Die italienischen Asylzentren in Albanien, ein Kernstück von Melonis Migrationspolitik, sind weiterhin Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Sie sollen dafür sorgen, dass offensichtlich unbegründete Asylgesuche von Mittelmeermigranten rasch behandelt werden und die Migranten aus den Zentren direkt in ihre Herkunftsländer zurückgeschafft werden können. Das Projekt, das in der EU-Kommission als innovativer Ansatz gelobt und mit Interesse verfolgt wird, kommt nicht voran. Erst verzögerten sich die Bauarbeiten. Und als die Zentren im letzten Sommer endlich fertiggestellt waren, stellte sich Italiens Justiz quer. Gleich zwei Mal lehnten Gerichte die Festsetzung von Migranten in den geschlossenen Zentren ab. Die Regierung liess sich dadurch nicht beirren, änderte per Dekret die gerichtlichen Zuständigkeiten und überführte ein drittes Kontingent von 49 Migranten von Lampedusa nach Albanien.
Ermutigt fühlte sie sich durch ein kürzlich erfolgtes Urteil des Obersten Gerichtshofes des Landes, das der Regierung vermeintlich mehr Spielraum gab. Doch auch beim dritten Anlauf klappte es nicht. Das Appellationsgericht in Rom hält die Rechtslage nach wie vor für unklar und spielt den Ball, wie schon in den beiden vorangegangenen Fällen, dem Europäischen Gerichtshof zu. Dieser soll gemäss Medienberichten am 25. Februar ein Grundsatzurteil zum Vorgehen der italienischen Behörden fällen.
Die Migranten, die Mitte Januar in internationalen Gewässern vor der Mittelmeerinsel Lampedusa von der italienischen Kriegsmarine und der Finanzpolizei aufgenommen und dann nach Albanien gebracht wurden, stammen mehrheitlich aus Bangladesch, einige wenige aus Ägypten, der Elfenbeinküste und Gambia. Die Regierung in Rom hat insgesamt 19 Herkunftsländer als sicher eingestuft. Dorthin sollen nach Vorstellung des Kabinetts Meloni erwachsene männliche Migranten abgeschoben werden, nachdem in den Lagern in Albanien festgestellt wurde, dass sie nicht vulnerabel sind. Fünf der ursprünglich 49 Migranten, die am 28. Januar in Albanien ankamen, waren minderjährig, einer war krank, sodass im Laufe der Woche bereits sechs Männer nach Bari gebracht worden waren. Jetzt stehen die Lager in Shëngjin und Gjadër, deren Bau und Betrieb für zunächst fünf Jahre nach Schätzungen der Regierung in Rom 650 Millionen Euro kosten wird, abermals leer.
Konkret hatten die Richter lediglich die Haftbeschlüsse der in Albanien festgesetzten Migranten zu prüfen. Deren Asylanträge wurden bis auf eine Ausnahme von den zuständigen Behörden bereits als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Nach dem Richterspruch wurden die Migranten von Albanien nach Italien geführt, wo sie den Ablauf der Rekursfrist abwarten dürfen. Das Urteil kommt zu einem Zeitpunkt, in dem der Streit zwischen der Justiz und der Regierung einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Erst kürzlich wurde bekannt, dass gegen die Regierungschefin Giorgia Meloni und weitere Regierungsmitglieder eine Anzeige eingegangen ist, weil die italienischen Behörden den vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchten Chef der libyschen Kriminalpolizei nach der Festnahme wieder freigelassen und mit einer Regierungsmaschine nach Tripolis ausgeflogen haben.
Meloni hat ungeachtet der dritten Niederlage vor Gericht und scharfer Kritik der Opposition versichert, ihre Regierung werde am „Modell Albanien“ zur Abschreckung von illegalen Migranten ohne Aussicht auf Asyl festhalten. Ob weitere Migranten nach Shëngjin und Gjadër verbracht werden, ehe der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am 25. Februar ein Grundsatzurteil zur Frage der sicheren Herkunftsländer fällt, ist fraglich. In allen drei Fällen hatten sich die italienischen Richter auf einen vorläufigen Spruch des EuGH von Anfang Oktober 2024 bezogen, wonach ein Herkunftsland nur dann von einem der 27 EU-Staaten als sicher eingestuft werden kann, wenn dies für dessen gesamtes Hoheitsgebiet gelte. Weder die einzelnen EU-Staaten noch die EU-Kommission in Brüssel verfügen über eine einheitliche Liste sicherer Herkunftsländer.
Offensichtlich ist Meloni gewillt, den Kampf gegen die Justiz weiterzuführen, das gilt auch für den Fall der Asylzentren in Albanien. Auch den neusten Urteilsspruch quittierten Regierungsmitglieder mit kämpferischem Unterton. Nach Medienberichten denkt die Regierung bereits über neue legislatorische Maßnahmen nach, um die Zentren doch noch zum Laufen zu bringen.
Auf das dritte Urteil gegen das „Modell Albanien“ reagierte Meloni mit heftigen Angriffen in Videos, die sie über die sozialen Medien verbreiten ließ. In den Videos versichert eine überaus kämpferische Meloni, sie lasse sich „weder einschüchtern noch erpressen“, sie werde ihren Weg „erhobenen Hauptes und ohne Angst“ fortsetzen. Ihre Gegner in der Justiz fordert sie auf, diese sollten sich um ein gewähltes Amt bewerben, wenn sie regieren und linke Politik durchsetzen wollten, statt dies im Schutzmantel der Talare von Staatsanwälten und Richtern und außerdem gegen den Mehrheitswillen des Wahlvolkes zu tun.