Die Radikalisierung von Menschen hin zu extremistischen Positionen, seien sie politisch motiviert oder aber religiös, betrifft nicht nur Europa, sondern ist bereits seit Jahrzehnten eine eminente Gefahr für die Länder des Nahen und Mittleren Ostens.
In den westlichen Ländern haben sich – besonders seit der großen Flüchtlingswelle vor vier Jahren – die Gesellschaften immer weiter polarisiert: Ängste vor einer Islamisierung Europas, Überfremdung, oder einfach, weil einige Gruppierungen – angestachelt von Rechts- und nationalistischen Populisten – erneut eine Minderheit zum Sündenbock machen wollen; neben antiislamischer Hetze belegt auch der neu aufkommende Antisemitismus diese Annahme.
Unsere Gesellschaften sind gefordert, keine Frage: Die Bildung von Parallelgesellschaften, Integrationsprobleme besonders in moslemischen Kreisen, Fehlentwicklungen im Schul- und Bildungsbereich, eine beginnende Ghettoisierung von Bevölkerungsgruppen sind Zeichen dafür, dass einerseits unsere Integrationsbemühungen teilweise gescheitert sind oder nicht effektiv waren, andererseits aber auch islamische Interessengruppen, Moscheeverbände, importierte Hassprediger einen Islam vertreten, welcher sich gegen unsere Grundwerte richtet, MitbürgerInnen radikalisiert, Antisemitismus verbreitet und unsere Rechtsordnung nicht mehr anerkennen will.
Muslimbrüder, AKP- und Milli Görüs-nahe Vereine wiederum haben sich eine etwas andere Strategie zurecht gelegt, indem sie unsere Gesellschaften von innen heraus verändern wollen; anders als Salafisten oder islamistische Imame profitieren sie von der Anerkennung im Westen, erhalten Unterstützung von westlichen Institutionen, werden gar von manchen Parteien in Europa hofiert. Dies ändert aber nichts an ihrer eigentlichen Zielsetzung: Ihren Machtanspruch, basierend auf einer antiquierten Interpretation des Koran und anderer Schriften, auch in Europa umzusetzen. Gerne bedienen sie sich, wie im Falle des hinlänglich bekannten „Islamophobia-Report“ vom Erdogan-nahen SETA-Institut und seiner in der EU beheimateten UnterstützerInnen, einer Taktik, die jeden als Islamhasser an den Pranger stellt, der sich kritisch mit Tendenzen im Islam auseinandersetzt, sei es wissenschaftlich oder aus der eigenen Religion heraus.
Der öffentliche Diskurs in Europa zu Extremismus und Radikalisierung auf religiöser Basis sollte viel stärker auch Stimmen von Stimmen aus den moslemischen Ländern einbringen, denn Ursachen und Analysen zu extremistischen Tendenzen im Islam und seinen Gesellschaften von arabischen ExpertInnen, die sich offen als Gläubige identifizieren, unterscheiden sich nicht von denen der meisten europäischen WissenschaftlerInnen.
Es wird also Zeit, dass wir vermehrt Stimmen aus der islamischen Welt hören. Dadurch können wir den von Moslembrüdern, Salafisten und Milli Görüs beeinflussten moslemischen MitbürgerInnen zeigen, dass ihre Religion eine friedfertige, tolerante und pluralistische ist. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit, denjenigen Europäern, die von Populisten verblendet wurden, einen anderen Islam zu zeigen.
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