Die Terroranschläge in Deutschland haben das politische Klima massiv und nachhaltig geprägt. Der Erfolg der rechtsextremistischen AfD, die Forderung vieler deutscher Parteien nach einer härteren Gangart im Asylrecht, unter Umständen verfassungswidrig und gegen geltendes EU-Recht, sind nur einige Vorzeichen.
Aber es verändert auch die Situation der in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslimen. Sie fragen sich folgendes: schon wieder ein Anschlag. Schon wieder ein mutmaßlich islamistisches Motiv. Schon wieder ein Täter, der als Asylbewerber Schutz suchte. Diese Muster wiederholen sich – und mit ihnen die Debatten. Es tut weh, diese Frage auszusprechen: Wie kann es sein, dass jemand, der hier Zuflucht fand, zur Bedrohung für dieses Land wird? Es schmerzt, zu sagen, dass die Täter Asylbewerber sind. Noch mehr schmerzt die Erkenntnis, dass ihre Opfer noch leben könnten, wenn die Täter abgeschoben worden wären. Doch während die demokratische Mitte vorrangig die Fremdenfeindlichkeit der AfD beklagt, bleibt eine wesentliche Debatte aus: die über die Ideologie hinter diesen Taten.
Islamismus ist keine Randnotiz. Es ist eine totalitäre, gewaltverherrlichende Anschauung, die nicht relativiert, sondern bekämpft werden muss. Viele glauben, es genüge, sich demonstrativ gegen die AfD zu positionieren, um moralisch auf der richtigen Seite zu stehen – und damit alle Pflichten eines guten Bürgers erfüllt zu haben.
In den Herkunftsländern vieler nach Deutschland geflüchteten Muslime gibt es keine Freiheit. Islamisch-autoritäre Regime unterdrücken Minderheiten, entrechten sie und degradieren sie zu Menschen zweiter Klasse. Islamisten machen Jagd auf jeden, der nicht in ihr fanatisches Weltbild passt. Es werden Kirchen bombardiert, Christen massakriert, Busse überfallen und Träger einer Kreuzkette brutal geköpft. Gerade die vor diesen Gräueltaten nach Deutschland geflüchteten Menschen sind die Opfer des Islamismus – und sie erschrecken, wenn Islamisten auch in Deutschland Fuß fassen.
Statt eine ehrliche Debatte über das Problem des islamistischen Terrors zu führen, ist das Klima vergiftet. Rechte Hetzer erklären alle Migranten zur Bedrohung. Linke Kreise tun das Gegenteil: Sie relativieren, leugnen und verharmlosen den Terror. Ein Beispiel: Das Reel einer Influencerin hat über 100.000 Likes – darin vergleicht sie islamistische Anschläge mit schweren, aber unpolitischen Gewalttaten von Deutschen. Doch dieser Vergleich ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. Es ist purer Whataboutism. Es ist pure Verhöhnung der Opfer. Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied: In Villach, München, Solingen und Mannheim liegt ein extremistisches Motiv vor. Extremistische Gewalt ist mehr als Kriminalität – sie ist eine ideologische Waffe gegen unsere Gesellschaft – im Gegensatz zu individueller Gewalt, die meist persönliche Gründe hat. Wann verstehen diese Menschen endlich, dass man Gewalt nicht gegeneinander ausspielen kann?
Seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 nimmt der dschihadistische Terror zu. Der Terrorismusexperte Peter R. Neumann erklärt, dass die größte Terrorgefahr in Deutschland wieder vom Islamismus ausgehe, denn Anschlagsversuche seien um ein Vielfaches angestiegen. Dennoch empören sich manche mehr über diejenigen, die darauf hinweisen, als über die Täter selbst. Viele teilen zum Anschlag in München nichts – außer das Statement der Familie des Opfers, die darum bittet, die Tat nicht für Fremdenfeindlichkeit zu instrumentalisieren. Das ist richtig, aber reicht das? In deutschen Großstädten demonstrierten Zehntausende gegen die AfD und die „Normalisierung rechter Positionen“. Kein Wort zu den islamistischen Morden der vergangenen Wochen. Warum nicht beides? Ich kann gegen die AfD sein und trotzdem religiösen Extremismus verurteilen. Ja, natürlich muss der xenophoben Hetze der AfD widersprochen werden. Natürlich müssen wir über Sinn und Unsinn von Abschiebungen sprechen, die oft die Falschen treffen.
Diese Punkte belasten viele Menschen mit islamischem Hintergrund – vor allem, dass man mit dieser Haltung in der Medienbranche oft allein dasteht. Viele Medienverantwortliche fragen: „Warum sollten wir über Mannheim berichten? Nur weil der Täter ein Afghane war?“ Ein Polizist wurde vor aller Augen von einem IS-Sympathisanten ermordet. Wer wollte, konnte es im Livestream mitverfolgen. In dem Moment versteht man, dass die verfolgten Asylsuchenden und all jene, die Opfer des Islamismus sind, für diese Menschen keine Rolle spielen – weil die Täter nicht ins gewünschte Narrativ passen. Das zeigt auch das Beispiel des irakischen Christen Salwan Momika: Als er im August 2023 in Schweden öffentlich einen Koran verbrannte, sorgte das weltweit für heftige Reaktionen. Westliche Medien sahen die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten, Schweden stand unter internationalem Druck, solche Aktionen per Gesetz zu untersagen. Doch als Momika im Januar in seiner Wohnung erschossen wurde, war die Tat in den Nachrichten nur als Randnotiz wahrgenommen worden.
Sie schweigen, weil sie Angst vor Rassismusvorwürfen haben. Doch Schweigen schützt niemanden – es ist eine Einladung zur Wiederholung. Bei all den Gewalttaten fragt man sich: Wo ist die rote Linie? Wie viele Opfer, wie viel Terror? Wir analysieren, relativieren und zerteilen, bis der Kern des Problems verschwindet. Wir verharmlosen so lange, bis wir nicht einmal mehr merken, wie wir die Opfer verhöhnen. Unsere größte Angst ist nicht der Terror. Es ist, der AfD in die Hände zu spielen. Genau dieses Duckmäusertum stärkt am Ende jene Kräfte, die wir eigentlich bekämpfen wollen.