In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich in Deutschland muslimische Organisationen etabliert, die einen ausdrücklich gesellschaftlichen und politischen Anspruch haben. Für diese Entwicklung des politischen Islams kann die Erfolgsgeschichte des muslimischen Inssan e. V. in Berlin und der dahinter stehenden Islamic Relief als beispielhaft angesehen werden.
Ausgangssituation
Seit Mitte der 1990er Jahre wurden in Deutschland auch Integrations-Debatten geführt, wie die Kontroversen über „Leitkultur“ versus „Multikulti“. Bald bildeten sich abgegrenzte Lager, deren Mitglieder sich nicht scheuten, klare Positionen zu äußern. Besonders prominent waren dabei zwei Politikerinnen, die damalige Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth und die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, CDU. Bei den Grünen ist es nicht nur Claudia Roth. Im November 2000 sagte Christian Ströbele (MdB):
„Die Grünen haben sich stets mit dem Begriff der multikulturellen Gesellschaft identifiziert. Sie ist nach wie vor Ziel bündnisgrüner Politik. Multikultur, viele Kulturen blühen lassen, ist in der gegenwärtigen Einwanderungsdebatte der beste Gegenbegriff zur ominösen ’deutschen Leitkultur.‘“
Im November 2004 plädieren die Parteivorsitzenden der Grünen, Bütikofer und Roth, für eine neue Begründung der multikulturellen Gesellschaft:
„Es ist in der bundesrepublikanischen Debatte ein Feuer der Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit ausgebrochen. Es schwelte vorher schon. Wir müssen es wieder gelöscht bekommen. Es geht um die multikulturelle Gesellschaft, es geht zugleich um die Freiheit. Denn ohne Multikulturalität ist in modernen Gesellschaften Freiheit nicht buchstabierbar. Wir Grüne sind seit langem Pioniere der „Multikulturalität“. Sie steht für eine unbestreitbare Realität und zugleich für ein starkes Freiheitsideal, das unterschiedliche Lebensweisen achtet. Multikulturalität verweist dabei nicht nur auf ethnische und religiöse Pluralität, sondern auf den Pluralisierungsprozess westlicher, postmoderner Gesellschaften überhaupt. Dahinter steht eine Kultur des Respekts, die „abweichende Lebensweisen“ anerkennt, nicht nur duldet oder erlaubt. […] Die Fähigkeit, Deutsch zu sprechen, ist ein Schlüssel für die Teilhabe an unserer Gesellschaft. Deshalb haben wir uns im Zuwanderungsgesetz für ein verpflichtendes Angebot an Sprachkursen eingesetzt.“
Dieser Nachdruck auf Deutsch als gemeinsame Sprache ist dann auch das ‚Verbindungselement‘ zu Rita Süssmuth, CDU, 1988 bis 1998 Bundestagspräsidentin, 2000 zur Vorsitzenden einer Unabhängigen Kommission Zuwanderung berufen, die im Juli 2001 einen umfangreichen Bericht „Zuwanderung gestalten – Integration fördern“ vorlegte, in dem es u. a. heißt (S. 200):
„Die Bereitschaft zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse sowie die Anerkennung des Grundgesetzes, seiner Werte und unserer Rechtsordnung sind notwendige Bedingungen für die Integration. Integration ist ein gesellschaftlicher Prozess, in den alle in einer Gesellschaft Lebenden jederzeit einbezogen sind. Unverzichtbar ist der Integrationswille. Dieser Integrationswille äußert sich darin, dass sich jeder Einzelne aus eigener Initiative darum bemüht, sich sozial zu integrieren. Dies gilt für Einheimische wie Zugewanderte. Als politische Aufgabe zielt Integration darauf ab, Zuwanderern eine gleich-berechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unter Respektierung kultureller Vielfalt zu ermöglichen.“
Hier können Sie die Studie als PDF herunterladen