Emmanuel Macron, Präsident Frankreichs, hat in einer Stellungnahme eine direkte Verbindung zwischen der Terrorattacke in Moskau Ende vergangenen Monats und vereitelten Anschlägen auf französischem Boden hergestellt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK) habe „in den vergangenen Monaten mehrere Anschlagsversuche in Frankreich“ unternommen, sagte Macron. Die ISPK wurde 2014 von übergelaufenen Taliban- und Al-Qaida-Mitgliedern in Pakistan und Afghanistan gegründet und hat sich zu dem Anschlag in Moskau am vergangenen Freitag bekannt.
Bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats im Élysée-Palast ist entschieden worden, die Alarmschwelle auf die höchste Stufe anzuheben. Frankreich hat seit 1995 einen Terrorpräventionsplan, „Vigipirate“, der drei Alarmstufen vorsieht. Seit Jahresbeginn galt die zweite Stufe „verstärkte Attentatsgefahr“, jetzt wurde die höchste Stufe „Notfall Attentat“ ausgerufen. Die Maßnahme dient in erster Linie dazu, die Zahl der Polizisten aufzustocken, die den Schutz besonders gefährdeter Orte garantieren. Gefährder können unter Hausarrest gestellt werden, Demonstrationen und andere Menschenansammlungen mit Verweis auf die Sicherheitslage verboten werden. Auch Grenzkontrollen können verhängt werden. Die Regierung kann nun aus 300 Schutzmaßnahmen auswählen, während die erste Stufe nur 100 Schutzmaßnahmen vorsieht.
Premierminister Gabriel Attal teilte mit, die Terrororganisation ISPK bedrohe Europa. „Die Organisation war in jüngster Zeit an mehreren vereitelten Anschlagsplänen in europäischen Ländern, darunter Deutschland und Frankreich, beteiligt“, so der Premierminister. So soll die Terrororganisation im Dezember 2023 einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg geplant haben. Am 23. Dezember wurden fünf verdächtige Männer aus Zentralasien in Nancy und in zwei Nachbargemeinden festgenommen, am 31. Dezember wurden drei verdächtige Islamisten in der Nähe von Köln festgenommen. Die Polizei war an Heiligabend mit einem großen Aufgebot am Kölner Dom im Einsatz gewesen, um einen möglichen Terrorangriff auf die Kathedrale zu vereiteln. Die Terrorverdächtigen in Deutschland und Frankreich sollen dem gleichen Netzwerk von IS-K angehören. In Paris wird auch auf die Festnahme von zwei Afghanen am 19. März durch die deutsche Polizei in Gera verwiesen. Ihnen wird vorgeworfen, einen Anschlag auf das schwedische Parlament in Stockholm vorbereitet zu haben. Die beiden Anhänger des ISPK sollen ihre Attacke als Rache für die Koran-Verbrennungen in Schweden geplant haben.
In Frankreich fand nach Angaben des Innenministeriums eine Überprüfung aller „Risikoprofile“ statt. In einer Dienstanweisung an die Präfekten wurden erhöhte Schutzmaßnahmen wie die verstärkte Überwachung von Gefährdern sowie ein erhöhtes Aufgebot von Sicherheitskräften an besonders sensiblen Orten angeordnet. Der Anschlag auf die Konzerthalle in Moskau wird gemeinhin als „russisches Bataclan“ verstanden. Am 13. November 2015 hatten drei schwer bewaffnete Terroristen während des Auftritts der Band Eagles of Death Metal im Pariser Konzertsaal Bataclan Hunderte Konzertbesucher als Geiseln genommen. Die Terroristen feuerten mit Kalaschnikow-Sturmgewehren und warfen Handgranaten in die Menge. Insgesamt 89 Menschen starben in dem Konzertsaal. In Frankreich wird zudem darauf verwiesen, dass auch die beiden Lehrer Samuel Paty und Dominique Bernard von radikalisierten Islamisten aus Tschetschenien und Inguschetien ermordet wurden.
Präsident Macron bot Russland eine Sicherheitskooperation an. Das war eine deutliche Abkehr von seiner zuletzt von Härte geprägten Haltung gegenüber Moskau. Marine Le Pen wiederum will den „wahren Feind des Westens“, den radikalen Islamismus, identifiziert haben. Ihre Partei Rassemblement National (RN) verfolgt die Russlandpolitik Macrons kritisch. „Die große Gefahr unserer Gesellschaften (…) ist offensichtlich der Islamismus“, sagte RN-Sprecher Sébastien Chenu im Sender BFM-TV.
Vier Monate vor den Olympischen Spielen in Paris plant Frankreich, die Austragungsorte mit einem Großaufgebot von 45.000 Polizisten abzusichern, zusätzlich verstärkt durch Soldaten. Für die Polizisten im Großraum Paris sind Zulagen in Höhe von 1.900 Euro geplant, damit sie im Sommer zur Verfügung stehen. Die Direktorin des zentralen Inlandsgeheimdienstes DGSI warnte bereits am 5. März vor dem Rechtsausschuss des Senats vor der „Rückkehr der islamistisch-terroristischen Bedrohung“. Die Terrororganisationen hätten Olympia im Visier, um zur Tat zu schreiten, sagte sie. Berthon bezeichnete die Terrornetzwerke als „dynamisch“. „Sie zeichnen sich durch jugendliche Profile aus, die online sehr aktiv sind, hoch gewalttätige Inhalte konsumieren und in der Lage sind, mit einfachen Mitteln schnell zur Tat zu schreiten“, sagte die Geheimdienstchefin. „Dies stellt unsere Dienste vor große Herausforderungen.“ Der Inlandsgeheimdienst DGSI als federführende Behörde im Kampf gegen den Terrorismus habe in Vorbereitung auf die Olympiade eine Ad-hoc-Struktur geschaffen, die alle Indizien auf eine terroristische Bedrohung zentralisiert und weiterverfolgt. So solle sichergestellt werden, dass keine Lücken bei der Informationsweitergabe entstehen.
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