Experten in Frankreich warnen davor, dass radikale Islamisten langsam aber sicher ganze Stadtviertel im Land unter ihre Kontrolle bringen. Hauptsächlich besteht ihre Strategie darin, ihre extrem radikalen religiösen Ansichten den muslimischen Gemeinden aufzudrängen. Der Staat, obwohl der Laizität verpflichtet, reagiere hilflos.
Bernard Rougier, Extremismus-Experte, beschreibt in seinem neuesten Publikation:
„Sie sollten am Leben in den Vierteln teilnehmen, ganz nah an den Akteuren dran sein. Sie haben sich die Predigten und Koranunterweisungen, auch die auf Arabisch, angehört. Sie waren dort, wo die Leute miteinander reden, in den Cafés, in den islamischen Bibliotheken, auf den Fußballfeldern. Sie waren in den Social-Media-Gruppen der Moscheen unterwegs, wo viel über deren Sicht auf die französische Gesellschaft zu erfahren ist.“
Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeichnen das Bild einer Gegengesellschaft: „Wir haben es mit einem Paralleluniversum zu tun. Es geht im Grunde um den Konflikt zwischen zwei gegensätzlichen Weltbildern: dem der Emanzipation, der Aufklärung und dem salafistischen Verständnis von einem Gott, der die ungeteilte Aufmerksamkeit und das ganze Engagement des Gläubigen einfordert.“
Die ersten Diagnosen der wachsenden Gefahr begannen bereits in den 90er Jahren, mittlerweile wird von einem Kulturkampf gesprochen, der sich in Frankreich abspielt:
„Es ist ein Kulturkampf zwischen denen, die unsere muslimischen Mitbürger mit ihrer salafistischen Vision in Geiselhaft nehmen, eine Vision, die direkt zum Dschihad gegen die Ungläubigen führt – und auf der anderen Seite jenen, die daran glauben, dass es in der französischen Gesellschaft für alle Menschen, unabhängig von ihrem Glauben, den gleichen Platz gibt, nach dem Prinzip der Laizität.“
Die salafistischen Prediger würden eine Art von Festung schaffen, Enklaven innerhalb der Gesellschaft.
„Communautarisme“ hat sich in Frankreich als Begriff für dieses Phänomen eingebürgert – eine religiöse Gemeinschaft, die nur ihre Gruppeninteressen im Auge hat und die sich vom Rest der Gesellschaft abgrenzt.
Geheimdienste arbeiten intensiv
Der französische Geheimdienst hat bereits 150 Territorien ausgemacht, die unter der Kontrolle von Slawisten stehen.
Die sehr aktive Minderheit der Militanten – oft sind es von außen kommende Prediger – schafft es, das religiöse Leben in den Gemeinden zu dominieren. Dazu haben Studien und Interviews folgende Herangehensweise der Extremisten ermittelt:
„Typisch für den Salafismus ist es, die Anfangszeiten des Islam zu idealisieren: als den triumphalen Kampf gegen die Ungläubigen. Die Salafisten reden den Gemeindemitgliedern ein, dass sie diesen Kampf heute fortsetzen. Damit geben sie ihnen das Gefühl, zu einer Elite zu gehören. Was sehr gut ankommt bei den sozial benachteiligten Schichten in den Vorstädten der großen Metropolen, wo die Arbeitslosigkeit 35-40 Prozent erreicht, wo die Familienstrukturen kaputt sind und wo der Drogenhandel grassiert.“
Es beginne immer damit, dass die Prediger Dinge für unrein und verboten erklären: bestimmte Sachen zu essen, Frauen die Hand zu geben, Juden oder Christen als Freunde zu haben, seinen Körper zu zeigen.
Kriminelle und Islamisten stützen sich übrigens gegenseitig, so Gilles Kepel:
„Wenn Kriminelle sich den Salafisten anschließen, bekommen sie eine Art Freibrief. Es sei ja gottgefällig Drogen an die Ungläubigen verkaufen, weil die damit zugrunde gerichtet werden. Also wird ihnen verziehen.“
Außenstehende würden in solchen Viertel gar nicht mehr geduldet, wer nicht dazu gehöre, werde schnell von kräftigen jungen Männern unter Androhung von Gewalt zum Gehen aufgefordert. Kinder sollen nicht mehr in die öffentlichen Schulen gehen, weil die ja laizistisch seien und damit islamfeindlich. Stattdessen würden sie in islamischen Einrichtungen, in illegalen Koranschulen oder per Internet unterrichtet.
Auf diese Weise bringen die Islamisten Stück für Stück das gesellschaftliche Leben in den Moslemgemeinden unter ihre Kontrolle.
Komplizenschaft zwischen Islamisten und lokalen Politikern?
Der Staat sehe dem weitgehend hilflos zu. Es gebe sogar oft eine Art Komplizenschaft zwischen Islamisten und lokalen Politikern, beobachtet der Wissenschaftler:
„Die Abgeordneten fürchten als islamfeindlich dazustehen. Und deshalb umwerben sie in einer Reihe von Fällen die islamischen Organisationen. Weil die eine ganze Menge Stimmen kontrollieren. Und damit den Kandidaten bei einer Wahl sagen können, ich bringe Dir 200 Stimmen, wenn Du mir dafür das und das gibst.“
Das könnten zum Beispiel strategische Posten in der Stadtverwaltung sein, die Zuständigkeit für Wohnungen, für die Beschäftigung, für Sport- und Kulturvereine, für die Jugend.
So wird die Lokalpolitik in gewisser Weise durch die religiösen Netzwerke zersetzt. Die Republik sei auf dem Rückzug.
„Islamisten und Rechtsextremen brauchen sich“
Zumal die Islamisten sehr wirkungsvoll die Keule der Islamophobie einsetzten. Sie stellen – gestützt auf die tatsächlich existierende soziale Benachteiligung und immer wieder vorkommende Übergriffe – die Moslems pauschal als Opfer dar und fordern Solidarität ein. Gilles Kepel sieht das als Falle:
„Die Islamophobie ist ein Begriff, der von den militanten Islamisten erfunden wurde, um jede Kritik an ihrer Auslegung des Islams zu unterbinden und die Mehrheit der Moslems hinter sich zu vereinen.“
Gilles Kepel beklagt, dass eine linksislamische Bewegung an den Universitäten immer stärker werde. Wissenschaftler wie er, die sich kritisch mit dem Islamismus auseinandersetzen, würden beschimpft und ihre Vorlesungen gestört.
Islamisten und die extreme Rechte schaukelten sich dabei nach Ansicht von Bernard Rougier gegenseitig hoch:
„Ja, weil im Grunde brauchen die Islamisten die Rechtsextremen, um behaupten zu können, dass die französischen Gesellschaft rassistisch ist. Und die extreme Rechte braucht die Islamisten, um die Gefahren durch den Islam aufzubauschen.“
Und sich als Verteidiger der christlichen Zivilisation präsentieren zu können.
Alle Veröffentlichungen und Texte werden im Mena Forschungs und Studienzentrum gespeichert