“Der Vertrag zwischen dem FC Bayern und Qatar Airways endet einvernehmlich nach fünf gemeinsamen, sehr spannenden Jahren”, erklärten der FCB im Rahmen einer Aussendung. Die Meldung kam etwas überraschend, da in den vergangenen Wochen Berichte die Runde machten, wonach die Verantwortlichen an der Isar eher zu einer Verlängerung tendieren würden.
Der deutsche Fußball-Rekordmeister hat also eine Entscheidung öffentlich gemacht, die für ein Fußballunternehmen eigentlich ganz normal ist: Der Vertrag mit einem Sponsoren wurde gekündigt, „einvernehmlich“, wie es aus Vereinskreisen heisst. Und dann? Nach der Meldung wurde direkt heftig diskutiert im Internet, der Presse, denn eines ist und war der Deal des deutschen Meisters mit dem Staatsunternehmen Qatar Airways nie: normal.
Der FC Bayern München und Katar: Eine Geschichte aus der modernen Fußballwelt, in der alte und neue Player paktieren. Die alten Player haben, was die neuen wollen: Präsenz. Und die neuen Player wiederum haben, was die alten wollen: Geld. Im Fall des FC Bayern und Qatar Airways, der staatlichen Fluglinie, die im Sommer 2018 Platinpartner in München geworden ist, sollen es pro Saison 25 Millionen Euro gewesen sein. Und aus sportlicher Sicht muss man sagen: Der Deal hat sich gelohnt. Der FC Bayern hat seitdem fünfmal die Meisterschaft gewonnen, zweimal den DFB-Pokal – und einmal die Champions League.
Nun kündigten sowohl die Geldnehmer als auch die Geldgeber das Ende dieser Geschichte an. „Der Vertrag zwischen dem FC Bayern und Qatar Airways endet einvernehmlich nach fünf gemeinsamen, sehr spannenden Jahren.“ So steht es in dem Statement, in dem sich die mächtigen Männer aus München und Doha äußern: Vorstandsvorsitzender der FC Bayern AG Dreesen und Akbar Al Baker, Group CEO Qatar Airways. Nun stellt sich die Frage, ob die Trennung wirklich so einvernehmlich erfolgte, wie die Manager es verkaufen wollen. In dem Statement liest man die Variante einer gemeinsamen Geschichte, die über Sport, Schalen und Pokale hinausgeht. „Die Verbindungen, die der FC Bayern durch Qatar Airways mit seinen Fans in der arabischen Welt knüpfen konnte, werden bleiben. Beide Partner haben aktiv einen Austausch zwischen den Kulturen gefördert. Es war immer das Ziel des FC Bayern und von Qatar Airways, Menschen durch Fußball zu verbinden, auch durch Frauenfußball. Durch vertrauensvollen, offenen Austausch sind Freundschaften entstanden, die weiter bestehen werden.“ Es gibt aber auch in dieser Hinsicht eine alternative Version. Sie kommt aus der Südkurve des Stadions in München – dorther, wo die kritischsten Fans des FC Bayern zu finden sind.
Es gibt zwei Quellen, die mit den Inhalten der Verhandlungen vertraut sind und sagen, dass Qatar Airways dem FC Bayern schon vor Monaten signalisiert haben soll, dass es das Sponsoring nicht fortsetzen wolle, weil der Ertrag nicht mehr gut genug sei. Ein Sprecher des FC Bayern teilte nur mit, dass in diesem Jahr mehrere Gespräche geführt worden seien und verweist ansonsten auf das Statement.
Wie Recherchen deutscher Journalisten belegen, waren die Verhandlungen zwischen Qatar Airways und dem deutschen Erfolgsclub sehr weit fortgeschrittenen. Demnach gab es bereits unterschriftsreife Verträge. Der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, hat am Ende jedoch sein Veto eingelegt und die geplante Verlängerung abgesagt.
Dem Vernehmen nach hat die Weltmeisterschaft in Katar, vor allem die Ereignisse und Debatten rund um die deutsche Nationalmannschaft (Regenbogenbinde, Gesten der deutschen Spieler vor dem Japan-Spiel), dazu beigetragen, dass sich Katar am Ende gegen eine Verlängerung entschieden hat.
Alles begann im Januar 2011. Damals reisten die Fußballmänner des FC Bayern das erste Mal für ein Trainingslager nach Katar, in das Emirat, in dem bis heute regelmäßig Menschenrechtsverletzungen dokumentiert werden. Danach flogen die Bayern immer wieder hin – und handelten neue Deals aus. Mit dem Hamad International Airport und danach mit Qatar Airways. Ein Geschäft, das dann den großen Streit mit denen entfachte, die man beim FC Bayern Familie nennt: den eigenen Mitgliedern. Im Januar 2020 veranstaltete der „Club Nr.12“, der unabhängige Zusammenschluss der aktiven Fans des FC Bayern, eine Podiumsdiskussion. Der Titel: „Katar, Menschenrechte und der FC Bayern – Hand auf, Mund zu?“ Dafür wurde auch ein Vertreter des Vereins eingeladen. Im November 2021 eskalierte dann die Mitgliederversammlung. Der unveränderte Vorwurf: Der Klub unterstütze die Ausbeutung in Katar durch sein Schweigen. Daraufhin reagierte der FC Bayern: Er organisierte einen Roundtable – mit kritischen Mitgliedern des Klubs und Vertretern aus dem Wüstenstaat. Er beantwortete danach auch einen ausführlichen Fragenkatalog der Fans.
„Es ist schwer zu glauben, dass die kritische Reaktion eines engagierten und organisierten Teil der Fans des FC Bayern auf das Sponsoring durch Katar nicht ein wesentlicher Faktor in dieser Entscheidung war.“ Das schreibt Nick McGeehan, Gründungsdirektor der Menschenrechtsorganisation Fair Square. Der Sprecher des „Club Nr.12“: „Der Club Nummer 12 ist erfreut über die Entwicklungen. Während sich Vereine im europäischen Ausland aktuell von Staatsfonds übernehmen lassen, geht die Entscheidung aus unserer Sicht in die gegenteilige, richtige Richtung. Aus Fansicht ist es aber sicher kein Tag für Triumphgeheul, sondern einfach ein freudiger Tag, der uns zeigt, dass es eben doch Einfluss hat, wenn sich Fans und Mitglieder für oder eben gegen etwas einsetzen. Wir hoffen, dass insgesamt aus dieser Zeit und insbesondere der Jahreshauptversammlung 2021 gelernt wurde und danken allen, die sich in der Sache so engagiert haben und teils dafür übelst angefeindet wurden. Diese Entscheidung heute ist gut für uns Fans, aber noch wichtigster: auch gut für den Verein.“
Der FC Bayern glaubt – egal, ob das Ende dieses Deals nun einvernehmlich war oder nicht –, dass er seine Sponsoreneinnahmen auch ohne das Geld aus Katar auf demselben Level halten kann. Und Qatar Airways scheint zu glauben, dass es sein Geld auch in anderen Projekten anlegen könnte – womöglich in Ländern, wo diese Anlage weniger kritisch gesehen wird.
Der FC Bayern München und Katar – eine Verbindung, die nicht unbedingt enden muss. Der Verein nämlich nicht ausschließen, dass seine Mannschaften in den nächsten Wintern wieder ihre Trainingslager im Emirat abhalten werden.
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