Die Regierung des zentraldeutschen Staates in Hessen beendet ihre Zusammenarbeit mit dem türkischen Moscheeverband Ditib im Bezug auf den islamischen Religionsunterricht in Schulen. Die Zweifel an der grundsätzlichen Unabhängigkeit von Ditib von der türkischen Regierung konnten nicht geklärt werden. Der Moscheeverband reagierte mit Unverständnis.
Die Zusammenarbeit wird mit Ende des laufenden Schuljahres enden, wie Kulturminister Alexander Lorz am Dienstag in der Hauptstadt Wiesbaden bekannt gab. Die Zusammenarbeit des Landes mit der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft bleibt unberührt.
Die Zweifel an der grundsätzlichen Unabhängigkeit von Ditib von der türkischen Regierung konnten nicht geklärt werden, sagte Lorz. Der entscheidende Faktor beruhte auch auf aktualisierten Überprüfungen durch Experten, die Strukturen in der türkischen Moscheevereinigung identifizierten, die „im Widerspruch zu unserer Vorstellung von Unabhängigkeit“ stehen. Es ist nicht zu erwarten, dass „die Defizite in absehbarer Zeit behoben werden können“.
Ditib: „Falsches Zeichen“
Ditib kritisierte die Entscheidung. Es sei enttäuschend und ein falsches Zeichen, sagte Ditib Hessen am Dienstag in Frankfurt am Main. Die Behauptungen des Kulturministeriums sind nicht haltbar.
Mit dem Ende des konfessionsorientierten Religionsunterrichts wird den Kindern und Jugendlichen ein schulbezogener Bezug zum Lebensumfeld fehlen, der die Realität ihres Lebens und Glaubens aufgreift und auch emotionale Komponenten berücksichtigt. Der Landesverband wird nun unverzüglich den Dialog mit den teilnehmenden Kooperationspartnern anstreben und keine Mühe scheuen, den Religionsunterricht zu erhalten.
Mehr Bereitschaft, mit Ditib zu sprechen
Kulturminister Lorz zitierte am Dienstag aus einem Bericht, dass Ditib Hessen trotz aller Bemühungen die notwendigen Kriterien für den Unterricht nicht erfüllt habe: „Ditib Hessen bildet das letzte Glied in einer Anweisungskette, die über seinen Bundesverband zur türkischen Religionsbehörde Diyanet läuft, welches wiederum unter der Kontrolle des türkischen Präsidenten Erdogan steht“, sagte Lorz.
Dies bedeutet, dass der Regionalverband nicht über die institutionelle Unabhängigkeit verfügt, die er zur Erfüllung seiner Aufgabe als unabhängige Religionsgemeinschaft benötigt.
Hessen forderte Rechtssicherheit
Grund für die Prüfung der Zusammenarbeit waren die Zweifel des Landes an der Unabhängigkeit Ditibs vom türkischen Staat, insbesondere nach dem Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016. Der Moscheeverband musste eine Vielzahl von Fragen zu seiner eigenen Struktur beantworten und Unterlagen einreichen.
Der hessische Bildungsminister hatte kürzlich die langwierige Prüfung damit begründet, dass das Land eine rechtlich sichere Entscheidung wünsche. Der Moscheeverband hat bereits angekündigt, rechtliche Schritte gegen den islamischen Religionsunterricht einzuleiten, wenn die Zusammenarbeit mit dem Land enden würde.
Hessens Parteien zwischen Zustimmung und Zweifel
Die mitregierenden Grünen im Landtag begrüßten die Entscheidung, die Zusammenarbeit mit Ditib auszusetzen, bis sich die Religionsgemeinschaft zweifelsfrei als unabhängig von der türkischen Religionsbehörde und der türkischen Regierung erweisen könne. „Wir glauben fest daran, dass die islamische Erziehung unter staatlicher Aufsicht einen wichtigen Beitrag zur Integration leistet“, sagte Katrin Schleenbecker.
Die sozialdemokratische Fraktion der Opposition reagierte „skeptisch“. Die Partei betonte, dies könne nur eine vorübergehende Lösung sein. „Langfristig brauchen wir eine Konstruktion, die von allen beteiligten Gruppen unterstützt wird. Eine Lösung, die völlig über Ditib hinausgeht, wird aufgrund der Größe des Vereins und seiner Mitglieder nicht funktionieren.“
Die Liberale Partei nannte die Entscheidung „angesichts der aktuellen Situation in der Türkei richtig“. Die Türkei ist heute ein autokratischer Staat. „Wir können immer noch nicht vollständig ausschließen, dass die Erdogan-Regierung Ditib beeinflussen kann“, sagte ein Vertreter.