Im August diskutierte MENA Research Center gemeinsam mit Jędrzej Czerep, dem Leiter des Nahost – und Afrika – Programms am Polnischen Institut für Internationale Angelegenheiten (PISM) den Krieg im Sudan und die damit verbundenen Herausforderungen. Der Sudan liegt Herrn Czerep besonders am Herzen, da er ein paar Feldstudien sowohl im Südsudan als auch im Sudan durchgeführt und eine Doktorarbeit über die politische Kultur dieser Länder abgeschlossen hat. Das Interview wurde von Denys Kolesnyk, einem französischen Berater und Analysten, durchgeführt.
Angesichts Ihres reichen Hintergrunds und der außergewöhnlichen Kenntnis des Sudan, lassen sie uns mit den ersten Fragen zu diesem Land beginnen. Eine der jüngsten Herausforderungen in der MENA – Region ist offensichtlich der bewaffnete Konflikt im Sudan. Wie würden Sie die Dynamik erklären, die zu diesem Konflikt geführt hat?
Die Dynamik war vor allem in Inland überwältigend. In der Tat hat sich dieser Konflikt erst vor kurzem so internationalisiert. Der Sudan wurde nach der Diktatur von Omar al-Bashir, der 2019 gestürzt wurde, einem schwierigen Transformationsprozess unterzogen. Seitdem gab es eine große Frage für den Sudan, und zwar, ob man mit dem gleichen Modell von Staaten weitermachen soll, die Bashir gebaut hat, oder sie wirklich zu transformieren.
Es gab ein Powersharing – Abkommen zwischen den militärischen Akteuren und den neuen zivilen Parteien ab 2019, welches im Jahr 2020 ergänzt wurde, als einige der ehemaligen Rebellen beigetreten sind. Diese Personen bevorzugten es ihre Angelegenheiten “auf ihre Art und Weise zu regeln”. Die beiden obersten militärischen Generäle, Abdel Fattah al-Burhan, Leiter der offiziellen Armee und Mohamed Dagalo „Hemedti“, der Chef der sogenannten Rapid Support Forces (RSF), im Volksmund auch als Janjaweed (oder auch Darfurs Genozider) bezeichnet, sind die zwei wichtigen Protagonisten im aktuellen Konflikt. Beide arbeiteten lange Zeit zusammen, um staatliche Reformen zu verhindern. Dieser Zielsetzung schlossen sich schlussendlich auch die Rebellen an. 2021 schließlich stürzten beide die gemeinsame zivilie Regierung, die im Oktober 2021 ursprünglich die Macht im Staat hätte teilen sollen, um das alte Kernsystem des Sudan entsprechend weiterzuführen.
Eben jenes alte Staatssystem basierte auf der Existenz einer parallelen Wirtschaft und einer parallelen Machtstruktur, die in den Händen verschiedener militärischer Akteure lag und für die Zivilbevölkerung und das Finanzministerium unerreichbar war.
Mit anderen Worten, diejenigen, die den Sudan wirklich auf den richtigen Weg bringen wollten und das Land entsprechend weiterentwickeln wollten, hatten in Wahrheit im Sinn die Macht des Militärs an sich zu reißen und sie den zivilen Strukturen des Landes zurückzugeben. Diese Planungen riefen eine Gegenreaktion der militärischen Akteure hervor, die weiterhin an der Macht waren und auch beabsichtigten, ihren aufgebauten Machteinfluss einsprechend zu behalten.
