Wieder einmal sorgt eine politische Absicht bezogen auf religiöse Symbolik in Frankreich für Unruhen. Bildungsminister Gabriel Attal beabsichtigt die sogenannten “Abajas”, eine Art Überkleid, welches mit Masse von Frauen in muslimischen Ländern getragen wird an französischen Schulen verbieten lassen. Hintergrund ist, dass laut Attal die “Abajas” religiöse Symbole darstellen, die bereits seit 2004 an sämtlichen Schulen des Landes untersagt sind.
Beabsichtigt ist das Inkrafttreten dieser Verordnung bereits mit Beginn des neuen Schuljahres 2023 (Schulstart ist am 4. September 2023). Attal äußerte sich gegenüber französischen Medien wie folgt: “Ich werde den Schulleiitern klare Regeln auf nationaler Ebene vor Beginn des Unterrichts am 4.September vorgeben und beabsichtige, dass das Tragen der Abajas landesweit an Schulen zukünftig untersagt sein wird.”
Frankreich sieht sich als laizistische Gesellschaft. Der Laizismus gibt vor, dass Staat und Religion strikt von einander getrennt sein müssen. Daher ist es aus der Sicht der französischen Regierung notwendig Rahmenbedingungen zu schaffen, in welchen die Schulkinder an den nationalen Schulen ihre Freiheit leben und sich emanzipieren können. Dies umfasst laut Attal, welcher seit Juli 2023 im Amt ist, dass bei Betreten der Klassenräumlichkeiten nicht erkennbar sein dürfe, welcher Religion die Schülerinnen und Schüler angehören. Im Unterschied zu seinen Vorgängern stufte Attal unmittelbar nach seinem Amtsantritt die “Abajas” als religiöses Symbol ein und kündigte umgehend an gegen diese vorzugehen.
Bereits 1994 trat ein Gesetz in Kraft, dass in Schulen nur noch diskrete, nicht aber auffällige religiöse Symbole erlaubte. Zehn Jahre später, im Jahr 2004, wurden religiöse Symbole in Schulen vollständig untersagt. Aus diesem Grund sind an französischen Schulen auch religiöse Symbole wie das islamische Kopftuch, das christliche Kreuz, oder auch die jüdische Kippa verboten. Seit 2010 gilt darüberhinaus das Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit.
Vor allem in der muslimischen Community in Frankreich sorgen regelmäßige Verschärfungen der Verbote zur religiösen Symbolik für Unmut. So machte ein Imam einer Moschee in Marseille gegenüber Medien wie folgt Luft: “was kommt als Nächstes? Ist es zukünftig uns Männern nicht mehr gestattet einen Bart zu tragen, weil dies auch auf religiöse Gründe zurückgeführt werden kann? Wir haben das Recht unsere Religion und Traditionen entsprechend zu leben. Wem tut es weh, wenn eine muslimische Frau eine Ajaba trägt? Wieso wird über eine Jogginghose nicht diskutiert, aber über eine Abajaa schon? Das ist ein Kleidungsstück aus einem anderen Kulturkreis. Die Ajaba ist nicht primär für die Verrichtung des Gebets vorgesehen. “
In der Tat handelt es sich bei der Abaja um ein Überkleid, welches mehrheitlich im Alltag getragen wird. In bestimmten Regionen arabischer Länder symbolisiert die Abaja auf Grund ihrer Verarbeitung oder Verzierung das gesellschaftliche und religiöse Umfeld einer Frau. Nicht nur auf der arabischen Halbinsel, sondern auch in Ländern wie Indonesien, Pakistan aber auch Indien werden diese Kleidungsstücke getragen. Da die Abajas stets hochgeschlossen, langärmlig und fuß – bzw. bodenlang getragen werden, eignen sie sich auch als Gebetsgewänder. Ein ähnliches Beispiel stellen etwa die vor allem in Nordafrika weit verbreiteten Gallabijas dar. Auch dieses Kleidungsstück, welches mehrheitlich von Männern getragen wird, ist auf Grund seines bodenlangen Schnittes als Gebetsgewand geeignet, findet im Alltag aber vor allem in ländlichen Gegenden unterschiedlichsten Gebrauch. So tragen sowohl Bauern, die sich in dem luftigen Gewand Abhilfe zur teils brütenden Hitze verschaffen, als auch wohlhabende Geschäftsleute diese Gewänder.
Selbstredend schwingen bei diesen Thematiken politische Kalküle mit, bzw. versuchen sich die unterschiedlichen politischen Lager entsprechend zu positionieren. So äußerte der muslimische Dachverband CFCM seine Bedenken zu den Überlegungen des Ministers. Die Abajas seien vielmehr ein Kleidungsstück, als ein religiöses Gewand und aus diesem Grund auch kein Thema einer religiösen Symbolik. In ein ähnliches Fahrwasser schlagen Mitglieder der linkspolitischen Partei LFI, allen voran Clémentine Autain, die hinter der Planung des Bildungsministers einen verfassungswidrigen Schritt erkennt und vor einer Kleiderpolizei an französischen Schulen warnt.
Republikaner – Parteichef Eric Ciotti befürwortete die Ankündigung des Bildungsministers. Auch der Generalsekretär der Schulleiter – Gewerkschaft SNPDEN, Bruno Bobkiewicz, begrüßte es, dass es nun klare Anweisungen für die Direktoren geben werde.
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