Der Staatsfonds Saudi-Arabiens, kurz PIF genannt, ist eine der gewaltigen Investitionsmaschinen der globalen Finanzwirtschaft. Lange Jahre galt der 1971 gegründete Fonds als diskreter Parkplatz für das Erdölgeld des einst stockkonservativen Königreichs. Doch als 2015 der junge, ehrgeizige Kronprinz Mohammed bin Salman die Macht übernahm, änderte sich das. Bin Salman will Saudi-Arabiens Wirtschaft vom Öl unabhängig machen und sieht den PIF als ideales Werkzeug dazu. Deshalb wurde der Fonds neu aufgestellt und mit genug Geld ausgestattet. Mit einem Volumen von rund 720 Milliarden Dollar verfügt er über eine der grössten Kriegskassen der Welt. Während andere Staatsfonds 2023 beim Investieren eher zurückhaltend waren, gingen die Saudis auf Shopping-Tour. So stand der PIF hinter den drei grössten Deals des Jahres. Im April pumpte er 4,9 Milliarden Dollar in die Game-Firma Scopely, er kaufte das Flugzeug-Leasing-Geschäft von Standard Chartered und übernahm die Stahl-Sparte des saudischen Industriegiganten Sabic.
Nun stellt sich die Frage nach den Gründen für diese Kaufwut des saudischen Staatsfonds und das teilweise aggressive Gebaren, indem er alles kauft, was nicht schnell auf den Bäumen ist: Tech-Unternehmen, Beteiligungen am Luxus-Autohersteller Aston Martin bis hin zu Anteilen am Flughafen Heathrow in London. Saudi-Arabien will wohl sein ökonomisches Portfolio diversifizieren, mit einem Hauptfokus auf Technologieunternehmen. Davon erhoffen sie sich positive Effekte für ihre eigene Wirtschaft. Gleichzeitig nehmen sie aber auch andere Gelegenheit wahr. Vor allem nach dem Ende der Corona-Pandemie boten sich in Europa gute Gelegenheiten, Riad verfügt dank dem Ölpreis-Boom der letzten Jahre über prall gefüllte Geldkoffer. Aus diesem Grund sind die Saudis im Gegensatz zu anderen Volkswirtschaften bereit, mehr Risiko einzugehen. Im Vergleich zu anderen Staatsfonds hat der PIF offenbar weniger Hemmungen.
Trotzdem ist das Risiko immer groß und die Verantwortlichen des PIF haben in der Vergangenheit auch oft falsch kalkuliert. So schrieb der 2017 vom saudischen Staatsfonds gemeinsam mit der japanischen Softbank-Group aufgelegte Vision Fund, welcher in Tech-Firmen wie Uber oder Wework investierte, Rekordverluste. Und im vorletzten Jahr verbrannte die zum grossen Teil vom PIF gehaltene Saudi National Bank (SNB) Milliarden, als sie kurz vor deren Ableben nochmals in die marode Credit Suisse investierte.
Dies ist womöglich der Grund dafür, dass viele Finanzexperten weltweit den PIF auch mit einer Art Geldautomat vergleichen, bei dem alle möglichen Firmen mit Liquiditätsbedarf anklopfen können. Doch das scheint die Machthaber in Riad nicht zu stören. Verluste können sie offenbar verkraften. Denn bei der Strategie des PIF geht es um weit mehr als Rendite. Der Fonds soll nicht weniger als die saudische Wirtschaft revolutionieren.
Erst kürzlich machte der Fonds einmal wieder Schlagzeilen. In Europa bahnte sich ein großer Skandal um die Pleite des Signa-Konzerns an, geleitet vom lange Zeit als Wonderboy angesehenen René Benko. Mittlerweile weiss man, mit welchen Methoden er Investoren und Finanzinstitute viele Jahre lang hat blenden können. Hier hatte der saudische Staatsfonds ebenfalls seine Hände im Spiel.
