China vermittelt eine Annäherung der langjährigen Gegner Iran und Saudi-Arabien, der syrische Diktator Assad wird in den Vereinigten Arabischen Emiraten herzlichst begrüßt.
Chinas Erfolg
Die Außenminister der rivalisierenden Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran haben sich letzte Woche bei Gesprächen in Peking weiter angenähert. Die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten lagen zuvor jahrelang auf Eis. Im März hatte China jedoch überraschend ein Abkommen zwischen den beiden Ländern vermittelt. „Beide Seiten betonten die Wichtigkeit, das Pekinger Abkommen so umzusetzen, dass gegenseitiges Vertrauen gestärkt und die Kooperation ausgeweitet wird“, hieß es. Sie kündigten an, den Nahen Osten gemeinsam stabilisieren zu wollen. Beide Länder wollten kooperieren und „Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in der Region schaffen“.
Das Abkommen war unter der Vermittlung Chinas zustande gekommen. MENA Research Center berichtete bereits darüber. Es war ein wichtiger Durchbruch für den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der verstärkt darauf drängt, dass China eine aktivere Rolle in internationalen Angelegenheiten spielt. Die Annäherung war international auf weitgehend positive Reaktionen gestoßen.
Chinas Außenamtssprecher Mao Ning lobte das Treffen und fügte hinzu, dass seine Gäste „China ihre Dankbarkeit für seinen Beitrag zur Dialogförderung“ ausgedrückt hätten. „China wird mit den Ländern des Nahen Ostens zusammenarbeiten“, um die Region zu stabilisieren, und wolle „Wohlstand, Toleranz und Harmonie“ fördern.
Die Rolle des Westens schwindet
Bereits im März vereinbarten die großen Rivalen am Golf, wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen und Botschafter auszutauschen. Nur wenige Tage später lud der saudische König Salman den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi nach Riad ein. Der Gegensatz der schiitischen und der sunnitischen Führungsmacht hat der ganzen Region erheblichen Schaden zugefügt, und der Westen mag gutheißen, dass jetzt die zerstörerische Kraft dieses Antagonismus eingehegt werden könnte. Nicht aber, dass sich der große Rivale China als Vermittler und Garantiemacht feiern kann. So ist die Entspannungsinitiative am Golf nicht zuletzt ein Zeichen dafür, dass hier der Einfluss der USA zurückgeht. Saudi-Arabien oder die Emirate wollten im systemischen Großkonflikt zwischen dem Westen auf der einen und China sowie Russland auf der anderen Seite nie Partei ergreifen. Lange Zeit suchten die Monarchen am Golf Sicherheit im Westen, während sich, wenn es um den Wohlstand der Zukunft ging, der Blick nach Osten richtete. Jetzt erhält Peking als Wirtschaftspartner auch politisch größeres Gewicht.
Die Annäherung zwischen dem sunnitisch-muslimischen Saudi-Arabien, dem größten Ölexporteur der Welt, und dem schiitischen Iran, das wegen seines Atomprogramms vom Westen sanktioniert wird, hat das Potenzial, die Kräfteverhältnisse in einer seit Jahrzehnten von Unruhen geprägten Region umzugestalten. Chinas Erfolg bei der Vermittlung zwischen den beiden zuvor verfeindeten Staaten stellt die Rolle der USA als traditioneller Vermittler zwischen Mächten im Nahen Osten infrage. Der Glaubwürdigkeitsverlust, den Amerika durch die Irak-Invasion erlitten hatte, ist längst nicht überwunden.
Die Tauwetterstimmung am Golf dient auch dem Erhalt autokratischer Regime. Sowohl Saudi-Arabien als auch seinem Rivalen Iran geht es nicht zuletzt darum, das eigene Herrschaftssystem zu stützen. Das Regime in Teheran steht unter dem Druck westlicher Sanktionen und einem Aufstand im Inneren, der an seinen Grundfesten rüttelt. Die saudische Führung unter Thronfolger und De-facto-Herrscher Muhammad bin Salman will ihre Kräfte darauf konzentrieren, den überlebenswichtigen Umbau der eigenen Volkswirtschaft zu bewältigen. Nicht von ungefähr wird gerade am Golf immer wieder die „Stabilität“ beschworen, damit die arabischen Monarchen den Beweis antreten können, dass ihre Staatsmodelle mit einer effektiven Verwaltung, aber ohne Freiheitsrechte Modelle für die Zukunft sind.
