Die Situation der islamischen Gemeinschaften in Europa bleibt ein kontroverses Thema, das in den Wahlkämpfen vieler europäischer Länder zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dies wurde durch politische Polarisierungen nach dem Gaza-Krieg und einer Welle von Terroranschlägen verstärkt, insbesondere durch den Messerangriff in Deutschland im August 2024, bei dem drei Menschen ums Leben kamen. Dieses tragische Ereignis hatte weitreichende Auswirkungen auf die deutsche Politik und veranlasste die Regierung, die vorübergehende Grenzüberwachung auszuweiten, um illegale Migration zu bekämpfen und die Sicherheitsmaßnahmen angesichts öffentlicher Empörung und des Drucks einer überwiegend rechten Opposition zu verschärfen.
Schweden, das traditionell für seine offene Haltung gegenüber Einwanderern bekannt ist, sorgte für Schlagzeilen mit der Ankündigung, jedem Einwanderer, der bereit ist, in sein Herkunftsland zurückzukehren und seine Aufenthaltserlaubnis sowie Staatsbürgerschaft aufzugeben, 350.000 schwedische Kronen (ca. 34.000 US-Dollar) anzubieten.
Diese beispiellosen Maßnahmen werfen Fragen über die langfristige Akzeptanz muslimischer Migration in Europa auf. Werden europäische Länder möglicherweise Maßnahmen wie das „Muslim Ban“ des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ergreifen, das strikte Einreisebeschränkungen für Bürger überwiegend muslimischer Länder vorsah? Und wer trägt die Verantwortung für die Integration von Muslimen in europäische Gesellschaften? Warum scheitert dieser Prozess weiterhin und verstärkt die weitverbreitete Skepsis der Europäer?
Warum zweifeln Europäer an der Friedfertigkeit muslimischer Gemeinschaften?
Laut einer Umfrage des britischen Forschungszentrums Chatham House wurden 10.000 Europäer in zehn Ländern gefragt: „Sollte jegliche Einwanderung aus mehrheitlich muslimischen Ländern gestoppt werden?“ Eine Mehrheit von 55 % antwortete mit Ja, wobei diese Meinung in allen zehn Ländern vorherrschte. In Großbritannien und Spanien war die Zustimmung nicht absolut, doch in anderen Ländern wie Deutschland lag sie bei 53 %. Die stärkste Ablehnung muslimischer Einwanderung verzeichneten Polen (71 %), Österreich (65 %), Ungarn (64 %), Belgien (64 %) und Frankreich (61 %). Diese Zahlen dürften nach den jüngsten Ereignissen weiter gestiegen sein.
Zahlreiche Studien zeigen, dass die Integration von Muslimen in westliche Gesellschaften ein kontroverses Thema bleibt – und das nicht allein aufgrund von Terroranschlägen. Während die meisten Europäer die Mehrheit der Muslime als friedlich betrachten, wird die Ablehnung von Gewalt und Intoleranz als zentrales Problem angesehen. Einige Analysen argumentieren, dass Gewaltfreiheit zwar notwendig, aber nicht ausreichend für ein friedliches Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft ist.
Umfragen belegen, dass viele Muslime die pluralistischen, demokratischen Werte des Westens ablehnen und Gewalt zur „Verteidigung des Islam“ als gerechtfertigt betrachten. Vorurteile gegenüber Juden, LGBTQ+-Personen und Frauen sind unter Muslimen Berichten zufolge stärker verbreitet als in anderen Bevölkerungsgruppen, einschließlich anderer Migranten. Diese Einstellungen nehmen mit zunehmender Religiosität der Befragten zu.
Besorgniserregend ist auch, dass öffentliche Verurteilungen von Gewalt und Extremismus im Namen des Islam durch die „schweigende Mehrheit“ der Muslime selten vorkommen. Bemühungen islamischer Vereinigungen, Muslime zu landesweiten Demonstrationen gegen Gewalt und Terrorismus zu mobilisieren, wie etwa die Kundgebung 2017 in Köln, blieben enttäuschend – es nahmen nur wenige Hundert Menschen teil.
