Bisher waren Schweizer Bankkonten ein streng gehütetes Geheimnis. Doch nun hat eine anonyme Quelle einen riesigen Datenschatz der Credit Suisse an europäische Medien geleakt – allen voran die Münchner „Süddeutsche Zeitung“. Erstmals kann gezeigt werden, wie Kleptokraten, Autokraten und Kriminelle dort ihr Geld versteckt haben.
Die internen Aufzeichnungen der Bank zeigen, dass die Credit Suisse jahrzehntelang und auf der ganzen Welt brutalen Herrschern, korrupten Politikern, Kriegsverbrechern und anderen Kriminellen Zugang zu undurchsichtigen Schweizer Konten verschafft hat – wo sie ihr illegitimes Vermögen sicher parken konnten.
Für solche Kunden wäre die Bank verpflichtet gewesen, „besondere Sorgfaltspflichten“ zu erfüllen, wie sie das 1997 geschaffene Geldwäschereigesetz vorschreibt. Dem ist die Credit Suisse offenbar nicht immer nachgekommen.
Die Dokumente zeigen auch, dass die Verbindungen zwischen den nahöstlichen Herrschercliquen in der Schweiz noch enger waren als erwartet. Und das gilt auch für die Verbindungen zur Credit Suisse.
Im Laufe der Jahre haben die Söhne des ägyptischen Herrschers Hosni Mubarak, des damaligen algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika, des verstorbenen Sultans von Oman, des Königs von Jordanien sowie Foltergeneräle, Geheimdienstchefs und viele weitere Reiche und Mächtige aus dem Nahen Osten Konten geführt.
Jedes Jahr fließen 60 Milliarden Dollar durch dunkle Kanäle aus dem Nahen Osten
Der Nahe Osten ist seit Jahrzehnten berüchtigt für Korruption und Vetternwirtschaft. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fließen jährlich umgerechnet mehr als 60 Milliarden Dollar durch dunkle Kanäle außer Landes: herausgeschmuggelt und veruntreut von korrupten Eliten, kriminellen Unternehmern und ihren verbündeten Autokraten.
Erstaunliche Summen gab es auch auf jenen Schweizer Konten: Ali Salim al-Baidh, der frühere Vizepräsident des Jemen, eines der ärmsten Länder der Welt, hatte dort zwischen 2007 und 2013 zeitweise mehr als sieben Millionen Franken.
Der ehemalige syrische Vizepräsident Abdel Halim Khaddam hatte 2003 ein Vermögen von fast 90 Millionen Franken auf seinem Konto – diese Summe lässt sich nicht mit seinem offiziellen Gehalt erklären.
Dazu muss man wissen, dass Staats- und Regierungschefs, Autokraten und Diktatoren, Minister und Geheimdienstchefs als besonders riskante Bankkunden gelten. Geldwäschegesetze schreiben vor, dass Banken solche Menschen besonders genau unter die Lupe nehmen und fragen müssen: Woher kommt das Geld? Gibt es dafür eine legitime Erklärung? Wie kann die Herkunft nachgewiesen werden? Erfolgt keine Antwort oder ist sie unplausibel, muss dies der Behörde gemeldet werden. So zumindest die Theorie.
Die Credit Suisse sagt, sie könne „keine Stellung zu Vorwürfen nehmen, die über Einzelpersonen erhoben werden, ob Kunden oder nicht“, weil sie „ihren Kunden gegenüber eine strenge Pflicht zur Vertraulichkeit und Sorgfaltspflicht habe“. Viele Konten wurden jedoch inzwischen geschlossen.
Zudem habe die Bank in den letzten Jahren „eine Reihe bedeutender Massnahmen im Rahmen der Finanzreform in der Schweiz umgesetzt, darunter umfangreiche Investitionen speziell im Bereich Compliance und Bekämpfung der Finanzkriminalität.“
In der Praxis gab es laut Polizei in der Schweiz 2010 keine einzige Meldung über Kunden aus Ägypten, keine über Kunden aus Libyen, keine über Syrien und keine über Tunesien. Erst als plötzlich Hunderttausende Menschen von Tunis bis Kairo auf die Strassen gingen und gegen Kleptokratie und für Demokratie demonstrierten, wachten die Schweizer Bankiers offenbar auf.
Die Zahl der Meldungen über verdächtige Geldtransaktionen von Kontoinhabern aus dem Nahen Osten schoss in die Höhe – als hätte die Korruption im Nahen Osten erst mit dem Arabischen Frühling begonnen.
So wurden im Fall der Familie und Freunde des ägyptischen Autokraten Mubarak zunächst rund 700 Millionen Franken gesperrt, rund 300 Millionen bald wieder freigegeben, rund 400 Millionen sind bis heute vor Gericht umstritten. Oft fehlen den Herkunftsländern einfach die Ressourcen, um die Geldflüsse nachzuvollziehen und vor Gericht zu beweisen. Das Grundproblem sei ohnehin, „dass die Gelder überhaupt angenommen wurden“, sagt ein Experte.
So auch beim Jordanier Samir Rifai. Gemäss Angaben von Suisse Secrets konnte er im Mai und August 2011 Konten bei der Credit Suisse oder einer später von ihr übernommenen Bank eröffnen und mehrere Millionen Franken einzahlen.
Rifai, der Fehlverhalten bestreitet, war bis kurz vor der Kontoeröffnung Premierminister des Königreichs Jordanien. König Abdullah II., der selbst mehrere Konten bei der Credit Suisse hatte, hatte ihn im Februar 2011 seines Amtes enthoben. Zuvor hatten wütende Demonstranten Rifais Rücktritt gefordert – wegen angeblicher Korruption.
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