Entscheidend ist, dass der Sudan seit 2019 eine beispiellose Welle der Bürgermobilisierung erlebte. Diese Mobilisierung nahm nach dem Putsch im Jahre 2021 zu. Wenn wir nach den representativsten Beispielen suchen, wo Demokratie beginnt lebendig zu werden ist dies dort, wo Demokratie Menschen inspiriert und wo die Menschen für Demokratie und Freiheit bereit sind einzustehen. In diesen Fällen werden wir jedoch schnell enttäuscht, da in der heutigen Zeit in großen Teilen demokratischer Staaten eine Rückwärtsentwicklung beobachtet werden kann. Beispiele dafür sind etwa Ungarn oder die Türkei. Es ist weitaus schwieriger einen Ort zu finden, an welchem Demokratie sich in eine positive Richtung entwickelt. Wenn wir in Europa die Ukraine als Symbol des Kampfes für Demokratie, Freiheiten und der Weiterentwicklung ansehen, so ist dies der Sudan für Afrika und den Nahen Osten.
Die erste Phase des aktuellen Konflikts im Sudan war also die Spannung zwischen den militärischen Akteuren, die ihre Macht bewahren, und den zivilen Kräften, die eine echte Transformation im Land vorantreiben wollten. Gleichzeitig beabsichtigten die zivilen Strukturen wie bereits erwähnt das Militär zu entmachten. Aus diesem Grund sind sowohl die Armee des Sudan, als auch die angesprochene RSF in den Konflikt involviert. Paradoxerweise beziehen sich beide dieser militärischen Akteure auf das Vermächtnis der Revolution aus dem Jahr 2019 und auf die Bewegungen, die daraus entstand.
Hinzu kommt eine innere Spannung zwischen verschiedenen regierenden militärischen Akteuren, was in einem land wie dem Sudan, mit de facto zwei Armeen unvermeidlich erscheint, speziell wenn beide Akteure aus unterschiedlichen geografischen und sozialen Hintergründen abstammen. Hemedti, seiner fehlenden formalen Bildung, wurde schnell zum mächtigsten, reichsten und einflussreichsten Mann im Sudan und möglicherweise der gesamten Region. Seine Kräfte bildeten wahrscheinlich die größte Privatarmee der Welt. Es ist davon auszugehen, dass selbst Russlands „Wagner“ – Gruppe ein wenig von Hemedtis Kräften inspiriert wurde, und nicht umgekehrt. Speziell westliche Experten neigen dazu die russische Rolle in Afrika zu überschätzen und wiederum die afrikanischen Player zu unterschätzen.
Hemedtis Ambitionen, die Kontrolle über den gesamten Staat zu übernehmen, war für alle Sudanesen etwas naheliegend und wenig überraschend. Dieser Umstand wurde jedoch von der diplomatischen Welt nie wirklich anerkannt. Der Westen glaubte an das Spiel Hemedtis – welches im Übrigen auch Burhan spielte – ein loyaler Staatsmann zu sein, und waren sich der Tiefe und dem Potenzial der Bürgermobilisierung nicht bewusst. So war es sowohl Hemedti als auch Burhan möglich ihre täglichen Gräueltaten, sei es das Massaker an Demonstranten während einem “Sit – In” im Juni 2019 (ein Vorfall, vergleichbar mit einem sudanesischen „Maidan“) oder der Staatsstreich vom 25. Oktober 2021. Immer dann, wenn sich diese machthungrigen militärischen Akteure in ihrem Handeln in irgendeiner Art und Weise bedroht fühlten, reagierten sie umgehend mit Gewalt. Normalerweise müsste ein derartiges Handeln diese Personen für immer disqualifizieren, jedoch hielt die diplomatische Community sie weiterhin für die rechtmäßigen Staatsmänner des Landes, welche berechtigt sind, am Ruder des Staates zu sitzen und sich die Macht zu teilen. Vermutlich entstand diese Ansicht daraus, dass man das Militär als “stabilisierenden” Faktor in solch einer Situation benötigt. Die Realität jedoch zeigte, dass je mehr Macht die handelnden Akteure bekamen, desto mehr Chaos und Gewalt verursachte dies. Die hat sich bis heute nicht geändert. Im Nachhinein stellte sich dies als ein fundamentaler Fehler heraus. Diese militärischen Akteure wurden eingesetzt, um politische Gewalt als einen Weg zu sehen, ihre Ziele zu erreichen, was zu der gegenwärtigen Konfrontation als logische Krönung führte.
