Bei den Massendemonstrationen in Israel gegen den Kurs der rechts-religiösen Regierungskoalition treten immer häufiger auch Frauen auf, die als „Mägde“ gekleidet sind, eine Anspielung auf die Frauen im dystopischen Roman von Margaret Atwood: In einem christlich-fundamentalistisch regierten Vereinigten Staaten dienen die Mägde den Männern als Gebärmaschinen.
Es ist Regierungschef Netanjahu, der säkular gesinnte Israelis mit seiner rechts-religiösen Regierungskoalition seit Monaten aufschreckt. Um das Bündnis zu ermöglichen, machte er den ultraorthodoxen Partnern weitgehende Zugeständnisse. So ist in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt, dass sich Netanjahu für eine Änderung der Antidiskriminierungsgesetze einsetzen wird, um den Weg für eine religiös motivierte Geschlechtertrennung zu ebnen.
Es häufen sich Berichte über Versuche religiös-fundamentalistischer Kräfte im Land, Frauen in Israel im öffentlichen Raum einzuschränken. Diese sind Ausdruck eines tiefen kulturellen Grabens zwischen der säkularen Mehrheit im Land und einer ultra-orthodoxen Minderheit. Diese stellt zwar nur 13 Prozent der Bevölkerung, wird aber durch einflussreiche politische Parteien vertreten. Wegen ihres Kinderreichtums ist es auch die am schnellsten wachsende Gruppe in Israel, binnen vier Jahrzehnten könnte sie nach Schätzungen ein Drittel ausmachen.
Erst kürzlich erregte sich das halbe Land über einen Vorfall in einem Bus. Eine Gruppe junger Mädchen in Jeans und Tank Tops wurden von einem Busfahrer belehrt. Auf Videoaufnahmen ist zu hören, wie der Mann sagte: „Ihr lebt in einem jüdischen Staat, ihr habt die Leute zu respektieren, die hier leben. Dass sie euch in eurem Kibbutz beigebracht haben, dass es in Ordnung ist, nackt rumzulaufen, tut mir leid. Das ist eine falsche Erziehung, die ihr genossen habt.“ Er verlangte, dass sich die Mädchen mit ihren Badetüchern bedecken und im hinteren Teil des Buses Platz nehmen. Ihre männlichen Freunde mussten im vorderen Teil bleiben. Später erklärte er, die jungen Frauen sollten froh sein, dass sie überhaupt mitfahren durften. Die Frau des Busfahrers setzte noch einen drauf und erklärte später, wenn sie dabei gewesen wäre, hätte sie die Mädchen kurzerhand erschossen.
Bestimmte ultraorthodoxe Gruppen forcieren seit Jahren die Geschlechtertrennung. Auf Etiketten von Haarfärbemitteln im Supermarkt überkleben sie etwa die Bilder von Frauen, vor Bankschaltern gibt es verschiedene Schlangen für Männer und Frauen. Teile der neuen Regierung unterstützen das Vorhaben. Die neue Umweltministerin Idit Silman hat ein Pilotprogramm gestartet: an zwei staatlich kontrollierten Badestellen soll nun geschlechtergetrennt gebadet werden.
In den Augen vieler Frauen steht der seit der Staatsgründung geltende Status quo und damit der Gesellschaftsvertrag auf dem Spiel. In einigen Bereichen habe sich die Geschlechtertrennung schon durchgesetzt. Beispielsweise in öffentlichen Hochschulen, die ultraorthodoxe Studenten aufnehmen. Dort werden Kurse bereits nach Geschlechtern getrennt.
Liberale Israelis wollen die Diskriminierungen der religiösen Fundamentalisten nicht länger hinnehmen. Zu Tausenden demonstrierten sie in der von strenggläubigen Bewohnern dominierten Stadt Bnei Brak für den Erhalt der Frauenrechte. Die Veranstalterinnen werfen der Regierung vor, mit der umstrittenen Justizreform „den liberalen Charakter Israels verändern und es in ein religiöseres, diskriminierendes, ungleiches Land verwandeln“ zu wollen. Dies zeige sich unter anderem in Initiativen für Geschlechtertrennung und der Verdrängung von Frauen aus dem öffentlichen Raum.
Dabei galt Israel einmal als Vorreiter bei der Gleichstellung. Schon als die Frauen nicht einmal in allen europäischen Ländern ein uneingeschränktes Wahlrecht besaßen, garantierte ihnen die israelische Unabhängigkeitserklärung von 1948 die Gleichberechtigung. Wichtige Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs bekräftigten dies in den Jahren danach, etwa mit der Verpflichtung der israelischen Streitkräfte, den Pilotenkurs auch Frauen zu ermöglichen. Frauen kämpfen in Israels Armee seit 1948, die Bundeswehr ließ sie erst 2001 in Kampfeinheiten zu. Mittlerweile fliegen Israelinnen auch die F-35, das weltweit modernste Kampfflugzeug. Ebenso wurde ein neuer Gesetzentwurf in das israelische Parlament eingebracht, der die Befugnisse von Rabbinatsgerichten ausweiten soll. Schon jetzt können die Ehen jüdischer Paare nur von Rabbinern aufgehoben werden. Künftig sollen die Geistlichen aber auch in zivilrechtlichen Fragen, etwa bei Arbeits- oder Vertragsstreitigkeiten, entscheiden dürfen. Da ihre Gerichte den jüdischen Ver- und Geboten der Halacha folgen, sind Frauen dort nicht als Richterinnen zugelassen.
Premierminister Netanjahu sah sich offenbar durch die Empörung im Land zu einem Statement genötigt, in dem er die aktuell herrschende Gesetzeslage als richtig betonte. Er plane nicht, sie zu ändern. „Der Staat Israel ist ein freies Land, in dem niemand einschränken wird, wer öffentliche Verkehrsmittel benutzen darf, oder vorschreiben wird, wer wo sitzt.“ Wer sich darüber hinwegsetze, werde zur Verantwortung gezogen. Dabei tat der Ministerpräsident so, als gebe es diesbezüglich keine Bestrebungen in seiner Regierung.
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