Hingegen mobilisieren prominente islamische Organisationen meist dann, wenn sie glauben, dass der Islam oder „religiöse Gefühle“ beleidigt werden. So sorgten Karikaturen des Propheten Mohammed in dänischen Zeitungen für großen Protest, während terroristische Organisationen, die im Namen des Propheten agierten und ein Kalifat in Europa anstrebten, kaum Reaktionen hervorriefen.
Einfluss des politischen Islams und europäische Ängste
Die Dominanz des politischen Islams in europäischen islamischen Institutionen weckt Skepsis. Gruppen wie die Muslimbruderschaft und Hizb ut-Tahrir, die oft als gewaltfrei gelten, vertreten Ideologien, die denen dschihadistischer Prinzipien ähneln.
Die österreichische Politikwissenschaftlerin Nina Scholz argumentiert, dass der politische Islam in den letzten 45 Jahren zum Mainstream islamischer Diskurse geworden ist. Die Ideologien religiösen Extremismus’, Intoleranz und die Einteilung von Menschen in Muslime und „Ungläubige“ sind in muslimischen Gemeinschaften, auch in Europa, weit verbreitet. Scholz warnt, dass Massenzuwanderung aus Ländern mit solchen Ideologien das kulturelle Klima in Europa zwangsläufig verändern und das friedliche Zusammenleben in demokratischen Gesellschaften gefährden werde.
Verschwörungstheorien der extremen Rechten, wie der „Große Austausch“, nähren ebenfalls Ängste vor einer muslimischen Dominanz in Europa. Diese Theorien behaupten, dass höhere Geburtenraten in muslimischen Familien in Kombination mit anhaltender Migration dazu führen könnten, dass Muslime in europäischen Ländern zur Mehrheitsbevölkerung werden. Studien von Pierre und Alexandra Roustan prognostizieren, dass Muslime in Schweden, Frankreich und Griechenland innerhalb von 100 Jahren die Mehrheit stellen könnten, und ähnliche demografische Verschiebungen werden bis 2200 auch in anderen Ländern erwartet.
Wer trägt die Verantwortung für das Scheitern der Integration?
Experten kritisieren, dass europäische Führer und Politiker in Brüssel den zunehmenden Rassismus und die Islamophobie nicht ausreichend angehen. Durch die Übernahme rechter, einwanderungsfeindlicher Rhetorik verschärfen sie das Problem. So beinhaltete die Reaktion des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz auf den Messerangriff im August 2024 verschärfte Abschiebungsverfahren, Grenzkontrollen und Waffenregelungen – Maßnahmen, die oft alle Migranten und Flüchtlinge, insbesondere Muslime, stigmatisieren.
Kritiker bemängeln die mangelnde Verhältnismäßigkeit bei der Reaktion auf rechtsextreme Angriffe oder Polizeigewalt gegen Minderheiten, die oft unbeachtet bleiben oder heruntergespielt werden. Die Weigerung, den Islam als Teil des europäischen Erbes anzuerkennen, verzögert die Integration zusätzlich.
Gleichzeitig erschwert das Fehlen einer einheitlichen, glaubwürdigen Vertretung für Muslime die Integrationsbemühungen. Die meisten islamischen Organisationen stehen unter Verdacht, politische Interessen zu verfolgen, die mehr mit ausländischen als mit europäischen Werten übereinstimmen. Moscheen werden oft von ausländisch ausgebildeten Imamen dominiert, die europäische Geistliche und reformorientierte Stimmen marginalisieren und diese oft als Verräter bezeichnen.
Fazit
- Die Annahme, Muslime seien eine monolithische Gruppe, die westliche Werte ablehnt, ist falsch. Generationen- und Kulturunterschiede unter europäischen Muslimen widerlegen dieses Klischee.
- Die Darstellung von Muslimen als existenzielle Bedrohung spiegelt vergangene Vorurteile gegenüber Juden wider, fördert Diskriminierung und dient als bequemer Sündenbock für gesellschaftliche Probleme.
- Die Einbeziehung islamischer Geschichte und Werte in europäische Lehrpläne könnte das Verständnis fördern und Falschinformationen, die durch voreingenommene Medien und soziale Plattformen verbreitet werden, entgegenwirken.
Die Herausforderungen rund um die Integration von Muslimen in Europa sind komplex und von politischen, kulturellen und sozialen Dynamiken geprägt. Eine Lösung erfordert differenzierte Strategien, die Brücken bauen, statt Gräben zu vertiefen.