Die aktuell größte Sicherheitsbedrohung für den Iran ist nicht zwangsläufig das Risiko eines Krieges mit Israel, Saudi – Arabien oder den USA, sondern ein Klimawandel. Dieser Klimawandel würde zu einer steigenden Wüstenbildung in weiten Teilen des Iran führen und sichtbare soziale Spannungen nach sich ziehen. Jüngste bewaffnete Zusammenstöße mit dem Nachbarland Afghanistan sind ein Auslöser dieser Bedrohung.
Bei den iranisch – afghanischen Spannungen sind zwei Flüsse der Streitpunkt. Einer von ihnen ist der Fluss Hari Rod, der in Afghanistan entspringt, um vor dem Einströmen in Turkmenistan einen Abschnitt der Grenze zwischen Afghanistan und dem Iran zu bilden. Dieser Fluss stellt die Hauptwasserquelle für die Grenzregionen beider Ländern dar. Der zweite bilaterale Streitgegenstand und gleichzeitig die Ursache der jüngsten bewaffneten Auseinandersetzungen ist der Fluss Helmand. Er ist zugleich die längste und wichtigste Wasserader Afghanistans, mit knapp 40% des gesamten Oberflächenwassers. Die Ursprungsquellen des Helmand liegen in der Nähe von Kabul in der Gebirgskette Hindu Kush, von wo er in südwestlicher Richtung bis zum iranischen Lake Hamun in der Provinz Sistan und Baluchestan fließt. Der Iran ist vor allem in diesem Teil des Landes von Afghanistan abhängig, da Afghanistan alle wichtigen Wasserquellen kontrolliert.
Rechtlicher Aspekt
Im Jahre 1973 wurde dieser bilaterale Konflikt bereits teilweise gelöst, als beide Seiten eine Vereinbarung über die Wasserverteilung unterzeichneten. Diese garantiert dem Iran jährlich 850 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Fluss Helmand. Im Jahr 2021 unterzeichneten beide Länder ein weiteres Abkommen, basierend auf dem Vertrag aus 1973. Jedoch verstößt Afghanistan nach iranischer Darstellung gegen diese Vereinbarung. Im Gegenzug argumentiert Kabul, dass es unmöglich sei, Dürre zu ignorieren, und es aufgrund des geringeren Wasserstandes auch zu einem geringeren Anspruchsvolumen des Iran kommt.
Teheran protestiert seit langem gegen afghanische Wasserprojekte, etwa gegen den Salma Dam (jetzt bekannt als afghanisch – indischer Freundschaftsdamm). Der Bau dieses Projekts begann im Jahr 1976 und wurde im Jahr 2016 abgeschlossen. Der Damm liefert sowohl Strom als auch Wasser für die lokalen Bauern. Solange ausreichend Wasser für beide Konfliktparteien vorhanden ist, werden die Vorzüge des Dammprojekts befürwortet. Doch in den letzten Jahren, als die Region von Dürre betroffen war, kristallisierten sich individuelle Interessen heraus, die zu einem unerbitterten Kampf um jeden Tropfen Wasser führten.
Ökologische Folgen
Für den Iran stellen die begrenzten Wasserressourcen ein gigantisches Problem dar, da das Land seit über 30 Jahren immer wieder mit landesweiter Dürre zu kämpfen hat. Das Problem hat sich in den letzten zehn Jahren erneut verschärft und betrifft derzeit rund 97% des Territoriums des Landes. Aufgrund des Mangels an Trinkwasser sind in verschiedenen Teilen des Landes bereits Proteste ausgebrochen. In Bezug auf das iranisch – afghanische – Grenzgebiet ist der zuvor große Lake Hamun geschrumpft und verwandelte sich in drei kleinere Seen: Hamun-e Helmand im Iran sowie Hamun-e Puzak und Hamun-e Sabari, deren Fläche sich in beiden Ländern befindet. Erschwerend hinzu kommt, dass die lokale Bevölkerung nicht nur weniger Wasser für die Landwirtschaft zur Verfügung hat, sondern auch immer häufiger Sandstürme zu bewältigen hat.
Obwohl es eine schnelle Deeskalation nach einem jüngsten Vorfall gab, bei dem bilaterale Gespräche geführt wurden, bleibt dieses Problem ungelöst. Der Konflikt um die kostbaren Wasserressourcen bleibt bestehen. Angesichts einer sich verschlechternden hydrologischen Situation, die durch die Verringerung der Wasserreserven zusätzlich verschärft wird, sollte eine kurzfristige Verbesserung der Situation nicht erwartet werden. Was für Afghanistan eine Lösung ist, wie zum Beispiel der Staudammbau und die Errichtung von Wasserkraftwerken, stellt für den Iran eine ernsthafte Sicherheitsbedrohung dar. Kabul hat keinen Grund, sich von den eigenen Plänen abbringen zu lassen. Vor allem durch den Bau zusätzlicher wasserbezogener Anlagen in Afghanistan wird die Situation im Iran noch schwieriger. Eines dieser Projekte ist der kürzlich gestartete Bau des Bakhshabad Damms auf dem Farah River, jenem Fluss, der das Grenzgebiet mit Wasser versorgt.