Jene Dynamik, die den Sudan wirklich zu einem leuchtenden Stern von Inklusivität und bürgerlichem Engagement machen hätte können, wurde verfehlt. Stattdessen wurde das Schlimmste des Sudans – Tribalismus, gewalttätige Militanz, mafiaartig staatliche Strukturen rehabilitiert und sogar nachhaltig gestärkt, um die einzige Antriebskraft im Land zu werden.
Der aktuelle Krieg brach aus, als ein wackeliger und kaum durchsichtiger Plan vereinbart werden sollte, wie man die Streitkräfte und Milizen unter einer Herrschaft vereinheitlichen und das Powersharing – Abkommen entsprechend aufbauen konnte. Gleichzeitig glaubten die Hardliner – Islamisten, die Überreste des alten Bashir – Regimes um die Armee und viele Mitglieder der zivilen Parteien, die an der Macht teilhaben durften, naiv, dass die RSF ihr Schild gegen sie gewesen sein könnte und eine Kraft, die sie wieder an die Macht bringen würde. All jene, die erbittert eine Rückkehr der Armee in die Kasernen des Landes, die Machtentbindung der RSF forderten und darauf drängten, dass die zivilen Parteien des Landes keine weiteren Kompromisse mit den Militärs eingehen, wurden bitterlich enttäuscht.
Als der Krieg ausbrach, waren die sudanesischen Menschen überwältigend gegen sie. Dieser Krieg wiederspricht auch sämtlichen Interessen aller Nachbarn. Aber keiner dieser Nachbarstaaten hatte eine echte Hebelwirkung auf die wichtigsten Protagonisten im Sudan, um die Kämpfe zu beenden, bzw. welche neuen Vereinbarungen zielführend für die sudanesische Bevölkeurng wären.
Man konnte immer wieder neue diplomatische Initiativen sehen, die die gleiche Idee wiederverwerten, dass die militärischen Akteure des Landes an der Macht stehen sollten und die Macht zwischen sich und einigen elitären Parteien teilen sollten.
Der Staat existierte de facto nicht mehr und führte keine Funktionen mehr aus. Diese Funktionen wurden auf sämtlicher lokaler Ebene übernommen, nämlich auf der Straße durch die Widerstandsausschüsse.
Mit der Zeit regionalisierte sich dieser Konflikt, wenn nicht internationalisiert. Wir können hier ganz offensichtlich die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erwähnen, die dort der wichtigste und mächtigste Akteur sind, ein externer Akteur, der die RSF unterstützt.
Ich möchte Sie fragen, welche Art von externen Akteuren im Sudan eine Rolle spielen? Außerdem erinnern wir uns alle daran, dass Russland unter Baschir eine Marinebasis in Port Sudan haben wollte. Ich frage mich, welche Art von Rolle Russland in diesem Konflikt hat oder haben könnte?
Nun, wir müssen verstehen, dass Hemedti seinen Geschäften in Dubai nachgeht. Diese Stadt ist ein Ort, an dem schmutziges Gold aus Afrika verarbeitet wird. Es gibt dort auch russische Interessen, vor allem nachdem die westlichen Sanktionen nach der russischen Invasion in der Ukraine verhängt wurden, kamen viele wohlhabende Russen dorthin.
Die Emiratis lieferten die Waffen an die Rapid – Support – Kräfte und versorgen diese noch immer mit Waffen. Zuerst versorgten sie die RSF über Libyen, wo die Streitkräfte von General Haftar ziemlich stark von den VAE beeinflusst werden. Anschließend wurde die RSF über die Zentralafrikanische Republik (CAR)versorgt, wo es russische Wagner – Kräfte auf beiden Seiten der Grenze gibt. Dieses Land ist der Hauptschauplatz der Operationen der Wagner – Gruppierung und zugleich auch der Ort, wo ihre Anwesenheit am weitesten ausgebaut ist.
