Von Mohammed Haridi
Es ist schon ein überraschender Schritt, wenn der iranische Präsident Massud Peseschkian beim saudischen Kronprinzen Muhammad Bin Salman persönlich anruft und ihm zum arabisch-islamischen Gipfel Erfolg wünschte, der im Königreich abgehalten wurde. Bin Salman wiederum war einer der Ersten, der Donald Trump per Videoschalte zum Wahlsieg gratulierte. Diese Anrufe machen deutlich, in welchem Spannungsfeld die saudische Außenpolitik tarieren muss: Entspannungspolitik gegenüber Iran und seinem Wunsch nach engerer Sicherheitspartnerschaft mit Washington, einem der Erzfeinde der Islamischen Republik.
In Riad scheint man sich der Tatsache bewusst zu sein, dass dieser Balanceakt mit einem Präsidenten Trump nicht leichter wird. Die saudische Führung hat nicht vergessen, dass dieser in seiner vorigen Amtszeit den Konflikt mit Iran durch seine Politik des „maximalen Drucks“ eskalierte und das Königreich in einem entscheidenden Moment im Regen stehen ließ: Als arabische Alliierte Teherans im September 2019 zentrale saudische Ölanlagen mit einem Schwarm von Drohnen und Raketen angriffen, war der amerikanische Einsatz zum Schutz des Königreiches minimal. Das Ereignis trug maßgeblich dazu bei, dass die saudische Führung zu dem Schluss kam, sich nicht allein auf die Vereinigten Staaten stützen zu können, sondern ihr Heil auch in der Détente mit Teheran zu suchen.
In den Überschwang, mit dem Trump 2016 im Amt begrüßt wurde, hat sich daher auch Skepsis gemischt. Der saudische Außenminister Faisal Bin Farhan wurde Ende Oktober auf der „Future Investment Initiative“ (FII), einer großen Investorenkonferenz, nach der saudischen Präferenz gefragt. „Wir haben natürlich schon mit Präsident Trump zusammengearbeitet, kennen ihn also und können sehr gut mit ihm zusammenarbeiten“, sagte er, klang dabei aber eher geschäftsmäßig. Der Außenminister machte außerdem klar, was die Prioritäten der saudischen Führung sind. Seine wichtigste Aufgabe und die seines Ministeriums sei es, die gesellschaftlichen Reformen und volkswirtschaftlichen Umbauarbeiten der Agenda 2030 zu schützen, sagte Faisal Bin Farhan. Diese sollen Saudi-Arabien zu Wohlstand führen und das Land unabhängig von den Erdöleinnahmen machen.
Erst gestern wurde von der autoritär geführten FIFA quasi per Dekret beschlossen, die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 erneut in die Wüste zu schicken, diesmal nach Saudi-Arabien. Es werden Megaprojekte aus dem Boden gestampft, Teile Riads gleichen einem Wald von Baukränen. Das ohne Demokratie auskommende Königreich will sich als Standort für Zukunftstechnologien und Künstliche Intelligenz (KI) etablieren. Wie es ih, am liebsten wäre, zeigte sich auf der FII-Konferenz, bei der Topmanagern, Wirtschaftsgrößen oder Start-up-Vertretern aus aller Welt eine futuristische Schlagwort-Show geboten wurde. Sogar das Catering wurde von KI unterstützt: Ein Roboter, der Eiscreme servierte, zählte zu den großen Attraktionen.
Hier ist Trump für das Königreich ein angenehmer Partner, er und sein Zirkel unterhalten gute persönliche Kontakte ins Königreich. Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, konnte sich über eine zwei Milliarden Dollar schwere saudische Investition in seine Private-Equity-Firma freuen. Kritik an der Menschenrechtslage dürfte der Kronprinz, der das Königreich mit großer, teils brutaler Härte führt, kaum zu fürchten haben. „Ich habe großen Respekt vor Mohammed, der so großartige Arbeit leistet“, sagte Trump etwa zwei Wochen vor der Wahl in einem Interview mit einem arabischen Fernsehsender über den Kronprinzen. „Ich meine, er ist wirklich ein Visionär.“ In der Außenpolitik ist die Lage komplizierter. Das Königreich will derzeit vor allem eines erreichen: Deeskalation. Das Land soll, so gut es geht, abgeschirmt werden von der destabilisierenden Kraft der Konflikte in der Region. Und es wird in Riad als Errungenschaft angesehen, dass der direkte Kommunikationskanal nach Teheran geholfen hat, einen regionalen Flächenbrand zu vermeiden. Außenminister Faisal Bin Farhan erklärte während seines Auftritts auf der FII-Konferenz, man führe „sehr klare und ehrliche Gespräche“, die dazu beitrügen, „die Standpunkte des jeweils anderen zu verstehen, und die sicherstellen, dass es keine Missverständnisse gibt“. Auf der Grundlage dieser direkten Kommunikation sei man in der Lage, „langsam eine viel stabilere und stärkere Beziehung aufzubauen, die nicht nur den Interessen unserer beiden Länder, sondern auch der regionalen Stabilität dient“.
