, dass sie nicht studieren durfte. Heute tragen auch ihre Töchter Esra und Sümeyye das islamische Kopftuch. Beide haben in den USA studiert, widmen sich jetzt aber überwiegend Familie und Haushalt. Das Mutterdasein zählt für Emine Erdogan zur vornehmlichsten Rolle der Frau im Islam: „Die Voraussetzung für all die Rechte, Freiheiten und Errungenschaften, die den Frauen versprochen werden, ist, dass sie ihre eigene Identität aufgeben“, dozierte sie im vergangenen November. Ganz anders blickt sie als Frau auf die Zeit der Osmanen. Das Sultans-Harem sei für die Frauen nicht schlecht gewesen, befand sie 2016 bei einem offiziellen Termin in Ankara, sondern eine nützliche „Schule der osmanischen Dynastie“.
Emine Erdogan teilt die Klagefreudigkeit ihres Mannes. Nachrichten über ihre teuren Handtaschen etwa hat sie gerichtlich untersagen lassen. So wurde sie im beim G20-Gipfel in Japan mit einer Krokodilleder-Handtasche aus dem Haus Hermès gesichtet. Türkische Medien taxierten den Wert der Tasche auf umgerechnet 45.000 Euro. Die regierungsnahe Zeitung „Hürriyet“ versuchte zu beschwichtigen: Die angebliche Hermès-Handtasche sei in Wirklichkeit eine in der Türkei gefertigte Kopie. Das machte die Sache aber nicht unbedingt besser, denn mit dem Kauf eines Plagiats hätte sich Emine Erdogan strafbar gemacht. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu gab der Präsidentengattin öffentlich den Rat, die Handtasche zu verbrennen – so macht es der türkische Zoll mit sichergestellten gefälschten Luxusartikeln.
Während eines Staatsbesuchs, auf dem sie ihren Mann nach Brüssel begleitete, soll sie mehrere Luxusläden eines Einkaufszentrums von ihren Sicherheitsbeamten kurzerhand abgesperrt haben, um in Ruhe shoppen zu können, schrieb die belgische Zeitung „La Capitale“. Manchmal muss Emine Erdogan nicht einmal die Kreditkarte zücken. Bei der Eröffnung eines Einkaufzentrums in Moskau überreichte ihr 2005 ein ortsansässiger türkischer Juwelier als Geschenk eine Kette im Wert von 27.000 Euro. Nicht für die bedeutsamen politischen Resultate der Russland-Reise interessierten sich die Gazetten, nicht für Gaslieferungen und Textilexporte. Alles wurde überstrahlt von den Brillanten der Emine Erdogan. Aber es war kein gutes Licht, das die glitzernden Edelsteine auf die Erdogans warfen. Die Kommentare schwankten zwischen Häme, Spott und Empörung. Nach langem Hin und Her gab Emine Erdogan das teure Geschenk dem Juwelier zurück.
Vor allem aber herrscht sie über die Privatgemächer des 1500-Zimmer-Palastes, genannt Ak Saray, den sich Recep Tayyip Erdogan in Ankara hat errichten lassen. Von seidenen Tapeten und Teppichen im Wert von mehr als acht Millionen Euro wird gemunkelt. Nur in ihre „bescheidene“ Küche lässt sie gelegentlich auserwählte Journalistinnen. Um zu zeigen, wie man Apfelschalen vergären lässt und Mangos trocknet. Das Gebäude ist viermal größer als das Schloss von Versailles. Hier laufen alle Fäden der Macht zusammen. Nur wenigen Außenstehenden war es bisher vergönnt, die Privatgemächer zu betreten, in denen der Präsident mit seiner Gattin residiert. Von erlesenen Möbeln, teuren Teppichen und Seidentapeten – sogar in den Toiletten – wird berichtet.
Ein Heer von Bediensteten umsorgt das Präsidentenpaar. Wenige Wochen nach der Fertigstellung des Palastes im Jahr 2014 gab Emine Erdogan dort ein Abendessen für ausgewählte Mitglieder islamischer Frauenverbände. Türkische Medien veröffentlichten Fotos, auf denen das feine Porzellan und die mit breiten Goldrändern verzierten Kristallgläser zu sehen waren, in denen das Personal den Gästen Wasser und Fruchtsäfte servierte. Die frühere Vorsitzende der Architektenkammer Ankara schätzte den Wert jedes einzelnen Glases auf umgerechnet 360 Euro. Einer Homestory der islamistischen Zeitung „Yeni Akit“ verdankt die türkische Öffentlichkeit weitere Einblicke in das Palastleben. Etwa die Information, dass Emine Erdogan Weißen Tee aus Rize am Schwarzen Meer bevorzugt, der Heimat ihrer Schwiegereltern. Der Kilopreis dieser Spezialität liegt angeblich bei umgerechnet 400 Euro, anderen Berichten zufolge sogar bei 1800 Euro.
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