Aber auch auf der sudanesischen Seite gab es das Wagner – Gruppierungen, vor allem im Grenzgebiet zwischen der Zentralafrikanischen Republik und der Provinz Darfur. Im vergangenen Juni, als die Ortschaft Umm Dafouk in jenem Gebiet, wo beide Gebiete der Konfliktparteie aufeinandertreffen von Mitgliedern der Rapid Support Forces eingenommen wurde, eröffnete sich eine weitere sichere Linie für die Waffenlieferungen aus der CAR nach Darfur. Beispielsweise wurden MANPADS von Wagner – Truppen über diese Route in den Sudan geschmuggelt.
Aber angesichts der Tatsache, dass Prigozhin vor kurzem vermutlich von Russland ausgeschalten wurde, wird nun die Zukunft der russischen Waffenlieferungen und der russischen Involvierung in den Konflikt im Sudan in Frage gestellt. Aktuell wissen wir nicht, wie sich das auf die Zukunft des Konflikts auswirken würde.
Wir müssen uns daran erinnern, dass die Russen im Sudan sowohl Beziehungen als auch Interessen mit beiden Konfliktparteien pflegten. Daher überlebten sie so ziemlich alle politischen Turbulenzen in den letzten Jahren, weil Russland in der Lage war mehrere Karten gleichzeitig zu spielen. Russland hat nicht wirklich alle seine Befugnisse zur Unterstützung einer Seite in diesem Konflikt gesetzt. In seiner außenpolitischen Strategie verhielt sich Moskau immer ein wenig zweideutig und legte nicht alle Eier in einen Korb.
Moskau verfolgt den “abwarten und beobachten Ansatz”, wobei die Wagner – Gruppe die Rapid – Support – Kräfte geringfügig logistisch unterstützt, da sie in letzter Zeit Russlands wichtigster Partner im Bereich Gold waren. Gleichzeitig bleibt Russland offen für sämtliche andere Lösungen in der Konfliktfrage. Wenn man sich die Küste des Roten Meeres anschaut, wo Russland hofft, eine maritime Basis zu schaffen, dann ist es offensichtlich nur eine formelle militärische Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene, die vorangetrieben hätte werden können. Jedoch würde dies wiederum Protagonisten wie die Wagner – Gruppe benachteiligen.
Wenn wir uns die Region Darfur an der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik im Detail anschauen, so wird deutlich, dass es für Russland ein natürlicher Schritt war sich durch Söldner und die Unterstützung gegenüber der RSF in den Konflikt einzubringen. Gleichzeitig ist es notwendig klarzustellen, dass Russland kein bedeutender Akteur im Sudan ist, und auch keine treibende Kraft im Konflikt darstellt.
Was die Vereinigten Arabischen Emirate betrifft, so gibt es eine große Frage, auf die wir die Antwort nicht kennen. Richten die Emirate ihre direkten Versorgungswege an der Grenze vom Tschad in den Sudan ein? Bereits in der Vergangenheit bauten die Emiratis etwas in einer abgelegenen tschadischen Stadt namens Amdjarass, aus der der ehemalige Präsident Idriss Deby bejubelt wurde. Laut der offiziellen Schilderung soll es sich dabei um ein Krankenhaus für die Flüchtlingshilfe handeln. Jedoch beanspruchte der Bau der Anlage Dutzende von Flügen, eine Menge an Ausrüstung und Equipment, sowie verdeckte Operationen. Diese Umstände verursachten einen nachhaltigen Verdachtsmoment, dass es sich bei er Anlage nicht nur um ein Flüchtlingshospital handeln könnte. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, dass es sich dabei um eine Versorgungseinrichtung für verwundete Kräfte der RSF handeln könnte.
Sollte sich der Verdachtsmoment bewahrheiten, würde dies den Tschad in eine heikle politische Position bringen, da N‘ Djamena nicht in diesen Konflikt weder auf die eine, noch auf die andere Seite gezogen werden will. Eine Involvierung ginge völlig gegen die Interessen des Tschad.
