Es war der wohl letzte Versuch, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten: Am vergangenen Donnerstag reisten die Unterhändler aus den USA, dem Iran und der Europäischen Union nach Wien, um zu prüfen, ob die Einigung auf einen Vorschlag von EU-Außenbeauftragtem Josep Borrell noch möglich sei.
Der EU-Chefdiplomat fasste dabei die Endergebnisse einer möglichen neuen Einigung über ein Atomabkommen mit dem Iran zusammen wie folgt zusammen: „Was verhandelt werden konnte, ist verhandelt und liegt nun in einem endgültigen Text vor“, schrieb Borrell auf Twitter. Das Dokument, das er erwähnt, beschreibt die Schritte, die unternommen wurden, um zum Atomabkommen von 2015 zurückzukehren. Vor allem die USA, die unter Präsident Donald Trump 2018 mit einem dichten Netz von Sanktionen gegen den Iran vom diplomatischen Tisch abgerückt sind, müssen zurück, ebenso wie die Iraner, die in der Folge alle früheren Regulierungen ihres Atomprogramms und die Kontrollpflichten verletzt haben.
Die Staaten, die seit fast zwei Jahrzehnten in diesem Format von „P5 plus 1“ (die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland) mit dem Iran über sein Nuklearprogramm verhandeln, haben sich immer auch den Verhandlungen für eine endgültige Einigung mit dem Mullah-Regime angeschlossen , die das iranische Nuklearprogramm und eine Aufhebung internationaler Nuklearsanktionen streng begrenzt und überwacht. Trotz aller geopolitischen Spannungen eint sie das Interesse, dass der Iran keine Atomwaffen bauen und damit ein atomares Wettrüsten in der Region auslösen kann. Sogar Russland scheint mit an Bord zu sein, obwohl man das heutzutage nicht mit Sicherheit sagen kann.
Der von der EU vorgelegte Entwurf wurde noch nicht veröffentlicht. Auf jeden Fall dürften die einzelnen Schritte wenig spektakulär, aber technisch und rechtlich äußerst detailliert sein. Der Text resultiert aus den Verhandlungen, die seit April 2021 mit Unterbrechungen in Wien geführt werden.
In einem „nuklearen“ Teil soll geregelt werden, wie der Iran seine Anreicherungsanlagen abbaut und das auf bis zu 60 Prozent (statt der im JCPOA erlaubten 3,67 Prozent) angereicherte Uran verdünnt oder exportiert. Teheran muss auch der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien erlauben, das vereinbarte strenge Kontrollregime wieder umzusetzen. Der Iran hat in der Vergangenheit den Zugang der IAEA eingeschränkt und kürzlich sogar Kameras abgeschaltet, was zu einer Lücke in der Überwachung führte. Vor allem solche Fragen galt es in den vergangenen Monaten zu beantworten, was einen „Feinschliff“ an dem im Wesentlichen fertiggestellten Text notwendig machte.
Die Europäische Union saß nicht mit am Verhandlungstisch, wohl aber ihre Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich, die mit Großbritannien noch immer als „E3“-Gruppe auftreten. Allerdings hat die EU die Rolle eines Koordinators übernommen.
Irans Unterhändler Ali Bagheri-Kani sagte, er wolle die Verhandlungen in der österreichischen Hauptstadt „vorantreiben“. Er machte jedoch deutlich, dass der Iran die USA in einer Lieferpflicht sehe. Teherans und Washingtons Diplomaten hatten nicht direkt miteinander gesprochen, der Iran lehnt dies ab. Deshalb war der EU-Diplomat Enrique Mora in der Rolle eines Vermittlers. Eine erste derartige Runde in Katar war Ende Juni erfolglos.
Borrell nahm daraufhin geringfügige Änderungen am Text eines Abkommens vor, das den USA den Weg zur Rückkehr zum Atomabkommen von 2015 ebnen soll – und mit dem sich auch der Iran verpflichten würde, die Restriktionen seines Atomprogramms erneut einzuhalten. Seit einiger Zeit beschleunigt der Iran sowohl die Urananreicherung als auch den Ausbau nuklearer Anlagen drastisch. Ein endgültig ausgehandelter Text für ein Abkommen wurde bereits im März fertiggestellt, aber bisher standen weitere Forderungen des Iran einem neuen Abkommen im Wege.
Zu klären sind zwei entscheidende Aspekte, die der Iran gerne in die JCPOA-Verhandlungen einbezogen hätte, der Westen aber nicht. Erstens hat die IAEO Fragen zu Spuren von nicht angemeldeten Atomexperimenten, die vermutlich bereits 2003 begonnen wurden, zu denen der Iran bisher keine glaubwürdige Erklärung abgegeben hat. Teheran fordert, dass die IAEO ihre Ermittlungen zu mehreren mutmaßlichen Anlagen, die der Iran nicht zu seinem Atomprogramm erklärt hatte, einstellen muss. IAEA-Inspektoren fanden an den drei Standorten Spuren von Uran und Beweise für geheime nukleare Aktivitäten. Während die Ereignisse in zwei der fraglichen Einrichtungen etwa 20 Jahre zurückliegen sollen, könnten sie in einer dritten bis 2018 angedauert haben, lange nach dem Abschluss des Atomabkommens im Sommer 2015. Zweitens will Teheran seine Revolutionsgarden von der US-Terrorliste gestrichen haben, was Washington ablehnt. Das iranische Regime ist nun offenbar bereit zu akzeptieren, dass die USA die Sanktionen gegen die Revolutionsgarden vorerst nicht aufheben werden. US-Präsident Joe Biden schloss einen solchen Schritt aus. Allerdings fordert Teheran weiterhin Garantien von den USA, dass es nicht wieder aus dem Abkommen aussteigt, wie es der damalige Präsident Donald Trump 2018 getan hat.
All dies deutet darauf hin, dass die Verhandlungen über die noch offenen Punkte nicht in Wien, sondern an einem diskreteren Ort geführt werden. Es ist nicht einmal sicher, ob ein Deal im Erfolgsfall mit großem Tamtam und Außenministertreffen abgeschlossen wird. Vielleicht geschieht dies ganz nüchtern mit einer Sitzung der „Joint Commission“, wie sie ursprünglich im JCPOA vorgesehen war.
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