Die deutsche Regierung hat bei der Europäischen Union ein offizielles Verfahren auf den Weg gebracht, um die iranische Islamische Revolutionsgarde mit Terrorismus-Sanktionen zu belegen. Das Auswärtige Amt stellte, unterstützt von weiteren EU-Mitgliedstaaten, in Brüssel einen Antrag, die Elitetruppe der Islamischen Republik unter dem Sanktionsregime zu listen, das die EU als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 in den USA eingeführt hatte.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hatte das Thema bereits bei der Sitzung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten im Mai angesprochen und den juristischen Dienst des Europäischen Auswärtigen Dienstes um eine neuerliche Stellungnahme gebeten. Eine Sprecherin der EU teilte lediglich mit, die Diskussionen im Rat seien „intern und vertraulich, daher können wir sie in der Öffentlichkeit nicht weiter kommentieren“.
Baerbock hatte schon Anfang des vergangenen Jahres angekündigt, sich dafür einzusetzen, die dem Obersten Führer Ayatollah Ali Chamenei direkt unterstellte Revolutionsgarde – auch Revolutionswächter oder Pasdaran genannt – zur Terrororganisation zu erklären. Anders als bisher sehen nun aber auch die Juristen der EU in dem deutschen Antrag eine Grundlage dafür, die den hohen rechtlichen Anforderungen genügt.
Lange hatte sich der scheidende EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit Verweis auf die juristischen Probleme dagegen gesperrt, Terror-Sanktionen gegen Iran zu verhängen. Die anderen 26 EU-Mitgliedstaaten müssen den möglichen Strafmaßnahmen einhellig zustimmen. Ob Einstimmigkeit erzielt werden kann, gilt in Brüssel als nicht sicher, allerdings haben die Diskussionen in den zuständigen Arbeitsgruppen des Rates auch erst vor Kurzem begonnen. Die Bundesregierung stützt ihre Initiative auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das im Dezember 2023 den Deutschiraner Babak J. wegen versuchter Brandstiftung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt hatte. Er hatte im November 2022 geplant, einen Molotowcocktail auf die Synagoge in Bochum zu werfen, schleuderte ihn aber aus Angst vor Entdeckung gegen eine benachbarte Schule. Das Gericht befand, dass staatliche Stellen in Iran hinter dem Anschlag steckten, ohne diese genauer zu benennen.
Den Auftrag für den Anschlag soll er von dem Deutschiraner Ramin Yektaparast erhalten haben, der im April unter bislang ungeklärten Umständen in Teheran ums Leben gekommen ist. Dieser gehörte in Deutschland früher den Rockergangs Bandidos und Hells Angels an und hatte sich 2021 nach Iran abgesetzt. In Deutschland wurde er mit Haftbefehl wegen Mordes gesucht. In einem Beschluss des 3. Strafsenats beim Bundesgerichtshof vom 13. Juni 2023 wird Yektaparast als Teil einer Gruppe bezeichnet, die sich zusammengeschlossen habe, um Anschläge auf Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in Deutschland zu verüben. Innerhalb des „Operativteams“ nahm er demnach „in Zusammenarbeit mit einer staatlichen Stelle in Iran, den Quds-Kräften der Revolutionsgarde, eine koordinierende Funktion ein“. Die Quds-Brigaden sind eine Spezialeinheit der Revolutionsgarde, die für Operationen im Ausland zuständig ist, darunter Terroranschläge. Auch steuern sie das Netzwerk der von Iran unterstützten Milizen.
Die Informationen zur Anbindung an die Quds-Kräfte, benannt nach dem arabischen Wort für Jerusalem, stützten sich laut dem Beschluss „vornehmlich auf Behördenzeugnisse“. In der Regel sind damit Erkenntnisse von Geheimdiensten gemeint, hier offenbar des Bundesamts für Verfassungsschutz. Die Angaben hätten sich durch weitere Ermittlungen erhärtet, unter anderem durch Zeugenaussagen von Babak J., heißt es in dem Beschluss. Yektaparast soll demnach auch den Auftrag an einen weiteren Beschuldigten gegeben haben, der im November 2022 das Rabbinerhaus der Alten Synagoge in Essen beschossen hatte. Ein vierter Beteiligter hatte versucht, Täter für Anschläge zu rekrutieren. Der Mann hatte Beschwerde gegen eine Durchsuchung eingelegt; dies ist Gegenstand des Beschlusses.
Nach europäischem Recht setzt eine Listung Ermittlungsverfahren wegen terroristischer Aktivitäten oder entsprechende Urteile in einem EU-Mitgliedstaat voraus. Ein solches Verfahren oder Urteil lag nach Einschätzung der EU-Juristen bislang nicht vor. In der Zusammenschau der nun von Deutschland geltend gemachten Verfahren sehen nach SZ-Informationen nun aber auch sie eine gerichtsfeste Grundlage. Terror-Sanktionen gegen die Revolutionsgarde wären vor allem ein starkes politisches Signal an das Regime in Teheran. Viele Offiziere der Garde unterliegen bereits Strafmaßnahmen wegen der Mitwirkung am iranischen Atomprogramm, ihrer Verantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen oder der Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sollte es zur Listung der Revolutionsgarde kommen, könnte dies nochmals Auswirkungen auf Geschäfte mit Iran haben: Die Sanktionen umfassen neben Reisebeschränkungen auch das Einfrieren von Vermögen und ein Verbot finanzieller und wirtschaftlicher Transaktionen. In Iran kontrolliert die Garde direkt oder indirekt wichtige Bereiche der Wirtschaft und unterhalten ein weitverzweigtes Firmengeflecht.
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