Der Tschad grenzt an den Sudan und jene Opfer des Krieges und der ethnischen Säuberungen, die von den schnellen Unterstützungskräften, insbesondere in West – Darfur, verübt wurden, kommen im Tschad an. Die tschadische Bevölkerung empfängt die Flüchtlinge entsprechend herzlich. Ein wichtiger Teil der tschadischen Armee und der tschadischen Bevölkerung ist den Betroffenen gegenüber sehr warmherzig eingestellt.
Es gibt auch Befürchtungen, dass die Rapid-Support-Kräfte versuchen könnten, den Tschad zu übernehmen, wenn sich für Selbige eine Chance durch einen Sieg im Sudan ergeben würde. Daher ist es eine existenzielle Bedrohung für den Tschad, welche die Regierung in N‘ Djamena überaus ernst nimmt.
Eine andere Macht ist Ägypten. Kairo würde die sudanesische Armee in diesem Konflikt wiederum lieber unterstützen, wenn auch nur in begrenztem Umfang.
Wenn wir uns irgendeine Art von Krise oder Rivalität in dieser Region anschauen, dann spielen die meisten dieser Konflikte zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten statt, welche regelmäßig die gegnerischen Seiten unterstützen. Ägypten unterstützt zum Beispiel die reguläre Armee des Sudan, während die Vereinigten Arabischen Emirate diese paramilitärische Gruppe unterstützen. Aber auch die russisch – ukrainische Beziehung ist interessant, vor allem, nachdem vor kurzem ukrainische Techniker eingetroffen waren, um die sudanesischen Kampfjets aus der Soviet – Zeit entsprechend zu warten, und sie einsatztauglich für Angriffe gegen die von Russland unterstützten Rapid-Support-Kräfte zu machen.
Und das führt uns zu einer weiteren, allgemeineren Frage: Wie kann angesichts der Tatsache, dass der Krieg im Sudan wütet, die Sicherheit am Roten Meer und auf der Arabischen Halbinsel beeinträchtigt werden?
Aktuell ist die Küste des Roten Meeres des Sudan kein Kriegsschauplatz. Die Kriegshandlungen werden vor allem im Westen des Landes, in Darfur und den umliegenden Gebieten, und der Hauptstadt Khartum geführt.
Die Küste des Roten Meeres ist fest in den Händen der Armee. Hier ist auch die internationale Gemeinschaft nach wie vor präsent. Die Botschaften werden aus der Hauptstadt Khartum evakuiert und teilweise in Port Sudan wieder eröffnet. Über Port Sudan laufen auch Evakuierungen und Befreiungsaktionen von humanitären Organisationen.
Wieder einmal ist es wert, zu sagen, dass die Emirate als das größte Hindernis für den Frieden angesehen werden können. Die Emirate sind ein Land, das den Konflikt schürt. Saudi – Arabien ist, zumindest theoretisch, jenes Land, welches gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika für den Frieden arbeitet, auch wenn Saudi – Arabien offenkundig die falsche Methodik nutzt. Beispielsweise gab es Gesprächsrunden in Jeddah, die völlig kontraproduktiv waren und keine Ergebnisse einbrachten.
Diese Tatsache lässt die Frage über die Glaubwürdigkeit der Saudis in diesem Teil der Welt zu. In der Regel vertraut der Sudan seinem östlichen Nachbarn nicht. Ich erinnere mich noch, dass 2019, kurz nachdem Bashir gestürzt wurde, Saudi – Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ein Angebot von 3 Milliarden Dollar vorlegten, um den neuen sudanesischen Haushalt zu stabilisieren. Diese Maßnahme hatte das Ziel, die sudanesische Wirtschaft in dieser turbulenten Zeit zu retten.
