Sind es nun die Morde an israelische Zivilisten, das Bombardement der Handelsschifffahrt im Roten Meer, Angriffe in Syrien oder Irak, alle wurden von Mitgliedern der „Achse des Widerstands“ verübt. Es ist die Hamas, islamistische Terrorgruppen in Libanon, Syrien, Jemen und dem Irak. Die schiitischen Gruppen, mit Ausnahme der Hamas, die der Ideologie der sunnitischen Muslimbruderschaft folgt, haben gemeinsam, dass sie einen radikalen Islam verfolgen sowie die westliche Lebensweise ablehnen.
All diese Angriffe der Gruppen, als „Achse des Widerstands“ tituliert, wird orchestriert, koordiniert, finanziert und bewaffnet von den Kuds-Brigaden der iranischen Revolutionswächter. Offen ist noch die Frage, wie weit Teheran seine Verbündeten kontrolliert und steuert. Nicht alle sind gleich eng mit dem iranischen Regime verbunden.
Geprägt wurde der Begriff der „Achse des Widerstands“ im Jahr 2002 als Reaktion auf den amerikanischen Präsidenten George W. Bush, der in seiner Rede zur Lage der Nation Iran, den Irak und Nordkorea als „Achse des Bösen“ bezeichnet hatte. Nach Beginn des Bürgerkriegs in Syrien 2011 verwendete die iranische Führung den Begriff vermehrt, um ihre Allianz mit dem Regime von Bashar al-Asad in Syrien und der libanesischen Hizbullah-Miliz zu bezeichnen.
Das Bündnis, das in seiner heutigen Form vom 2020 getöteten General Kassem Soleimani geprägt wurde, sichert Iran Einfluss in Damaskus, Beirut und Bagdad. Es dient Teheran zur Machtprojektion in der Region, aber auch als Rückversicherung für den Fall eines Angriffs der USA oder Israels auf das eigene Territorium. Seit dem verheerenden Krieg mit dem Irak in den achtziger Jahren verfolgt Iran eine Strategie der Vorwärtsverteidigung. Sein Ziel ist es, Konflikte mit seinen Rivalen nach Möglichkeit ausserhalb des eigenen Territoriums auszutragen.
Folgt man den Aussagen des Mullah-Regimes in Teheran, sind dessen „Achsen- Mitglieder“ gleichberechtigte Partner, die gemäß ihren eigenen Interessen handeln. Iran unterstütze sie nur politisch und stelle allenfalls „Militärberater“. Der iranische Revolutionsführer lobte zwar den Angriff der Hamas, betonte aber, die palästinensische Miliz habe unabhängig gehandelt. Auch westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass Iran nicht über den Angriff informiert oder an der Planung beteiligt war. Allerdings ist seit langem belegt, dass die Kuds-Brigaden die Hamas im Gazastreifen sowie Verbündete wie den Hisbollah und die Huthi mit Raketen, Drohnen und anderen Waffen beliefern. Westliche Kriegsschiffe fangen regelmässig vor der Küste Jemens Schiffe mit versteckten Waffenlieferungen für die Huthi ab.
Hauptakteure der iranischen „Achse“
Die iranischen Revolutionswächter wurden 1979 zum Schutz der Mullah-Diktatur gegründet. Aus dem Zusammenschluss revolutionärer Milizen ist heute eine reguläre Armee mit rund 125.000 Soldaten geworden. Zu ihnen gehören eine eigene Marine, eine Luftwaffe und Raketenstreitkräfte sowie die Kuds-Brigaden unter dem Kommando von Ismail Ghani. Diese Sondereinheit für Auslandseinsätze mit 15.000 Mann koordiniert das Netzwerk aus verbündeten Milizen in der Region.
Das syrische Regime der Assad-Familie ist der älteste Verbündete Irans. Schon unter dem Vater des aktuellen Diktators in Damaskus unterstützte die syrische Despotie Teheran. Nach dem verheerenden Bürgerkrieg ist die syrische Armee stark geschwächt, ohne die Militärhilfe der iranischen Kuds-Brigaden, des libanesischen Hizbullah und anderer schiitischer Milizen hätte Asad wohl den Krieg gegen die Rebellen verloren.
Die Hisbollah ist Irans engster und wichtigster Verbündeter. Seit ihrer Gründung 1982 hat sich die „Partei Gottes“ zu einem zentralen Akteur der libanesischen Politik und einer ernsten militärischen Bedrohung Israels entwickelt. Ideologisch, finanziell und militärisch ist die schiitische Bewegung von Hassan Nasrallah aufs Engste verknüpft mit Iran. Heute soll die Miliz an der Grenze zu Israel 130.000 Raketen stationiert haben.
Die Hamas teilt mit Iran die Ablehnung Israels und das Ziel der Zerstörung des jüdischen Staats. Die palästinensische Partei und Miliz erhält seit den neunziger Jahren Hilfe aus Teheran. Ideologisch steht sie aber der sunnitischen Muslimbruderschaft näher als dem schiitischen Regime Irans. Im syrischen Bürgerkrieg unterstützte sie über Jahre die Rebellen, was zu einem Konflikt mit Iran führte, der erst 2017 wieder beigelegt werden konnte.
