Der Begriff „Islamophobie“ ist seit einigen Jahren in aller Munde: Er wird von Muslimen benutzt, die sich in den westlichen Gesellschaften diskriminiert fühlen, ebenso von den sog. Identitäts-Linken, die mit diesem Begriff den neuen Rassismus im 21. Jahrhundert definieren.
Es bedarf sicherlich einer Definition, um den besorgniserregenden Trend zu Hass und Gewalt gegen Muslime in der westlichen Gesellschaft anzugehen. Obwohl die Absicht, Muslime vor Hassverbrechen zu schützen, wichtig und notwendig ist, wird nun die Definition Islamophobie – beispielsweise in Deutschland, Österreich oder auch Großbritannien – immer stärker auch in Gesetzentwürfen benutzt, welche Muslime in den westlichen Gesellschaften vor anti-muslimischen Übergriffen schützen will. Meist werden diese noch abgelehnt unter dem Hinweis, die Definition sei zu weit gefasst. Insbesondere beinhalte eine Definition, die sich auf die Feindseligkeit gegenüber dem Islam (aufgrund der Glaubwürdigkeit der Beschreibung „Islamophobie“) im Gegensatz zur Feindseligkeit gegenüber Menschen konzentriert, die Sorge, dass diejenigen, die auch von innen heraus Aspekte des Islam kritisieren, strafrechtlich verfolgt oder zum Schweigen gebracht werden könnten.
Die Definition von Islamophobie zielt darauf ab, gezielte Äußerungen von Muslim-Sein oder „wahrgenommenem Muslim-Sein“ anzugehen und nicht die Bigotterie gegenüber muslimischen Personen selbst. Die Priorität muss sicherlich darin bestehen, den gegen Muslime gerichteten Hass zu bekämpfen, und nicht darin, Kritik oder Widerstand gegen eine Religion oder ein Glaubenssystem zu verhindern. Solche Kritik ist in jeder liberalen Gesellschaft notwendig, und wir haben bereits gesehen, dass sie durch die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geregelt wird, dass die Kritik am Propheten Mohammed „über die zulässigen Grenzen einer objektiven Debatte hinausgeht“.
Die Personen, die am stärksten von der Kritik am Islam oder der Bekämpfung des Islamismus bedroht sind, sind Muslime selbst. Dazu gehören Muslime, die als nicht gläubig genug abgestempelt werden, Muslime, die islamischen Minderheitengruppen angehören, Muslime, die offen Aspekte der islamischen Praxis kritisieren oder sich für die Bekämpfung des politischen Islam einsetzen, und ehemalige Muslime, die sich öffentlich dafür entschieden haben, den islamischen Glauben aufzugeben. Es gibt viele Beispiele für diese Fälle, von Morddrohungen und Einschüchterungen, denen muslimische Politiker, Journalisten, Aktivisten, Schriftsteller und Künstler in Europa ausgesetzt waren, wenn sie offen ihre Meinung zum Islam äußerten oder den islamischen Glauben verließen. In den meisten dieser Fälle wollten die Betroffenen zwar weiterhin ihre Meinung äußern, mussten jedoch untertauchen oder werden permanent durch die Sicherheitsbehörden geschützt.
Zu aktuellen Attacken kam es erst jüngst in Großbritannien, als Sara Khan, Beauftragte für Extremismusbekämpfung –, Morddrohungen erhalten hat und beschuldigt wurde, eine „Verräterin“ ihrer Religion zu sein, weil sie sich für die konsequente Bekämpfung des politischen Islamismus eingesetzt hat. Das englische Mitglied des Oberhauses, Baroness Warsi, – im Parlament zuständig für die Definition von Islamophobie, wurde während eines Besuchs in Luton von Demonstranten mit Eiern beworfen, gefolgt von Rufen, sie „behauptet nur, eine Muslimin zu sein“.
Das Phänomen des Hasses, der Einschüchterung und der von anderen Muslimen gegen Muslime gerichteten Gewalt stellt eine ernsthafte Herausforderung dar, und die aktuelle Definition von Islamophobie geht nicht auf den Hass ein, dem einige Muslime von anderen Muslimen ausgesetzt sind. Dazu gehören Muslime, die Minderheiten im Glauben angehören und Diskriminierung ausgesetzt sind. Personen mit muslimischem Hintergrund, die feststellen, dass sie nicht mehr an den islamischen Glauben glauben, werden von Extremisten regelmäßig als „Abtrünnige“ gebrandmarkt und von Mitgliedern ihrer Gemeinschaft gemieden. In besonders schwerwiegenden Fällen wurden Muslime, die den Islam verlassen hatten, mit dem Leben bedroht.
Der Begriff „Islamophobie“ hat eine weit gefasste Bedeutung, die leicht dazu verwendet werden kann, die freie und faire Diskussion über die islamische Religion und den politischen Islamismus einzuschränken. Stattdessen sollte eine alternative Definition von antimuslimischem Hass spezifisch und eng gefasst sein. Dass die Wahrnehmung von Menschen aus Ländern oder Regionen wie der Türkei, dem arabischen Raum oder Nordafrika als Repräsentanten des Islam, mehr noch ihre „volle Identifizierung“ mit dem Islam, stellt ein relativ neues Phänomen dar, aus Türken werden „Muslime“.
Noch in den 90er-Jahren behauptete der Diskurs der Rassisten in Europa, die Türken würden „uns“ Probleme bereiten, weil sie eben Türken seien. Seit den Anschlägen von 9/11 und dem Erstarken des politischen Islamismus, behaupten Vertreter des neuen Rassismus, die Türken (die Araber, die Nordafrikaner …) würden „uns“ Probleme bereiten – weil sie Muslime seien. Der Islam gilt diesem Diskurs also nicht mehr bloß als Glaubensbekenntnis, zu dem sich Menschen bekennen mögen oder auch nicht, sondern als eine Art „Natureigenschaft“ von Arabern, Türken oder Iranern.
Wer nicht müde wird, „Islamophobie“ oder Islamfeindschaft als rassistisch zu bezeichnen – oder den neuen Rassismus als „antimuslimisch“ zu etikettieren –, erklärt den Islam, ohne es zu bemerken, zu einer „rassischen“, quasi-genetischen Eigenschaft von Arabern, Türken oder Iranern. Und reproduziert, statt sie zu bekämpfen, die rassistische, rechte Ideologie der „vollen Identität“ zwischen bestimmten Individuen und der imaginären Kategorie Islam (imaginär, weil es sich hier um Glaubensvorstellungen handelt).
Der Schwerpunkt sollte auf der Bekämpfung der gegen Einzelpersonen gerichteten Angriffe liegen und eine Zensur von Debatten oder der Meinungsfreiheit in Bezug auf Religion vermieden werden. Schließlich muss eine umfassende Definition von antimuslimischem Hass den innermuslimischen Hass berücksichtigen, um diejenigen zu schützen, die sich frei äußern oder sich anders ausdrücken wollen.
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