In der Debatte, wie Deutschland eine Begrenzung der Migrationszahlen gelingen könnte, hat der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz Dänemark und Schweden als Beispiele genannt. „Warum sind die in der Lage, das Problem zu lösen, und wir nicht?“, fragte Merz. Tatsächlich sind in den beiden nordischen Ländern die Asylzugangszahlen sehr gering. In Dänemark schon lange, dort gab es im vergangenen Jahr 2479 Asylanträge (in Deutschland waren es im selben Jahr 351.915). Grund ist eine äußerst restriktive Migrationspolitik – beispielsweise verlieren derzeit auch viele Syrer in Dänemark ihren Schutz. Das liegt auch daran, dass Dänemark in dem Bereich EU-Gesetze nicht befolgen muss.
Schweden wiederum war 2015 so wie Deutschland eines der Hauptziele für Migranten. Damals wurden 162.800 Asylanträge gestellt. Danach aber ging die Zahl drastisch zurück: Im vergangenen Jahr waren es nur noch 12.644 Anträge, bis Ende Juli dieses Jahres sogar nur 5.600. Laut der schwedischen Migrationsbehörde wird das Land am Ende dieses Jahres höchstwahrscheinlich die geringsten Zugangszahlen seit 1997 haben. Zudem verkündete die Regierung kürzlich stolz, dass im ersten Halbjahr dieses Jahres erstmals mehr Migranten das Land verlassen hätten, als eingewandert seien: Netto nahm die Zahl um 5.700 Personen ab. 2023 sind demnach mehr Menschen aus Irak, Somalia und Syrien aus- als eingewandert. „Schweden ist kein Land mehr, in das Asylbewerber einwandern“, sagte Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard dazu. „Die Bemühungen der Regierung haben zu Ergebnissen geführt.“
Doch auch wenn sich die derzeit regierende konservative Regierung nun den Erfolg auf die Fahnen schreibt, dürfte der Grund für den Rückgang vor allem bedingt sein in der schon lange veränderten Asylpolitik. Schon 2016 vollzogen die damals regierenden Sozialdemokraten eine Kehrtwende, erreichten etwa beim Schutz der Menschen das EU-Minimum. Die aktuell regierende konservative Minderheitsregierung, die von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten toleriert wird, die vor allem beim Thema Migration den Ton angeben, verschärfte den Kurs zuletzt noch deutlich. Familiennachzug wurde erschwert, Sozialleistungen wurden verringert, der Zugang zur Staatsbürgerschaft wurde für Flüchtlinge fast unmöglich gemacht. Schweden sei nicht mehr in erster Linie ein Land der Asyleinwanderung, sondern wieder eines der Arbeitseinwanderung geworden, schrieb Ministerpräsident Ulf Kristersson kürzlich in einer schwedischen Tageszeitung.
Zudem versucht Schweden mittlerweile ähnlich wie Dänemark, abschreckende Signale in die Heimatländer zu senden. Beispielsweise verlieren derzeit viele Afghanen ihren Schutzstatus und damit auch Wohnung und Arbeitserlaubnis. Schweden bringt einige von ihnen auch zurück in die Heimat über Usbekistan. Das wird öffentlichkeitswirksam als Abschiebungen verkauft, auch wenn es sich eigentlich um freiwillige Ausreisen handelt. Spricht man derzeit mit Flüchtlingen im Land, sind viele in großer Sorge. Es gibt sogar Fälle, bei denen die Kinder von längst anerkannten Flüchtlingen, die schon lange die schwedische Staatsbürgerschaft haben, ihre Aufenthaltsberechtigung verlieren, obwohl sie seit vielen Jahren im Land leben.
Trotzdem dürfte man sich in Schweden nun verwundert die Augen darüber reiben, dass das Land anderswo als Beispiel dient. Schließlich geht in den Nachbarstaaten weiterhin die Angst vor „schwedischen Verhältnissen“ um. Derzeit vor allem in Dänemark. Hintergrund sind Morde und Mordversuche im Bandenmilieu, die dort zuletzt von jungen Schweden ausgeführt wurden. Diese sogenannte „Kindersoldaten“ werden von Gangs zu diesem Zweck in Schweden rekrutiert. Das Land wird weiter geplagt von Bandenkriminalität. Auch wenn die Zahl der Schießereien und Explosionen zuletzt etwas zurückging, sind diese in Schweden weiter an der Tagesordnung. Dabei werden die Täter immer jünger, laut Polizei hat sich die Zahl der Personen unter 15 Jahren, die verdächtigt werden, in Mordversuche verwickelt zu sein, im vergangenen Jahr verdreifacht. Rekrutiert werden sie über soziale Netzwerke und an Schulen. „Wir haben eine Situation, in der Kinder selbst Arbeit als Mörder suchen“, sagte kürzlich Carin Götblad, Leiterin der nationalen Einsatzabteilung der Polizei. Immer mehr Kinder, die aus einem gut funktionierenden Alltag kämen und der Polizei unbekannt seien, würden so in Bandenkriminalität verwickelt.
Migrationsfachleute sind sich einig, dass Schweden bei der Integration versagt hat. Anders als Dänemark wurden Migranten offenherzig aufgenommen, dann aber nicht – wie es in Dänemark oft heißt – mit „Zuckerbrot und Peitsche“ integriert, sondern weitestgehend in den großen Sozialbausiedlungen sich selbst überlassen. In Dänemark finden Banden derzeit demnach einfach nicht genügend perspektivlose Jugendliche zum Anheuern für die Gräueltaten, auch weil enorme Summen in die Präventionsarbeit und in die Schulen in den Problemvierteln investiert werden. In Schweden hingegen gibt es genügend rekrutierungswillige Jugendliche. Rund 700 junge Schweden laufen laut Polizei Gefahr, in Dänemark für kriminelle Zwecke rekrutiert zu werden. In den Vorortsiedlungen der großen schwedischen Städte sind die Schulen schlecht, es gibt kaum Jobs und wenig Integrationsangebote. In der Folge werden vor allem Migranten der zweiten und dritten Generation kriminell. Auch hier könnte Schweden der Bundesrepublik als Beispiel dienen. Dann jedoch dafür, wie man es auf keinen Fall machen sollte.
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