Es waren Worte des uneingeschränkten Beistands, die Chinas Außenminister Wang Yi im vorgegangenen Monat an Irans Präsident Massud Peseschkian richtete. Egal, wie sich die internationale und regionale Lage verändere, erklärte Wang am Rande der UN-Vollversammlung in New York, die Volksrepublik sei immer ein vertrauenswürdiger Partner Irans. Sein Versprechen: „China wird Iran unterstützen.“
Die Beziehungen zwischen Iran und China erscheinen eng. Diplomaten beider Länder treffen sich regelmäßig, ihre Armeen haben wiederholt gemeinsame Übungen abgehalten. Auf Drängen Pekings wurde Iran dieses Jahr in die Brics-Gruppe aufgenommen, einen Zusammenschluss von ursprünglich schnell wachsenden Volkswirtschaften. Seit 2023 ist es auch Mitglied der russisch-asiatischen Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, einer weitgehend zahnlosen Gruppe, die dennoch geopolitisch wichtige Länder wie China, Russland, Indien und Pakistan an einen Tisch bringt. In den Verhandlungen über eine Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran trat Peking 2023 als Vermittler auf. Unterzeichnet wurde das Abkommen in der chinesischen Hauptstadt.
Pekings Interesse ist groß, seinen Einfluss in der Golfregion auszuweiten, in der Washington entscheidend mitredet. 2021 unterschrieben Iran und China ein Abkommen, in dem beide eine enge Zusammenarbeit für 25 Jahre vereinbarten. Peking kündigte Investitionen von bis zu 400 Milliarden Dollar an. China erkaufte sich mit dem Deal das Schweigen Irans über die Verfolgung der muslimischen Minderheiten in der chinesischen Region Xinjiang.
Bezahlt macht es sich auch, seit die jemenitischen Houthi-Rebellen Handelsschiffe im Roten Meer attackieren. Während die USA forderten, China solle seinen Einfluss auf Iran geltend machen, um die von Teheran unterstützten militant-islamistischen Rebellen zu stoppen, nutzte es seine Macht, um lediglich chinesischen Handelsschiffen eine freie Fahrt durch die Meerenge zu garantieren. Laut Reuters drohte Peking mit Folgen für das Geschäft in Iran, sollten seine Interessen durch die Houthi verletzt werden. Ein gekapertes Schiff hätte Peking gezwungen, eine aktivere Rolle in dem Konflikt zu spielen. So gelingt es dem Land, seine eigenen Schiffe zu schützen, während westliche Reedereien ihre Routen umlegen und erhebliche Verzögerungen in Kauf nehmen müssen.
Doch während Peking profitiert, haben sich auf iranischer Seite viele Erwartungen nicht erfüllt. Wie die Denkfabrik Chatham House schreibt, sind viele der angekündigten Investitionen ausgeblieben und im regionalen Vergleich erstaunlich gering: So beliefen sich Chinas Investitionen in Iran in den vergangenen drei Jahren auf 185 Millionen Dollar. Mit Saudi-Arabien hingegen vereinbarte China neue Projekte in Höhe von 16,7 Milliarden Dollar, mit Kuwait über 3,6 Milliarden Dollar und mit Katar über 2 Milliarden Dollar. 2022 investierte Peking 15 Mal mehr in Israel als in Iran. Eine Demütigung für Teheran, die Folgen für Irans Bereitschaft haben dürfte, auf chinesische Forderungen einzugehen.
Schwerpunkt der Beziehungen zwischen China und Iran bleibt der Energiesektor. Auch hier sind die Machtverhältnisse klar: Mehr als 90 Prozent der iranischen Rohöl-Exporte gehen nach China. Käufer sind vor allem kleinere Händler, Chinas Industrieriesen bemühen sich, die US-Sanktionen nicht zu verletzen. Das meiste Öl erreicht China über Umwege, etwa über Malaysia, und zu vergünstigten Preisen. Doch während Iran auf China als Abnehmer angewiesen ist, steht es in China nur auf Platz sechs der größten Öllieferanten. Seine Lieferungen helfen Peking bei der Diversifikation, sind aber nicht entscheidend.
Die Protestwelle in Iran, die im September 2022 begann, hatte bisher keinen Einfluss auf Chinas Iran-Politik. Stattdessen erklärte Außenminister Wang im September, China werde das Regime dabei unterstützen, sich gegen „externe Kräfte“ zu wehren, die sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einmischten und Druck ausübten. Gemeint sein dürften die USA, die laut Peking bewusst zündeln. Im April kommentierte die Staatszeitung Global Times, der Schlüssel zu einer Entspannung in der Region liege in den Händen der USA, die Israel im Zaum halten müssten. Es ist eine Haltung, die viele Staaten im Nahen Osten teilen.
Offiziell gibt China sich neutral, doch bereits kurz nach den Terrorangriffen der Hamas im Oktober 2023 forderte China „alle Parteien“ zur Zurückhaltung auf, ohne die Gewalt der Hamas zu verurteilen. Dazu gehört, dass die Zensoren in den sozialen Netzwerken in China einen zunehmend enthemmten Antisemitismus tolerieren. Behauptungen wie, dass Juden die US-Regierung unterwandert hätten, werden tausendfach geteilt. Während sonst ein falsches Wort gegen die Staatsführung in Peking reicht, um Sicherheitsbehörden zu alarmieren, bleiben solche Beiträge stehen und werden teils noch von Staatskanälen befeuert.
Peking nimmt mit dieser Politik auch eine Beschädigung der Beziehungen zu Israel in Kauf. Das Land ist eigentlich ein wichtiger technologischer Lieferant, gerade bei den Mikrochips. Doch Chinas Führung scheint die Krise als eine Chance in seiner Rivalität mit den USA zu sehen. Denn Washingtons Einfluss in der arabischen Welt hat in den vergangenen Monaten massiven Schaden genommen.
Grenzenlos ist die Beziehung zwischen China und Iran dennoch nicht. Teheran ist nur ein Partner von vielen in der Region. Das Land besitzt keine Druckmittel, um die kommunistische Führung zu mehr Unterstützung zu drängen. Peking betreibt Interessenpolitik und agiert nur, wenn es diese wie im Roten Meer unmittelbar in Gefahr sieht. Schlichtungsversuche, die letztlich auch Washington helfen würden, sind nicht zu erwarten. Vorerst dürfte es bei warmen Worten bleiben.