Ausbleibende Niederschläge sind nur ein Teil eines breiteren Bildes. Aufgrund der Wasserknappheit hat der Iran der Türkei beispielsweise vorgeworfen, politischen Druck auf den Iran aufzubauen, indem man bewusst Wasser im eigenen Land zurückhält. Die Niederschlagsmenge, die Hauptwasserquelle im Iran, ist saisonal und relativ niedrig das ganze Jahr über, vor allem im zentralen Teil des Landes, welches daher generell von einem Wasserdefitiz betroffen ist. Der nationale Durchschnitt an Niederschlag pro Jahr liegt bei 250 mm (von 50 mm in den zentraliranischen Wüsten bis 1600 mm entlang des Kaspischen Meeres). Die breite Masse der Wasserressourcen wird von der Landwirtschaft verbraucht, was etwa 92% nach offiziellen Angaben entspricht, während der globale Durchschnitt bei etwa 70% liegt. Derzeit nutzt der Iran rund 70% seiner erneuerbaren Wasserressourcen, was die Obergrenze von 40% der internationalen Standards deutlich übersteigt.
Die Wasserstände zahlreicher iranischer Staudämme sind systematisch zurückgegangen. Fast alle großen Städte im Iran, wie etwa Teheran, Mashhad, Isfahan, Shiraz, Kerman, Hamedan, Bandar-e Abbas, Arak, Qazvin, Qom, Karaj und Yazd sehen sich zunehmend offensichtlichen Wasserdefiziten gegenüber. Nach offiziellen Angaben des iranischen Energieministeriums sind 35 Millionen Iraner in 334 urbanen Zentren bereits von akuten Wassersorgen betroffen. Von diesen 35 Millionen Betroffenen leben 17,2 Millionen (107 Städte) in Gebieten, in welchen der Wassermangel bereits kritisch ist. Der Zugang zu Strom wird damit zu einem wachsenden Problem, da der Iran Wasserkraftwerke zur Stromgewinnung einsetzt. Die iranischen Behörden müssen sich mit Infektionskrankheiten wie Cholera und Hepatitis A befassen, die sich aus kontaminiertem Wasser ergeben, das für Bewässerungszwecke verwendet wird.
Beunruhigende Prognosen
Im Februar 2017 breiteten sich in Khuzestan (südwestlicher Teil des Irans) Proteste aufgrund von Wasser – und Stromknappheit auf mehrere Städte aus. In dieser Provinz, die von einer großen arabischen Minderheit dominiert wird, ist die Situation besonders angespannt. Im Jahr 2015 erlebte diese Region eine Reihe von Angriffen auf Polizei – und Militärstationen, die auch zahlreiche Todesopfer forderten. Fast identische Zwischenfälle, darunter auch Todesfälle, ereigten sich im April 2018 erneut. In Verbindung mit ungelösten politischen und wirtschaftlichen Fragen trugen andere Faktoren zu diesen Ereignissen bei, wie die Erhöhung der Wasserdefizite, die hohe Umweltverschmutzung und die allgemeine Umweltzerstörung. Dies sind Faktoren, die zu erhöhter Salinität, häufigeren Sandstürmen und umfangreicher Stromknappheit führen.
Im Juli 2013 warnte Isa Kalantari, der von 1988 bis 2001 Landwirtschaftsminister war und die Agrarforschung am Center for Strategic Studies of the Expediency Discernment Council leitete, davor, dass die Wasserkrise das „Hauptproblem“ im Iran und gefährlicher als „Israel und die Vereinigten Staaten“ sei, vor allem, wenn die Regierung innTeheran keine Lösungen finden würde, sich weite Teile des Landes in unbewohnbare Regionen verwandeln würden. Er warnte davor, dass die „achttausendjährige Zivilisation des Iran zerstört“ werde, ohne drastische Gegenmaßnahmen zur Abwendung der Bedrohung zu ergreifen.
In einer ähnliche Kerbe schlug vor einigen Jahren Abbas Araghchi, damals stellvertretender Außenminister des Iran. Er warnte davor, dass “ West – Asien direkt und rapide auf die totale Dehydratation zusteuere. Bis zum Jahr 2025 werden alle Länder in der Region, einschließlich des Iran, Dürrebedingungen ausgesetzt sein. “ Dies wird zu Unruhen und dem Aufkommen von „Klimaflüchtlingen“ führen. Viele von ihnen werden sich um ein besseres Leben in Europa bemühen.
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