Beim jüngsten Treffen der Arabischen Liga kamen Delegationen aus 22 Ländern zusammen. Der Auftritt des syrischen Diktators Assad sorgte für Aufregung – denn nach elf Jahren nimmt Syrien erstmals wieder an einem der Treffen teil. Aus Protest gegen die Anwesenheit des Bürgerkriegsherrn Assad reiste der Emir von Katar gleich wieder ab.
Die Wiederaufnahme Syriens wird von vielen Menschenrechtsaktivisten und Oppositionellen in der Region scharf kritisiert. „Die Aufnahme Syriens ohne Vorbedingungen ist das offizielle Ende des arabischen Frühlings“, sagt eine Aktivistin aus Kairo. Sie möchte wie mittlerweile viele ehemalige Revolutionäre der Region ihren Namen nicht veröffentlicht sehen. Denn die Unterdrückung regierungskritischer Stimmen ist nicht nur in Syrien ein Thema, sie ist in fast allen Ländern der Region wieder hoffähig geworden.
Der saudische Kronprinz Mohamed bin Salman als Gastgeber schaffte es zumindest, die Aufregung um Assad beinahe als nebensächlich erscheinen zu lassen: Als Überraschungsgast und offenbar gegen den Willen einiger Konferenzteilnehmer kam auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij in die Hafenstadt. Dort sagte er, dass er für einen „ehrlichen Blick“ auf den Krieg werben wolle. Und er mahnte: „Leider drücken einige auf der Welt und hier in Ihrem Kreis ein Auge zu.“ Damit dürfte er so einige aus dem Kreis der Arabischen Liga gemeint haben, die mehrheitlich als prorussisch gilt. Der Syrer Baschar al-Assad sowieso, seine Herrschaft wird seit Jahren vom Kreml gestützt.
Der Gastgeber Bin Salman begann das Treffen denn auch gleich mit einem Angebot Saudi-Arabiens, zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln. Gerade als große ölexportierende Länder sind Saudi-Arabien und Russland in der sogenannten OPEC+-Gruppe verbunden. Wie die meisten anderen arabischen Länder im Raum haben die Saudis im Ukraine-Krieg bisher keine Position bezogen und haben sich nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligt.
So befand sich Selenskij bei seiner Gastrede anderes als bei seinen bisherigen Auslandsbesuchen in Europa und den USA beim Treffen der Arabischen Liga auf keinem einfachen Terrain. Dabei redete er aber nicht lange um den heißen Brei. „Ich bin sicher, dass hier im Raum einige sitzen, die bei dieser illegalen Annektierung in die andere Richtung schauen. Ich bin hier, damit alle hier ehrlich auf diesen Konflikt schauen, egal wie stark Russland versucht, Einfluss zu nehmen. Es muss trotzdem Unabhängigkeit geben“, erklärte er gegenüber den arabischen Präsidenten, Königen, Kronprinzen und Emiren. Auf Saudi-Arabiens Vermittlungsangebot antwortete er vage diplomatisch: „Saudi-Arabien spielt eine wichtige Rolle, und wir sind bereit, unsere Zusammenarbeit auf eine neue Ebene zu heben.“
Für den Gastgeber Saudi-Arabien spielte die überraschende Einladung Selenskijs wohl nicht nur die Rolle, sich als möglicher Vermittler zu präsentieren. Als positiver Nebeneffekt führte sie auch dazu, dem auch in Teilen der arabischen Welt umstrittenen Assad nicht zu viel Raum bei seinem ersten Auftritt einzuräumen. Denn die Entscheidung, Assad wieder in der arabischen Staatenfamilie aufzunehmen, stieß nicht bei allen arabischen Staaten auf Gegenliebe.
Der Außenminister des Emirates Katar, Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, hatte kurz vor dem Treffen bei einem Besuch seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock erklärt, dass er eigentlich gegen die Wiederaufnahme Syriens in der arabischen Liga sei. Katar, wie auch Jordanien, Kuwait und Algerien, wollten eigentlich die Rückkehr Assads an Bedingungen knüpfen, wie etwa einen demokratischen Prozess oder auch, dass das Regime in Damaskus seine Beziehungen zu seinem wichtigsten Verbündeten in der Region, dem Iran, zurückschraubt. Doch am Ende haben sie sich widerwillig einem arabischen Konsens gebeugt.
Finanzielle Versprechen für den Wiederaufbau Syriens hat der seit 22 Jahren regierende Baschar al-Assad von dem Gipfel in Dschidda wohl nicht mit nach Hause genommen. Und sollte es zu ernsthaften Gespräche über einen Frieden in Syrien kommen, liefen diese direkt zwischen Riad, Teheran und Moskau, das Assad immer noch mit mehreren Tausend Soldaten unterstützt. Die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga ist daher zunächst eher eine symbolische Geste.
Das wichtigste Signal des Treffens in Dschidda geht wohl eher an die eigene Bevölkerung. Als Zivilgesellschaft werden in Zukunft ähnlich wie in den Golfstaaten nur noch vom Staat unterstützten Initiativen geduldet. In Tunesien war erst kürzlich ein Journalist zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, nur weil er seine Quellen für eine Reportage über eine von Sicherheitskräften zerschlagene Terrorzelle nicht preisgeben wollte. Zwei tunesische Musiker sitzen derzeit in Untersuchungshaft, weil sie ein Kinderlied mit einem Text versehen haben, der den Präsidenten auf harmlose Weise aus Korn nimmt.
Bürgerinitiativen können mittlerweile die verkrusteten und patriarchalen Regierungsstrukturen der arabischen Staaten gewaltlos unterwandern. „Wir Bürger füllen nun auf lokaler Ebene das Vakuum, das der Westen und die Milizen nach dem arabischen Frühling hinterlassen haben, mit konkreten und umsetzbaren Reformprojekten. Wir vernetzen uns mit ähnlichen Initiativen in Jordanien und Syrien“, sagt eine Bürgerrechtlerin aus Tunesien.
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