Die selbsternannte Start-Up Globalmacht China hat erst dieses Frühjahr die Erzfeinde Iran und Saudi-Arabien an einen Tisch gebracht. Nun hat die Volksrepublik ein weiteres Fass aufgemacht, um sich besonders in der MENA-Region weiteren Einfluss zu sichern, auf Kosten der USA und Europa: Es möchte dies seit langem für tot erklärte Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israel und Palästinensern erneut auf den Tisch bringen.
So lange der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern schwelt, so lang ist auch die Liste der Staaten und Organisationen, die Israelis und Palästinenser versöhnen wollen. Nun hat Chinas Außenminister Qin Gangun nach diplomatischen Gesprächen mit Jerusalem und Ramallah erklärt, dass Peking die Wiederbelebung des (seit zehn Jahren stagnierenden) Friedensprozesses wieder in Gang bringen möchte und bot laut Aussagen des Außenministeriums in Peking Hilfe bei der Findung einer Zwei-Staaten-Lösung an. „Es ist nie zu spät, das Richtige zu tun“, so der O-Ton. Was nach Glückskeks-Weisheit klingt, ist Teil einer großen diplomatischen Offensive Pekings.
Nun reiste zunächst der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zu einem mehrtägigen Besuch nach China. Die palästinensische Nachrichtenagentur teilte mit, Abbas sei während seines Besuches mit Chinas Staatschef Xi Jinping sowie mit Ministerpräsident Li Qiang zusammengetroffen. Abbas und Xi haben sich über „die jüngsten Entwicklungen des palästinensischen Geschehens sowie über regionale und internationale Themen von beiderseitigem Interesse“ ausgetauscht.
Mit seiner neuen „Global Security Initiative“ bringt sich China auch auf dem Feld der Sicherheitspolitik gegen die USA in Stellung. Bereits imm Februar veröffentlichte Peking eine Reihe von Dokumenten und Positionspapieren zu einer Lösung für den Ukraine-Krieg. Im April bot Peking die Bühne für die feierliche Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien, welche weltweit für Aufsehen sorgte. Kurz darauf dann das Angebot, im komplexesten aller Konflikte zu vermitteln.
„Nach dem Erfolg mit Saudi-Arabien und Iran haben sich die Chinesen in das Image des Mediators verliebt“, sagt die Mitarbeiterin des Glazer’s Israel-China Policy Center am Institut für Nationale Sicherheits-Studien in Tel Aviv. Dass China tatsächlich gewillt ist, konkrete Schritte zur Wiederaufnahme der Friedensgespräche zu gehen, bezweifelt sie allerdings. Dazu seien Pekings Pläne zu vage: „Das ist nichts, was man auf den Tisch legen könnte, um eine Diskussion zu beginnen. China will sich nur in Stellung bringen für den Fall, dass noch einmal Bewegung in den Prozess kommt, um dann einen Platz am Verhandlungstisch einzufordern.“ Wie beim Abkommen zwischen Saudi-Arabien und Iran: Die eigentliche diplomatische Arbeit hätten Oman und Irak geleistet. „China hat nur den Tisch zum Unterzeichnen bereitgestellt“, sagt die Expertin.
Dass China die USA als Makler im Nahen Osten ersetzen kann, glaubt man nicht. So sei Peking etwa nicht bereit, für die Einhaltung des Abkommens zwischen Riad und Teheran zu sorgen. Zudem kann China im Nahen Osten (noch) keinen militärischen Schutz bieten, wie ihn die USA ihn ihren Partnern garantieren.
Israel ging nach der Charme-Offensive Pekings gar nicht weiter auf die Vorschläge Chinas ein. Der israelische Premierminister meinte zurückhaltend, dass die Regierung in Jerusalem China „respektiert, wir haben viel mit China zu tun. Aber wir wissen auch, dass wir ein unverzichtbares Bündnis mit unserem großen Freund, den Vereinigten Staaten, haben.“ Als Vermittler im Konflikt mit den Palästinensern kommt Peking für Jerusalem nicht infrage. Die ultra-rechte Regierung ist grundsätzlich gegen einen eigenen palästinensischen Staat. Und China wird in Israel nicht als neutral wahrgenommen. In jeder UN-Abstimmung, in der es um den Nahost-Konflikt geht, stimmt China gegen Israel.
Die jüngsten Anbahnungen im Wirtschaftssektor zwischen Israel und Peking hatten für Irritation in Washington gesorgt. Peking unterstützte massiv den Ausbau von Häfen und Schienennetzen und investierte in Israels Hightech-Sektor. Besonders dieser Bereich hat in Israel eine Nähe zur Sicherheitsindustrie und die USA befürchten, dass die wirtschaftliche Kooperation ein Einfallstor für chinesische Spionage in Israel sein könnte und darüber auch Informationen über amerikanische Militärtechnologie an den Erzrivalen gelangen könnten. Die USA sind Israels wichtigster Waffenlieferant und Sponsor, seit drei Jahren prüft daher ein spezielles Komitee in Israel die Vergabe öffentlicher Aufträge auf Sicherheitsrisiken. Der Anteil chinesischer Firmen ist seitdem zurückgegangen.
Die palästinensische Reaktion fiel naturgemäß deutlich positiver. Der palästinensische Außenminister begrüßte Pekings Initiative und bedankte sich für die Unterstützung Chinas in den internationalen Organisationen. Er regte eine Reihe von gemeinsamen Projekten an, um die „strategische Partnerschaft“ zu stärken.
China unterstützt zwar die Palästinenser in der in Abstimmungen internationaler Organisationen, um sich die Gunst der arabischen Staaten zu erhalten, von denen es Öl importiert und in die es viel investiert hat, etwa in Infrastruktur und High Tech. In die Palästinensergebiete hingegen fließt nahezu kein Geld aus China. Mehr als rhetorisch unterstützt Peking die Palästinenser nicht. Die USA gelten in den Palästinensergebieten nicht als fairer Vermittler, weil sie israelische Interessen stärker berücksichtigen. Doch auch China erfreut sich keiner großen Beliebtheit: Laut dem „Arab Barometer“ der Princeton Universityist die Einstellung der Palästinenser gegenüber China im Vergleich zu anderen Ländern im Nahen Osten am wenigsten positiv. Auch wenn Chinas Einfluss im Nahen Osten wächst – den USA kann es in der Region noch nicht die Stirn bieten.
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