Der publizistische Rückzug des deutschen Journalisten Constantin Schreiber zu allen Fragen, die den Islam betreffen, ist hauptsächlich auf Anfeindungen linker Gruppen bei öffentlichen Veranstaltungen gegen den Buchautor zurückzuführen. MENA Research Center berichtete von dem Fall im letzten Europa Monitor. In seinen Publikationen setzte er sich immer, dank seiner intensiven Kenntnis der islamischen Kultur und Religion, für ein Miteinander ein. Gleichzeitig machte er aber auch deutlich, welche Gefahren gewisse islamistische Gruppen in unseren europäischen Gesellschaften ausüben können. Mit diesen Risiken meinte er nicht nur den religiös motivierten Terrorismus, er sprach auch klar von der immer größeren Einflussnahme des legalistischen Islam auf die muslimischen Communities. Wie türkische Religionsverbände unter der Kontrolle Erdogans das Leben von türkischen Jugendlichen in Europa beeinflussen, welche Strategien die Muslimbruderschaft hier verfolgt, was die Politik und deren Verantwortliche dagegen unternehmen sollten.
Nun hat sich Constantin Schreiber dazu veranlasst gesehen, in Zukunft nichts mehr zum Islam zu sagen, geschweige denn zu veröffentlichen. Er, in seinem Hauptberuf Sprecher der bekanntesten Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen, hält den Druck und die Attacken auf seine Person nicht mehr aus. Hier wird also jemand mundtot gemacht, auch wenn die Entscheidung von ihm selber ausgeht. Man hätte zumindest erwarten können, dass er eine lautstarke Unterstützung erhalten hätte, nachdem er sogar physisch angegriffen wurde, sei es von einer aufgeklärten Öffentlichkeit, sei es von Politikern, die doch immer für Meinungsfreiheit und Toleranz eintreten.
Die Angriffe gegen den Journalisten kommen dabei nicht von islamistischen Gruppierungen, sondern von der Fraktion der sogenannten „Identitätslinken“, die jede kritische Auseinandersetzung mit radikalen Tendenzen in unserer Gesellschaft als „Rassismus“ oder „Islamophobie“ kennzeichnen. Die Islamisten von AKP, Muslimbruderschaft können dabei sich dabei genüsslich zurücklehnen und das Schauspiel beobachten. Seit längerer Zeit schon haben sie in der Linken ihr inoffizielles Sprachrohr gefunden, welches sie verteidigt, in Schutz nimmt vor Kritikern einer fundamentalistischen Religionsauslegung. Es stellt sich nun die Frage, warum gerade die progressiven Aktivisten einer Idee, die seit ihrer Entstehung Säkularismus, Gleichbehandlung der Geschlechter, Toleranz und Aufklärung zu ihren Grundprinzipien gemacht hat, zum Handlanger einer rückwärtsgewandten Religion geworden ist.
Besonders das linke und grüne Spektrum in Deutschland hat besonders geschwiegen, nach den Angriffen auf Schreiber, nach seinem Interview mit der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“, in der er die Gründe für seinen Rückzug darlegte. Alles, was problematisch ist an muslimischen Verbänden in Deutschland, aber auch in Europa, am politischen Islam, wird von dieser politische machtvollen Richtung abgetan, ignoriert und verkannt. Eigentlich wollen deren Vertreter unterbinden, dass eine kritische Auseinandersetzung entlang der Grund- und Menschenrechte stattfinden kann.
Islamismus ist eine Bedrohung von Freiheit, von ethnischen und religiösen Minderheiten, die in ihren Herkunftsstaaten bereits vor dem Islamismus flüchten mussten. Und die Linke hier hat nichts Besseres zu tun, als diese Bedrohung für unsere Gesellschaften in Europa zu relativieren. Sie verkennt völlig, dass sich eine solche Kritik nicht gegen Muslime an sich richtet, sondern gegen diejenigen, die eine andere Gesellschaft wollen, ein Gemeinwesen, dass sich nach Werten richtet, die unsere Aufklärung eigentlich für alle Zeit auf den Müllplatz der Geschichte deponieren wollte. Der Leser möchte ein Beispiel für diese besondere Spielart des Kulturrelativismus bekommen? In einer großen deutschen Zeitung, die sich dem links-alternativen Lager zuordnet, schrieb eine Journalistin, die über die Frauenrechte im Mullah-Regime im Iran recherchierte, die „Vorstellung des Kopftuchs als Gradmesser von Freiheit“ sei „verdammt gefährlich“, und die westlichen Forderungen nach Emanzipation im Iran sei „gefährlicher Eurozentrismus“. Kurz nach der Veröffentlichung des Artikels wurde die junge Kurdin Jina Mahsa Amini ermordet, das Kopftuch wurde zum Gradmesser von Freiheit und das Regime der Islamischen Republik Iran in seinen Grundfesten erschüttert.
Das heisst in der Konsequenz, es sei ein bloßer Eurozentrismus, wenn man Menschenrechtsverletzungen im Ausland beklagt, während daheim sich nur die „Angegriffenen“ äussern dürfen, also die bärtigen Herren des politischen Islam oder aber die Erdogan-Spione, die für ihren Herrn in den Communities bespitzeln und verantwortlich sind für Verhaftungen und Verurteilungen, wenn diese kritischen Stimmen in die Türkei reisen.
Da muss auch bitte eigentlich gefragt werden, wer hier in Europa zu den Betroffenen gehört! Kurden, Jesiden, säkulare Muslime, die ihre Religion als etwas Individuelles empfinden, das nicht zur Staatsräson werden soll und darf. Es sind homosexuelle muslimische Männer und Frauen, die hier in Europa gefährlich leben, wenn sie sich outen. Junge Mädchen, die sich gegen eine Zwangsheirat wehren und nicht selten um ihr Leben fürchten müssen. Hier schweigt der linke oder grüne „Kulturrelativist“ beharrlich oder aber er attackiert jemanden wie Constantin Schreiber, der offen ausspricht, wo etwas getan werden muss.
Die Progressiven in unseren Demokratien müssen endlich Antworten finden auf die Gefahren des Islamismus! Es müssen Antworten sein, die nicht der extremistischen Rechte die Deutungshoheit überlässt. Diese Antworten müssen ausdrücken, dass sie diejenigen Muslime unterstützen, die unsere Werte leben. Kulturrelativismus hilft nicht, sondern das Einsetzen für universale Werte!
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