Abu Dhabi macht Assad wieder hoffähig
Das andere wichtige Ereignis fand in Abu Dhabi statt: Der syrische Diktaor Baschar al-Assad landete mit seiner Ehefrau Asma zum zweiten Mal binnen eines Jahres in den Vereinigten Arabischen Emirate. Deren Herrscher Muhammad bin Zayed Al Nahyan bereitete den Assads einen warmen Empfang, Blaskapelle und Salutschüsse inklusive. Die Führung in Abu Dhabi arbeitet daran, den Diktator aus Damaskus zu rehabilitieren, der sich inzwischen wieder so sicher im Sattel wähnt, dass er immer öfter wagt, ins Ausland zu reisen. Zuvor war Assad in Moskau gewesen, in Begleitung einer großen Ministerdelegation, wie das syrische Präsidialamt meldete.
Die Kampagne Abu Dhabis, Assad wieder in den Schoß der Autokraten zurückzuholen, ist ohne offensichtliche Mithilfe von Peking ein Zeichen für den amerikanischen Bedeutungsverlust. In Washington dürften die Bilder der Eintracht aus dem Präsidentenpalast von Abu Dhabi Unmut hervorrufen. Schließlich ist Assad ein Diktator der Gewichtsklasse Saddam Husseins: Ein Mann, der Giftgas gegen Zivilisten einsetzte und Zehntausende von Andersdenkenden zu Tode foltern ließ. Dass die Führung in Abu Dhabi keine Bedenken hat, einen gefährlichen Präzedenzfall zu schaffen, indem sie dafür plädiert, Assad zu rehabilitieren, anstatt ihn als Massenmörder vor Gericht zu stellen, ist das eine. Das andere ist der Umstand, dass sich die Emirate in der Kosten-Nutzen-Abwägung nicht von amerikanischem Gegenwind haben schrecken lassen. Womöglich ist Washington das nicht mehr wichtig genug. Womöglich ist aber auch Washington den Emiraten nicht mehr wichtig genug.
Assad fühlt sich wieder sicher
Geht es nach den reichen Golfstaaten, könnte Syrien bald wieder Mitglied der Arabischen Liga werden, nachdem man das Land 2011 ausgeschlossen hatte. Profitiert hat Assad ausgerechnet auch von der Erdbebenkatastrophe, bei der Tausende seiner Landsleute ums Leben kamen. Dutzende Nationen hatten Hilfe nach Syrien geschickt, auch in die vom Regime kontrollierten Gebiete. Damit wurden notwendigerweise auch Gesprächskanäle nach Damaskus wieder geöffnet, selbst der Direktor der Weltgesundheitsorganisation und der UN-Nothilfekoordinator besuchten Assad. Noch vor Kurzem wäre das undenkbar gewesen.
Der Diktator nutzte das Scheinwerferlicht sofort aus, und forderte die Aufhebung aller Sanktionen gegen sein Land. Washington und Brüssel wiesen das zwar zurück, doch erleichterte man zumindest den Geldfluss für humanitäre Zwecke. Assad wird also zunehmend wieder hoffähig, was insbesondere für den Westen ein Problem ist. Die moralische Entrüstung über Mord, Folter und Giftgasangriffe des syrischen Regimes waren nämlich ähnlich groß, wie sie das heute über die russischen Verbrechen in der Ukraine sind. Nur die Reaktion auf den syrischen Bürgerkrieg war damals eine ganz andere.
Dem syrischen Regime, einer Diktatur alter arabischer Schule, könnte die Entspannung zwischen seiner Schutzmacht Iran und Saudi-Arabien nutzen. Baschar al-Assad kann darauf hoffen, dass jetzt der Widerstand des Königreichs gegen die Bestrebungen, ihn aus der Schmuddelecke der arabischen Autokraten zu entlassen, schwindet. Dass Wladimir Putin wegen des Überfalls auf die Ukraine geschwächt ist und unter Druck steht, ist angesichts der regionalen Dynamiken für ihn leichter zu verschmerzen. Es hat sogar eine gute Seite für den syrischen Gewaltherrscher, dass auch sein russischer Schutzherr Sorgenkind einer autoritären Achse ist, nämlich der zwischen Moskau und Peking: Früher waren die Begegnungen mit Putin oft demütigend für Assad. Nach seinem Russlandbesuch ließ er nun verkünden, die bilateralen Treffen seien „die besten seit Jahren“ gewesen.
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