Die Détente-Bemühungen mit Blick auf Iran sind indes taktischer Natur, wie es von mehreren Beobachtern in Riad heißt. Der Gegensatz zur Islamischen Republik und ihrer Ideologie bleibt bestehen. Irantreue schiitische Milizen im Irak oder die von Teheran geförderten Houthi-Rebellen, die über Drohnen und Raketen verfügen, stünden für Angriffe bereit, sollte Teheran wieder auf Konfrontationskurs steuern wollen. „Iran ist weiter eine Bedrohung“, sagt die Denkfabrik Gulf Research Center in Riad. Wie andere gut vernetzte Beobachter in der saudischen Hauptstadt erklärt sie, die saudische Führung hoffe auf eine Verhaltensänderung des iranischen Regimes, das seine destabilisierenden Aktivitäten in der Region einstellen soll. Damit spricht man Dinge aus, die auch aus der Regierung hinter vorgehaltener Hand zu hören sind. „Aber Saudi-Arabien will auch nicht, dass Iran angegriffen wird oder dass die Führung die Kontrolle verliert“. Ein iranisches Regime, das sich in die Ecke gedrängt fühle, könne um sich schlagen. Ein saudisches Sprichwort sagt: „Wer sinkt, dem ist es gleichgültig, nass zu werden.“
Eine aggressivere amerikanische Iran-Politik würde der saudischen Führung daher nicht unbedingt in die Karten spielen. Vor allem aber liegen beide Seiten in einem Thema weiter auseinander, das Trump am Herzen liegt: einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel, die derzeit in weiter Ferne scheint. Der gewählte US-Präsident hat diese schon zu einer Priorität künftiger Politik in der Region erklärt. Aber für Saudi-Arabien ist eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel ohne eine Zweistaatenlösung für den arabisch-israelischen Konflikt ausgeschlossen, wie auch der Kronprinz in klaren Worten bekräftigt hat. Und Trump gilt in dieser Frage als jemand, der kaum Druck auf den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seine von Extremisten durchzogene Regierung ausüben dürfte, eine Zweistaatenlösung zuzulassen. Dass die saudische Führung sich in der Normalisierungsfrage jetzt weit weniger kompromissbereit zeigt, hat nicht nur damit zu tun, dass dies angesichts der großen Empörung über die israelische Kriegsführung im Gazastreifen kaum zu vermitteln wäre – gegenüber der saudischen Bevölkerung und als regionale sowie islamische Führungsmacht. Aus einer Quelle, die mit der Haltung Riads vertraut ist, heißt es, es sei eine Frage der Realpolitik und der Überzeugung, dass sich die Region ohne eine Lösung in der Palästinafrage kaum dauerhaft befrieden lässt. „Wie kann Saudi-Arabien einen solchen Schritt gehen, wenn der Konflikt immer wieder ausbrechen kann und der Schalter dafür in anderen Händen liegt?“ Ausgeschlossen wird eine Normalisierung allerdings nicht. Ein Deal mit Israel ist an Abkommen mit Washington gekoppelt, an denen die saudische Führung großes Interesse hat – nicht zuletzt an einem umfassenden Verteidigungspakt mit den Vereinigten Staaten mit entsprechenden Sicherheitsgarantien. Derzeit versucht die saudische Diplomatie Übereinkünfte unterhalb dieser Schwelle voranzubringen, etwa mit Blick auf den Handel und Saudi-Arabiens Ambitionen, ein eigenes ziviles Atomprogramm aufzubauen. Das Königreich versucht zugleich, sich an die Spitze diplomatischer Bemühungen zu stellen, eine Zweistaatenlösung voranzubringen. Ende Oktober fand in Riad das erste Treffen einer neuen Initiative statt: einer globalen Allianz für die Errichtung eines palästinensischen Staates. Jetzt trafen sich am Montag in Riad Führungspersönlichkeiten aus arabischen und islamischen Ländern zu einem Gipfel, der laut saudischer Staatspresse der „Beendigung der Aggression“ dienen soll, dem „Schutz der Zivilbevölkerung“ und der „Unterstützung des palästinensischen und libanesischen Volkes“.
Über die Wirkungsmacht solcher internationaler Initiativen und der saudischen Diplomatie scheinen indes keine Illusionen im Königreich zu herrschen. „Saudi-Arabien kann dafür sorgen, dass die palästinensische Frage ein Thema der internationalen Diplomatie bleibt“, sagen Experten in Riad. „Es kann die Vereinigten Staaten unter Druck setzen, ihrerseits Druck auf Israel auszuüben. Aber die Möglichkeiten und Hebel, die dafür zur Verfügung stehen, sind begrenzt.“ Der Gipfel, der eine einheitliche arabisch-islamische Position mit entsprechend größerem Gewicht erreichen sollte, war begleitet von Skepsis, was die Möglichkeiten betrifft, die kommende Trump-Administration für einen Nahost-Frieden zu gewinnen. Aber zumindest in einem Punkt herrscht Hoffnung in Riad und anderen Hauptstädten am Golf: Dass Trump, der seinen Ruf als „Dealmaker“ kultiviert, ein schnelles Ende der Kriege in der Region will – und dass Netanjahu stärker davor zurückschreckt, den unberechenbaren und eitlen Partner im Weißen Haus vor den Kopf zu stoßen.