Es sind schwere Geschütze, die der grösste Islam-Verband Deutschlands derzeit gegen Kritiker auffährt. Per mehrseitiger Pressemitteilung drohte der in Köln ansässige Moscheeverband Ditib der Tageszeitung «Die Welt» juristische Schritte an, sollte sie sich von einem kürzlich erschienenen Kommentar nicht distanzieren und keine – nicht näher benannten – Konsequenzen ziehen. Der Beitrag überschreite sämtliche Grenzen der Meinungsäusserung und sei ein Paradebeispiel für Hetze und Diskriminierung von Minderheiten, erklärte der Verband.
Mehrere Anfragen von Journalisten mit der Bitte um Erläuterung, an welcher Stelle der Kommentar die Grenzen der zulässigen Meinungsäusserung überschreite, ließ Ditib bislang inhaltlich unbeantwortet. Eine Sprecherin von „Die Welt“ wollte die Vorwürfe nicht näher kommentieren und verwies nur allgemein darauf, dass es sich bei dem Kommentar um ein Meinungsstück handele. Der Text sei als solcher auch ausdrücklich gekennzeichnet.
Stein des Anstosses war die Kritik, die ein Journalist des Blattes an Ditib, aber auch an deutschen Politikern geübt hatte, die an der Feier zum vierzigjährigen Bestehen des Verbands teilnahmen. Zur Geburtstagsfeier seines Feindes erscheine man nicht, schrieb der Kommentator dem Leiter der Düsseldorfer Staatskanzlei Nathanael Liminski ins Stammbuch. Die starke Wortwahl begründete der Journalist so: „Wen sonst soll ein verfassungstreuer deutscher Demokrat als politischen Feind betiteln, wenn nicht eine Organisation, die so abhängig ist vom Autokraten in Ankara, die so stark erdoganistisch, also islamistisch, türkisch-nationalistisch und antisemitisch, geprägt ist?“
Tatsächlich hatte der Staatskanzleichef Liminski, rechte Hand des christlichdemokratischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, an der Feier teilgenommen und ein Grußwort gehalten, in dem er der Organisation „sehr herzlich“ zum Jubiläum gratulierte. Ditib werde seiner gewachsenen gesellschaftlichen Verantwortung in vielfältiger Weise gerecht, so Liminski.
Als Beleg für Ditibs Bereitschaft, den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft zu fördern, führte Liminski die Veränderungen in der Imam-Ausbildung an. In Deutschland ausgebildete Imame sollen schrittweise die aus der Türkei entsendeten ablösen. Eine entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarung war Ende 2023 getroffen worden.
Die deutsche Seite erhofft sich davon, die Imame dem Einfluss der direkt dem türkischen Präsidenten unterstellten türkischen Religionsbehörde Diyanet zu entziehen. Kritiker wie der Kommentator der „Welt“ weisen indes darauf hin, dass dieses Umdenken nicht freiwillig erfolgt sei. Vielmehr habe die deutsche Seite damit gedroht, der Entsendung türkischer Imame andernfalls ein schnelles Ende zu bereiten.
Liminski sparte in seiner Rede aber ebenfalls nicht mit Kritik. In höchstem Maße irritierend und nicht zu tolerieren seien Fälle von Antisemitismus und politischer Einflussnahme, Hetze gegen Minderheiten und Denunziation. „Dies alles ist auch in Moscheegemeinden der Ditib geschehen“, sagte Liminski laut Redemanuskript. Er bezog sich damit etwa auf Hinweise, wonach Imame im Auftrag des türkischen Staates Gemeindemitglieder ausgespäht oder für Präsident Erdogan und seine Politik geworben haben sollen. So wurde in den Ditib-Moscheen 2018 etwa für den Sieg der türkischen Invasionstruppen in Syrien gebetet.
Liminski problematisierte in diesem Zusammenhang ganz grundsätzlich die starken Verbindungen in die Türkei, die Ditib als Auslandsorganisation der türkischen Religionsbehörde habe. Solange sich diese auf den religiösen Bereich beschränkten, sei dies völlig legitim. Problematisch sei es aber, wenn diese Verbindungen politischer Natur seien oder damit gar eine parteipolitische Einflussnahme verbunden sei.
„Hier erwarte ich, dass Ditib weiter den Weg beschreitet, sich auf ihre religiösen und sozialen Tätigkeiten hier in unserem Land zu konzentrieren“, sagte Liminski. Aus seiner Sicht ist diese Konzentration auf den religiösen Auftrag offenbar noch nicht hinreichend erfolgt. Er sah sich in seiner Rede jedenfalls ausserstande, die Frage zu beantworten, ob es sich bei Ditib um eine Religionsgemeinschaft handele oder nicht. Eine positive Antwort wäre freilich die Voraussetzung für die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts, die Ditib anstrebt. Damit wären weitreichende Vorrechte verbunden.
Derzeit ist Ditib mit seinen fast tausend Moscheegemeinden als Verein organisiert. Besonders stark ist Ditib in Nordrhein-Westfalen vertreten, wo viele ehemalige türkische Gastarbeiter und ihre Nachkommen leben. Die dortigen Landesregierungen arbeiten mit der Organisation trotz Kritik seit Jahren zusammen. So akzeptiert der Staat Ditib als Ansprechpartner für den an öffentlichen Schulen erteilten islamischen Religionsunterricht.
Diese Kooperation war nach dem Überfall der Hamas auf Israel kurzzeitig infrage gestellt worden, weil Vertreter der türkischen Religionsbehörde sich israelfeindlich geäussert hatten. So bezeichnete der Chef von Diyanet Israel als rostigen Dolch im Herzen der islamischen Welt. Der nordrhein-westfälische Landesverband von Ditib gab in der Folge eine Erklärung ab, in der er sich ausdrücklich zum Existenzrecht Israels bekannte. Damit sei die notwendige Grundlage für die weitere Zusammenarbeit beim islamischen Religionsunterricht gegeben, sagte der Staatskanzleichef Liminski Ende 2023.