Bei rechtem Extremismus denken die meisten Deutschen an gewaltbereite Neonazis, die Ausländer hassen. Dass eine bedeutende rechtsextreme Bewegung selbst im ausländischen Milieu wurzelt, dürfte nur wenigen Bürgern klar sein – auch weil man es nicht vermuten würde und es bisher eher wenig thematisiert wurde.
Mit rund 12.500 Anhängern sind die Grauen Wölfe eine der grössten rechtsextremen Gruppierungen in Deutschland. Eine neue Studie weist warnend darauf hin, dass von diesen nicht nur für die kurdische Minderheit in Deutschland eine Gefahr ausgehe, sondern auch für Juden und Aleviten.
Prägend für die Grauen Wölfe ist laut dem deutschen Inlandgeheimdienst eine „extrem nationalistische bis rechtsextremistische Ideologie“. Charakteristisch seien ausserdem Rassismus, Judenhass und eine Überhöhung des Türkentums. In seinem Verfassungsschutzbericht schreibt der Inlandgeheimdienst, das Ideal der Grauen Wölfe sei ein türkisch geführter, „ethnisch homogener Staat“ namens „Tura“, dessen Territorium vom Balkan bis nach Westchina reichen solle.
In den Fokus rückten die Grauen Wölfe einmal mehr nach dem Spiel der türkischen Nationalmannschaft gegen Österreich bei der Fussball-Europameisterschaft in Deutschland. Der türkische Spieler Merih Demiral hatte mit den Fingern den sogenannten Wolfsgruss gezeigt, der an die Umrisse eines Wolfsschädels erinnert. Der europäische Fussballverband hatte ihn darauf für zwei Spiele gesperrt. Beim Viertelfinalspiel der Türkei gegen die Niederlande in Berlin hatten darauf Hunderte türkische Fans den Wolfsgruss gezeigt.
Die Geste ist das Erkennungszeichen der Gruppierung. Wer sich negativ über die Gruppe äussert, muss harsche Kritik ertragen, manchmal sogar mehr. So berichtete die kurdisch-jesidische Publizistin Düzen Tekkal von Morddrohungen, die sie erhalten habe, nachdem sie den Gruss öffentlich missbilligt hatte.
Die meisten Grauen Wölfe gehören in Deutschland drei Organisationen an, die alle im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 erwähnt werden. Einer der Verbände ist die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland, kurz ADÜTDF. Sie vertritt laut dem Bericht die Interessen der ultranationalistischen türkischen Partei MHP, die mit Präsident Recep Tayyip Erdogans AKP koaliert.
Bemerkenswert ist die Rolle der Organisation Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa, kurz Atib. Sie ist Gründungsmitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland und stellt dort ein Vorstandsmitglied. Der Zentralrat ist Teil der Deutschen Islamkonferenz: ein Gremium, das sich unter der Ägide des Innenministeriums über die Integration von Muslimen in Deutschland austauscht, die sich teilweise schwierig gestaltet.
Die Atib ist laut Verfassungsschutz „propalästinensisch“. Klar judenfeindlich ist hingegen die dritte Organisation der Grauen Wölfe in Deutschland, die Föderation der Weltordnung in Europa (ANF). Deren Vorsitzender schrieb am Tag des Terrorangriffes der Hamas auf Israel im vergangenen Jahr, Gott möge seinen „palästinensischen Brüdern“ zum Sieg verhelfen.
Es bleibt allerdings nicht immer bei reiner Rhetorik: Im Jahr 2020 tötete ein Türke in Dortmund einen Kurden, der Täter hatte auf seinem Profil in den sozialen Netzwerken den Wolfsgruss gezeigt.
Nach dem Eklat um den Gruss hatte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser gesagt, die Symbole türkischer Rechtsextremisten hätten in den Stadien nichts zu suchen. Das Turnier dürfe keine Plattform für Rassismus bieten. Außenministerin Annalena Baerbock hatte wegen der Causa den türkischen Botschafter einbestellt.
In Frankreich sind die Grauen Wölfe verboten, in Österreich ist zumindest ihr Gruss illegal. Das deutsche Parlament hat sich im Jahr 2020 dafür ausgesprochen, ein Verbot der Grauen Wölfe zu prüfen. Vergangenes Jahr hatten mehrere Abgeordnete unterschiedlicher Parteien diese Forderung erneuert. Zuständig dafür wäre das Innenministerium. Hohe Priorität scheint das Thema dort aber nicht zu haben.
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