Als der Österreicher Benko mit seiner Signa-Gruppe bereits am Abgrund stand, war mit einem Mal offenbar doch noch Rettung in Sicht. Die Saudis würden dem gescheiterten Investor finanziell unter die Arme greifen, jubelten österreichische Zeitungen noch Ende letzten Jahres. Doch die Freude kam zu früh, am Ende überlegten es sich die reichen Golfaraber anders – und liessen Benko fallen. Dass die Saudis als potenzielle Geldgeber genannt wurden, hat einen guten Grund: Sie waren bereits in Benkos Konstrukt beteiligt. Der PIF finanzierte 2023 die vier Milliarden Pfund schwere Übernahme der britischen Warenhauskette Selfridges mit. Benko hatte heimlich einen Teil seines Anteils an den PIF weiterverkauft, weil seiner Signa-Gruppe das nötige Geld fehlte. Seinen Partner, die thailändische Central Group, liess er darüber im Dunkeln.
Heute ist der Staatsfonds ein wichtiger Teil der „Vision 2030“ – jenes ambitionierten Zukunftsplans, mit dem der saudische Kronprinz sein Land in eine moderne Dienstleistungswirtschaft und eine Tourismus-Grossmacht verwandeln will. Die Saudis investieren deshalb nicht nur in Unternehmensbeteiligungen. Ihr Staatsfonds stieg auch beim englischen Fussballklub Newcastle United ein und finanzierte die Übernahme der Golftour PGA. Dabei geht es wohl auch um Einfluss und globale Sichtbarkeit.
Vor allem aber investiert der PIF in Saudi-Arabien selbst. Über 70 Prozent seiner Ausgaben tätigt er dort. So pumpt der Fonds Milliarden in die saudische Fussballliga und finanziert die Saläre von Stars wie Cristiano Ronaldo, Neymar oder Karim Benzema. Daneben besitzt er lokale Banken, Tech-Unternehmen, Investmentfonds für Startups und sogar Industrie- und Rüstungsbetriebe.
Die gewaltigen Megaprojekte, mit denen Prinz bin Salman sein Land in die Zukunft katapultieren will – wie die neu zu errichtende Retortenstadt Neom oder die grossen Tourismus-Resorts am Roten Meer –, werden ebenfalls durch den PIF finanziert. Ziel dieser Investitionen ist es, Wachstum zu generieren. Zudem hoffen die Saudi, dass die Grossprojekte dereinst sogar Investoren anlocken. Noch ist es aber nicht so weit – und Riad muss vor allem draufzahlen. So machte der PIF 2022 offenbar einen Verlust von 11 Milliarden Dollar. Im Jahr davor erzielte er jedoch einen Gewinn – allerdings auch wegen des hohen Ölpreises. Bin Salman ist eben immer noch von jenem Stoff abhängig, von dem er sich eigentlich lösen will. Das gilt auch für den PIF. Denn der Fonds finanziert sich unter anderem daraus, dass er Anteile an Saudi Aramco hält, der grössten Ölfirma der Welt. Entsprechend ist die strategische Ausrichtung des Fonds Chefsache. Offiziell wird er von Yasir al-Rumayyan geführt, einem ehemaligen saudischen Banker. Beobachter vermuten jedoch, dass die wichtigen Entscheidungen vom Kronprinzen selbst gefällt werden.
Die Strategie des PIF ist allerdings nicht nur im Ausland aktiv, er hilft auch dabei, das Ansehen des Kronprinzen in der Heimat stetig positiv zu verändern. Der Fonds sorgt nicht nur dafür, dass etwa der Fussballklub al-Nasr in Riad mit Spielern wie Cristiano Ronaldo und Sadio Mané auflaufen kann. Auch in der Startup-Szene und im boomenden Kulturbereich ist er oftmals der alleinige Financier. Wer in Riad nach jenem Geld sucht, welches all die neuen, hippen Startups oder Designstudios möglich macht, landet am Ende fast immer beim PIF.
Kann die Strategie des saudischen Staatsfonds daher eine erfolgreiche Zukunft haben? Das ist wohl die Milliarden-Dollar-Frage! Bin Salman lässt sich von seinem Traum nicht abbringen. Er will den PIF bis 2030 auf ein Volumen von 2 Billionen Dollar anwachsen lassen. Vor kurzem kündigte er deshalb an, weitere 8 Prozent der Anteile von Aramco an den Fonds zu übertragen. Es ist damit zu rechnen, dass die Saudis weiterhin in grossem Stil investieren werden.
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