Der Palästinensische Islamische Jihad (PIJ) zählt seit 1979 zu Irans Verbündeten, doch hat die islamistische Miliz nie die gleiche Bedeutung erlangt wie die Hamas. Laut westlichen Geheimdiensten erhielt der PIJ von Iran zuletzt 30 Millionen Dollar pro Jahr, die Hamas dagegen 70 Millionen. Im Gazastreifen schwankt das Verhältnis der beiden Gruppen zwischen Rivalität und Kooperation.
Die Huthi sind erst spät zur „Achse des Widerstands“ gestossen. Die offiziell „Ansar Allah“ genannte islamistische Bewegung hat ihre Basis im bergigen Norden Jemens in der Volksgruppe der Zaiditen, einer Untergruppe der Schiiten. Nach der Übernahme der Macht in der Hauptstadt Sanaa 2015 starteten Saudi-Arabien und andere arabische Golfstaaten eine Militärintervention, um die Huthi zu vertreiben, als Konsequenz dieses Engagements weitete Iran seine Unterstützung stark aus.
Im Irak wiederum ist die Badr-Organisation der älteste Verbündete Irans. Die schiitische Miliz kehrte nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 aus dem iranischen Exil in die Heimat zurück. Weitere wichtige Partner im Irak sind die schiitischen Milizen „Kataib Hizbullah“ und „Asaib Ahl al-Haq“, die im Kampf gegen die amerikanische Besetzung und nach 2014 auch im Kampf gegen den IS eine wichtige Rolle spielten.
Aktuelle Lage
Dank der iranischen Hilfe stellen Hamas, Huthi und Hisbollah inzwischen viele Raketen und Drohnen selbst her. Die Kuds-Brigaden unterstützen ihre Verbündeten aber weiterhin mit Ausbildern bei der Produktion und dem Einsatz der Waffen. In Syrien stieg die Zahl der iranischen „Militärberater“ während des Bürgerkriegs auf bis zu 3.000. Sie waren entscheidend für die Koordination des Kampfs gegen die Rebellen und führten teilweise selbst das Kommando.
Die Mullahs in Teheran versuchen schon seit ihrer Revolution 1979, ihren Einfluss in der Region auszuweiten, stoßen dabei aber immer wieder auf Widerstand. Ursprüngliches Ziel der iranischen Politik seit der Machtübernahme war deren „Revolutions-Export“. Zu diesem Zweck wurde Anfang der achtziger Jahre innerhalb der Revolutionswächter das „Büro für Islamische Befreiungsbewegungen“ geschaffen. Mit dieser Unterstützung wurde 1982 aus lokalen schiitischen Milizen die Hisbollah für den Kampf gegen Israel gegründet, das damals Südlibanon besetzt hielt.
Die Golfstaaten und andere sunnitische Nachbarn fühlten sich von Teherans revolutionärer Rhetorik bedroht und unterstützten während des Iran-Irak-Kriegs in den achtziger Jahren Saddam Hussein. Mit dem Sturz des irakischen Diktators durch die USA 2003 konnte Iran seinen Einfluss im Irak ausweiten.
Das Ausmass von Irans Kontrolle über die Mitglieder der sogenannten Achse variiert. Milizen wie die Fatimiyun und die Zainabiyun, die Iran speziell für den Einsatz in Syrien aus afghanischen und pakistanischen Schiiten aufgestellt hat, unterstehen direkt dem Kommando der Kuds-Brigaden. Andere Verbündete wie die Milizen im Irak und Hisbollah in Libanon sind zwar eng verbunden mit dem iranischen Regime, aber nicht einfach willenlose Marionetten.
Bei aller ideologischen Nähe bleiben sie autonome Akteure mit eigenen Interessen und einer eigenen Agenda. Sie sind fest verwurzelt in der jeweiligen Gesellschaft und einflussreiche Akteure in der Politik ihrer Länder. Auch westliche Geheimdienstvertreter gehen heute davon aus, dass Iran nicht all seine Verbündeten komplett kontrolliert. Es wird vermutet, dass manche Angriffe der Milizen auf amerikanische Stützpunkte im Irak gegen den Willen der Iraner erfolgten.
Auch bei den Angriffen der Huthi im Roten Meer ist offen, wie eng sie mit Iran koordiniert sind. Die Bewegung, die seit Jahren den Grossteil Jemens kontrolliert, ist bis heute nur lose mit Iran verbunden. Die Hamas wiederum unterhält zwar seit 30 Jahren Kontakte nach Teheran, doch hat die sunnitische Bewegung in der mehrheitlich schiitischen „Achse des Widerstands“ stets eine Sonderrolle gespielt. Bei den Iranern und der Hisbollah kam nicht gut an, dass die Hamas ihre Verbündeten nicht vorab über den Grossangriff auf Israel informiert hat.
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