Es war einmal wieder soweit: Der Kreml schickte Ende letzten Monats seinen stellvertretenden Verteidigungsminister in die Wüste. Damit ist nicht gemeint, dass Putin diesen von der Bildfläche hat verschwinden lassen wollen, sondern dass Yevkurov nach dem Rechten sehen sollte und zwar beim Untertan in Libyen, beim Warlord Chalifa Haftar. Die russische Regierung wollte nämlich seinem Statthalter in Nordafrika helfen, aus der verfahrenen Situation nach der Naturkatastrophe herauszukommen. Als die Bilder veröffentlicht wurden, mit Lastwagen voller Hilfsgüter aus Russland, sollte der Diktator in Ost-Libyen damit weiter aufgewertet werden, während der Kreml dem Westen signalisieren kann, dass er seine Position in Libyen – und damit an der Südflanke der NATO – stärkt.
Aber es waren nicht nur die Hilfslieferungen, die ein Signal setzen sollten, sie waren wahrscheinlich eh nur für die PR-Abteilungen gedacht. Viel wichtiger war wohl die Ankündigung, dass mit den Hilfsgütern auch die russischen Söldnertruppe von Wagner weiter im von Haftar besetzten Gebiet bleiben soll, aber diesmal unter der direkten Kontrolle des Kremls. Es ist natürlich zu hinterfragen, ob nicht schon unter dem Diktat Prigoschins der russische Präsident der eigentliche Oberbefehlshaber der Mördergruppe war. Übrigens überreichte der Emissär Putins eine Pistole dem libyschen Warlord, eine Geste, die Interpretationen nicht zulässt.
Die Reisen Jewkurows in Afrika sollen aber schon deutlich machen für die dortigen Regierungen wie auch für den Westen, dass die Aktivitäten der Wagner-Verbände im Sinne von Präsident Wladimir Putin reorganisiert werden. Der Libyen-Einsatz der Söldnertruppe war und ist für sowohl Haftar als auch den Kreml sehr nützlich. Der Libyschen Nationalen Armee unter Haftars Kommando ist sie eine maßgebliche Stütze für Putin ein Hebel der Machtausübung. Sollte die Visite des Vize-Verteidigungsminister nur eine Eintagsfliege gewesen sein? Mitnichten! Anfang diesen Monats reiste Haftar nach Moskau und traf dort nicht nur Jewkurow, sondern auch den Herrscher im Kreml. Putins Sprecher erklärte, der russische Präsident und der ostlibysche Militärführer hätten über „die Situation in Libyen und in der Region insgesamt“ gesprochen.
Moskau scheint sich dauerhaft in Haftars Reich einrichten zu wollen. Libyen ist eine wichtige Drehscheibe für Moskaus Aktivitäten in afrikanischen Ländern wie Mali, der Zentralafrikanischen Republik oder Sudan geworden. Es wäre keine sonderliche Überraschung, sollten die Berichte stimmen, laut denen Moskau neben den schon bestehenden Luftwaffenbasen nun auch an einer Marinepräsenz arbeitet. Kurz vor dem Besuch des stellvertretenden russischen Verteidigungsministers meldete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf libysche Regierungsmitarbeiter und Berater, Moskau habe mit der Haftar-Führung über langfristige Andockrechte in ostlibyschen Häfen verhandelt. Russland habe um Zugang zu den Häfen von Benghasi oder Tobruk gebeten. Dort sollte die russische Marine die Möglichkeit haben, ihre Schiffe aufzutanken, zu versorgen und zu reparieren.
Offiziell wurden diese Berichte nicht bestätigt. Es ist auch immer Misstrauen angebracht, wenn allein die Berichte russischen Interessen nutzen. Im Westen blickt man schon länger mit Sorge auf Haftars Allianz mit Putin. Gerade die USA arbeiten daran, der russischen Expansion in Afrika entgegenzuwirken. Die Präsenz in der Nähe von NATO-Staaten wie Griechenland oder Italien ist eine militärische Bedrohung für die Allianz. Laut Einschätzung westlicher Diplomaten zielt Putin darauf ab, Europa mit der weiteren Zuspitzung von Migrantenströmen weiter in die Knie zu zwingen. Schon jetzt gehen regelmäßig Flüge aus den Regionen Syriens, die von Putins Schützling Baschar al-Assad kontrolliert werden, in den Osten Libyens. Von dort aus geht es mit der Hilfe von Haftars Leuten weiter nach Europa. Grundsätzlich hat die Zahl der Boote, die aus Ostlibyen in See stechen, zugenommen.
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