Die deutsche Islamkonferenz (DIK) will unter Führung der neuen Bundesregierung neue Ansätze für den Dialog setzen und geht in der Jahreshauptversammlung ab von reinen religionstheoretischen Themen. Dies könnte dem Dialog mit den muslimischen Verbandsstrukturen neue Impulse geben, wenn die Bundesregierung auch bei den Gefahren, die der politische Islamismus darstellt, Zeichen setzt.
Die Deutsche Islamkonferenz (DIK) war seit ihrer Gründung 2006 immer wieder Kritik ausgesetzt, besonders hinsichtlich ihrer Unfähigkeit, Dinge beim Namen zu nennen und als bloßes Kommunikationsmittel konservativer Muslimverbände missbraucht worden zu sein. Und doch ist sie unentbehrlich. Denn sie hat sich als zentrales Forum bewährt – für die Kooperation zwischen dem Staat und den Musliminnen und Muslimen sowie für den Austausch und die Verständigung der Muslime untereinander.
Bei der im letzten Monat stattgefundenen Veranstaltung hat die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) als Gastgeberin zwei neue Akzente gesetzt. Sie will die staatliche Entsendung von Imamen aus dem Ausland nach Deutschland schrittweise abbauen und diese schließlich ganz beenden. Die Gespräche dazu führt das Ministerium mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet.
Zum anderen greift Faeser in der Islamkonferenz stärker als ihre Vorgänger gesellschaftspolitische Themen auf und geht über die bisherigen religionspolitischen Fragestellungen hinaus. So wie sie für den Kampf gegen jede Form von Rassismus, Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stehe, so wolle sie auch Muslimfeindlichkeit entschlossen bekämpfen. Der noch von ihrem Vorgänger Horst Seehofer eingerichtete Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit werde im kommenden Sommer seinen Bericht mit konkreten Handlungsempfehlungen vorlegen. Kritik hat ausgelöst, dass der vor zwei Jahren eingerichtete Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit weiter besteht, dass der ebenfalls im Bundesinnenministerium angesiedelte Expertenkreis Politischer Islamismus aber im September seine Arbeit eingestellt hat. Der war gegen Ende der letzten Legislaturperiode nach einem Antrag von Abgeordneten der CDU/CSU für die Dauer von einem Jahr eingesetzt worden. Dieser Kreis soll sich zwar nicht mehr regelmäßig treffen, seine Mitglieder sollen jedoch weiterhin an Fachtagungen teilnehmen.
Die Arbeitsgruppe sollte den Auftrag haben, einen aus dem Islam abgeleiteten politischen Extremismus in Deutschland zu erforschen und zu dokumentieren. Dazu fanden die Befürworter aber keine Mehrheit. Einige der Experten beklagten, dass es kaum wissenschaftliche Projekte zur Erforschung des „politischen Islams“ gebe. Das trifft jedoch nur zum Teil zu: Im deutschen Bundeskriminalamt (BKA) besteht ein Forschungsbereich zum islamistischen Extremismus ebenso wie für die Gefahren durch den legalistischen Islamismus, der auf Gewalt verzichtet, aber versucht, mit legalen Mitteln die staatliche Ordnung zu verändern. Zudem verfügen das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesbehörden für Verfassungsschutz über einen Apparat, der diese Entwicklungen im Blick hat und gegebenenfalls handelt.
Die deutsche Ministerin will, wie auch ihre Vorgänger seit 2006, aus der DIK keine Sicherheitskonferenz machen. Denn mit diesem Thema beschäftigen sich die Sicherheitsbehörden, und Muslime dürften nicht unter einen pauschalen Extremismusverdacht gestellt werden.
Mit dem Begriff „politischer Islam“, da sind sich Wissenschaftler sowie große Teile der Politik einig, wird der Islam als Religion diskreditiert. Trotz aller Vorbehalte hat er sich seit der Gründung einer Dokumentationsstelle in Österreich auch im öffentlichen Diskurs in Deutschland festgesetzt. Bereits Faesers Vorgänger Seehofer hatte den Begriff abgelehnt, weil er zu vage ist und vor allem weil die Nennung von Politik und Religion in einem Atemzug nicht der gewollten Wirkung von Religion im öffentlichen Raum entspräche.
So können und sollen sich in Deutschland religiöse Menschen, gleich welcher Religion, politisch beteiligen. Sie sind geradezu eingeladen, das auch zu tun. Nicht die politische Betätigung an sich ist das Problem. Entscheidend ist, welche Ziele diese Betätigung verfolgt.
Deshalb hieß der bisherige Expertenkreis im Innenministerium „politischer Islamismus“. Dieser verfolgt als politische Ideologie das Ziel, ohne Gewalt und legalistischen Mitteln die staatliche Ordnung zu verändern. Er hieß aber nicht Expertenkreis „politischer Islam“. Denn die politische Partizipation von Muslimen im Rahmen der bestehenden Ordnung ist ebenso gewollt wie die von Christen sowie von den säkularen Atheisten und Agnostikern. Die deutsche Ministerin rief daher dazu auf, die gesellschaftliche Teilhabe der Muslime weiter zu verbessern. Nun bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen die Bundesregierung setzt, um die Gefahr des politischen Islamismus auch in Deutschland zielführend einzudämmen.
Denn es ist zwar einerseits zu begrüßen, den Dialog mit den in Deutschland anerkannten Islamverbänden zu suchen, mit diesen ein konstruktives Gespräch zu führen. Jedoch muss klar bleiben, „wer Koch und wer Kellner ist“: Die Religionsverbände sind in einem säkularen Staat dazu verpflichtet, die Gesetze, Rechtsnormen und Werte zu achten, nicht nur ausführendes Organ ihrer Geldgeber aus Ankara, Doha oder Teheran zu sein. Sie müssen sich zu den Normen der Gesellschaft bekennen, in der sie aktiv sind. Dies müssen sie in ihren Verbandsstrukturen und gegenüber ihren Mitgliedern auch deutlich kommunizieren. Beispiele wären die Gleichheit der Geschlechter, Sexualmoral, das Verbot von Zwangsehen. Der Staat wiederum ist dazu verpflichtet, auf die Wahrung dieser Grundsätze zu wachen.
Die deutsche Bundesregierung sollte klarer formulieren, wo die Grenzen einer Kooperation mit Religionsverbänden liegen, die ein Weltbild repräsentieren, das sich gegen die Grundprinzipien einer toleranten und aufgeklärten Gesellschaft im 21. Jahrhundert wendet. Dazu gehören auch Sanktionspakete gegen jene Verbände, die genau gegen diese Grundlagen opponieren. Wenn Ministerin Faeser davon spricht, dass nicht die politische Betätigung an sich ist das Problem sei, sondern welche Ziele diese Betätigung verfolge, muss sie und ihr Ministerium gesetzgeberich aktiv werden, wenn Gelder aus dubiosen Quellen im Ausland Islamverbände in Deutschland finanzieren, wenn ein Autokrat aus der Türkei aktiven Wahlkampf in Deutschland betreibt und die türkischen Communities gegen die Mehrheitsgesellschaft aufwiegelt, wenn Imame nicht unter staatlicher Kontrolle in Europa ausgebildet werden, sondern in fundamentalistischen Einrichtungen unter der Kontrolle fragwürdiger Theologen.
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