Die Position der deutschen Regierung zum Gaza-Krieg trifft in der arabischen Welt auf Unverständnis – „Kein Land hat durch seine Haltung zum Gaza-Krieg mehr Schaden genommen als Deutschland“, sagt ein früherer ägyptischer Diplomat, der lieber anonym bleiben möchte. Er hat ein Deutschland kennengelernt, das „vor allem im globalen Süden als Symbol für Integrität, Tapferkeit und Prinzipien galt“ und das nun aus seiner Sicht Israel die „Deckung für solche Verbrechen“ im Gazastreifen bietet.
Ägypten gehört wie andere Länder in den arabischen Ländern zu den großen Kritikern des Krieges in Gaza. Es ist aber eine Kritik, bei der die Regierung bestimmt, was wann gesagt werden darf – und von wem. In Saudi-Arabien darf man nicht einmal eine palästinensische Flagge aus dem Fenster hängen, in Ägypten konnte man immerhin mit offizieller Erlaubnis demonstrieren. Es gibt im Nahen Osten kaum Umfragen, aus denen man herauslesen kann, was die Menschen denken über den Krieg in Gaza. Und keine darüber, wie die Rolle Deutschlands wahrgenommen wird, das ja für viele im Nahen Osten ein Sehnsuchtsort war oder ein Vorbild.
In den Zeiten, bevor die sozialen Medien der Gradmesser wurden für Stimmungen und Meinungen, da waren Taxifahrer einmal so etwas wie der Seismograf ganzer Länder und Gesellschaften. Die empirische Breite war überschaubar, oft stand ein Chauffeur für Millionen und halbe Kontinente. Ganz falsch lagen sie oft aber nicht, weil sie ja die Meinungen und Wortmeldungen von Tausenden Fahrgästen destilliert weitertrugen. Nimmt man also Taxifahrer Kairos als auch des engeren Nahen Osten als solche Gradmesser heran, dann wurde man vor einigen Jahren gerne einmal mit „Heil Hitler“ begrüßt, was man dann zurückzuweisen versuchte.
Seit einigen Jahren schon ist „Angela Merkel“ der klare Favorit gewesen, die so viele muslimische Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland hereinließ. Zumindest war es vor dem 7. Oktober so, als die Hamas Israel mit Terror überzog, und dem darauffolgenden Krieg. Jetzt sind die Taxifahrer eher schweigsam, manche sagen „Scholz“ und schütteln den Kopf. Am Rückspiegel hängt mitunter eine palästinensische Flagge. Man spürt eine Distanz.
Von ihr berichten auch die Diplomaten der deutschen Botschaften in der Region, die sich fragen, ob man in der Zentrale genau wisse, wie nachhaltig der Schaden ist, den man in der Region anrichte mit der uneingeschränkten Unterstützung des israelischen Krieges in Gaza. In Katar trifft man auf Vertreter der Regierung von Katar, die vermittelt zwischen Israel und der Hamas. Sie können sich noch gut daran erinnern, wie das war während der WM 2022, als die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bei ihrem Besuch „Sicherheitsgarantien“ für homosexuelle Stadionbesucher forderte. „Wo sind eure Menschenrechte heute?“, fragen sie am Golf und im Nahen Osten. Worüber nicht gesprochen wird, ist, dass viele arabische Länder auch aufgehört hatten, sich mit der Palästinenser-Frage zu beschäftigen und sich lieber Israel annäherten. Es waren aber Projekte der Regierungen, die nicht unbedingt dem Willen der Bevölkerung entsprachen.
Abseits des Offiziellen spüren deutsche Stiftungen das Fremdeln mit Deutschland; sie verlieren lokale Mitarbeiter. An den deutschen Schulen wird es bemerkt, die einst das Ideal einer soliden Ausbildung galten. Und man spürt es an den Goethe-Instituten. Künstler gehen auf Distanz, denen man doch eine Bühne bieten wollte. „Wir verlieren die Zivilgesellschaft“, sagt ein deutscher Diplomat. Also jenen Teil der Gesellschaft in vielen arabischen Ländern, der unter schwierigen Bedingungen versucht hat, für Menschenrechte zu kämpfen, der an deutsche und europäische Werte glaubte. Und jetzt enttäuscht ist, weil Deutschland Israels Krieg mit Geld und Waffen unterstützt.
Ein bekannter ägyptischer Menschenrechtsaktivist wollte im Dezember nicht mehr für den Deutsch-Französischen Menschenrechtspreis nominiert werden. Und sagte damals: „In unserer Arbeit als Menschenrechtsorganisation kritisieren wir stets die Untätigkeit insbesondere westlicher Regierungen, wenn es um autokratische Regime geht. Diesmal geht es um ihr Handeln, ihre Unterstützung für Israel und den Krieg gegen Gaza. Das ist direkte Mittäterschaft.“
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