Die Amtszeit der mit großen Lorbeeren gelobtenHafize Gaye Erkan, der ersten Frau an der Spitze der türkischen Zentralbank, ist bereits wieder beendet. Die in den USA ausgebildete Ökonomin trat zurück! Als Grund nannte sie eine Rufmordkampagne, vor der sie ihre Familie schützen wolle. Präsident Erdogan ernannte kurz darauf Erkans Stellvertreter Fatih Karahan zu ihrem Nachfolger.
Der Abgang Erkans ist bereits der fünfte Wechsel in fünf Jahren auf dem Chefposten der türkischen Nationalbank. Dies hat vor allem mit Präsident Erdogan und seinen geldpolitisch unkonventionellen Vorstellungen zu tun. Beeinflusst vom islamischen Sündenbegriff und fixiert auf einen Wachstumskurs um jeden Preis, ist Erdogan ein erklärter Gegner hoher Zinsen. Der türkische Präsident hat die Währungsbehörde in den vergangenen Jahren ihrer Unabhängigkeit beraubt und an ihrer Spitze vorzugsweise gefügige Gefolgsleute installiert, die seine Tiefzinspolitik widerspruchslos umsetzen. Wird der Druck zu gross, weil der Lirakurs ins Bodenlose stürzt und internationale Investoren dem eigentlich mit grossem Potenzial gesegneten Land das Vertrauen entziehen, dürfen konventionelle Ökonomen das Ruder übernehmen und einen rationaleren Kurs verfolgen.
Im Mai vergangenen Jahres, nach Erdogans Sieg, entschied er sich, es einmal wieder mit der Ratio zu versuchen. Ein neues Team, zu dem auch Erkan gehörte, hat das Land zu geldpolitischer Orthodoxie zurückgeführt. Unter ihrer ersten Chefin erhöhte die Zentralbank die Leitzinsen in mehreren Schritten von 8,5 auf nun 45 Prozent. Damit ist die Inflation zwar noch nicht gebändigt, im Januar lag sie bei knapp 65 Prozent, die Lira verliert weiter an Wert. Dennoch zeichnet sich nach den Verwerfungen der letzten Jahre eine Stabilisierung ab. Auch das Vertrauen der Investoren kehrt allmählich zurück.
Die Sorge der Märkte war immer, dass Erdogan angesichts der unvermeidbaren Wachstumseinbußen, die mit diesem Kurs einhergehen, irgendwann die Geduld verlieren und eine neuerliche Kehrtwende verordnen würde. Erkans Vorvorgänger wurde 2021 genau aus diesem Grund nach nur vier Monaten im Amt entlassen.
Doch diesmal liegen die Dinge anders. Erkan musste nicht wegen ihrer Geldpolitik gehen, sondern wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft und anderer Misstritte. Es waren Berichte aufgetaucht, wonach ihr Vater in der Zentralbank ein und aus gehe und, ohne offizielle Befugnisse, Weisungen erteile. Eine Mitarbeiterin beklagte sich sogar, von ihm geschlagen worden zu sein. Bereits vorher hatte die Zentralbankchefin Schlagzeilen gemacht, als sie erklärte, wegen der hohen Wohnkosten in Istanbul mit ihrer Familie wieder bei den Eltern zu wohnen. Der Versuch der Volksnähe konnte angesichts des Millionenvermögens der ehemaligen Goldman-Sachs-Bankerin nicht überzeugen. Wie berechtigt die Vorwürfe des Nepotismus sind, bleibt ungeklärt – ebenso die Frage, weshalb eine Zentralbankchefin glaubt, sich öffentlich anbiedern zu müssen. Dass Erkan über einflussreiche Gegner verfügte, dürfte aber unbestritten sein.
Wichtiger für die Türkei ist jedoch, dass der jüngste Personalwechsel in der Zentralbank für einmal nicht mit einem Politikwechsel einhergeht. Erkans Nachfolger Karahan hat sich in seinen bisherigen Stellungnahmen explizit zum Ziel der Preisstabilität bekannt. Der Ökonom, der wie seine Vorgängerin lange in den USA tätig war, steht ebenfalls für eine konventionelle Wirtschaftspolitik. Präsident Erdogan hält somit vorerst am Kurs der geldpolitischen Stabilisierung fest. Die Frage, wie lange das Gültigkeit hat, bleibt aber bestehen. Denn solange auch in wirtschaftspolitischen Fragen alle Fäden im Präsidentenpalast zusammenlaufen, sitzt jeder türkische Zentralbankgouverneur auf einem Schleudersitz.
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