Es war der Moment, bevor das gemeinsame Machtabkommen zwischen dem Militär und den zivilen Parteien abgeschlossen wurde. Die Partei an der Macht war der sogenannte Transitional Military Council. Die Reaktion auf den Straßen waren Demonstrationen, bei welchen Demonstranten Schilder hochhielten mit der Aufschrift: „Saudi – Arabien, wir wollen euer Geld nicht“, oder „Bleib weg vom Sudan“ etc.
Wie die lokalen Akteure auch werden die Regierung und die reguläre Armee von den Islamisten, ehemaligen Aktivisten des Bashir – Regimes unterstützt. Diese Islamisten sind hungrig wieder an die Macht zu kommen. Aus diesem Grund sind alle Militanten, islamistische Bewegungen und frühere Regime – Strukturen sehr daran interessiert sich hinter das Militär zu stellen.
Was die Rapid-Support-Kräfte betrifft, so gibt es nomadische arabische Teile aus der gesamten Sahelzone, nicht nur aus dem Sudan, sondern auch aus dem Tschad, Niger, der Zentralafrikanischen Republik und Mali, die dies als eine Möglichkeit sehen, ihr eigenes Gebiet zu etablieren. Sie waren alle Minderheiten in ihren Heimatländern und immer marginalisiert. Nun sind viele von ihnen durch das Versprechen gelockt worden, einen Staat für sich zu erobern.
Es ist eine wirklich destruktive Art von Gewalt, die von diesen Kräften verfolgt wird. Sie gehen sehr rassistisch und tribalistisch vor mit der Absicht den sudanesischen Staat zu zerstören, ethnische Säuberungen durchzuführen und einige vage mafiaartige Familienstrukturen aufzubauen. Wie ein renommierter Gelehrter, Alex de Waal, kürzlich anmerkte, bewegt sich die RSF wie ein Heuschreckenschwarm, plündernd durch das Land. Sämtliche Gebiete, die unter der Kontrolle der RSF stehen, werden von den Menschen verlassen. Es ist etwas völlig Unberechenbares und aktuell auch schwer vorstellbar, aber es ist davon auszugehen, dass Khartum vollständig in die Hände der RSF fallen wird.
In der Tat ein sehr düsteres Bild. Lassen sie uns noch über ein noch etwas größeres Problem sprechen. China und Russland drängen aktuell westliche Länder, wie zum Beispiel Frankreich aus Afrika. Doch welche Gebiete beanspruchen die arabischen Staaten in Afrika für sich?
Die VAE sind der größte arabische Akteur in Afrika, insbesondere in der Logistik. Das Land investiert viel in den Erwerb von afrikanischen Häfen, und arbeitet an großen Projekten im gesamten Afrika und auf beiden Seiten des Kontinents, vom Indischen Ozean, bis hin zur Atlantikküste. Die UAE haben gerade in Tansania große Projekte zur Kontrolle eines großen Teils des Dar-es-Salam-Hafens, in Kenia, in der Demokratischen Republik Kongo und im Senegal, aufgenommen.
Einige Länder begannen, sich darüber Sorgen zu machen, zum Beispiel wurden die Emiratis aus dem Hafen von Dschibuti vertrieben, und nun versucht der senegalesische Staat, seinen Anteil an den Anteilen des Hafens zu erhöhen.
Die Emiratis hatten immer diese Idee, aus dem saudischen Schatten hervorzukommen und eine unabhängigere Regionalmacht zu werden, die ihren Einfluss und ihre globale Bedeutung hat. Nach Afrika zu gehen, war ein Mittel, um diese regionalen Zwänge zu überwinden und zu einem größeren politischen Akteur zu werden als Saudi – Arabien.
Es gibt auch noch Katar. Nachdem das Land ein paar Jahre lang politisch blockiert und isoliert war, wird er nun als großer Vermittler, sowohl im Sudan als auch in der weiteren Sahelzone angesehen. So spielte Katar bereits eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen verschiedenen Gruppierungen in Darfur.
Wie Ägypten kümmert es sich vor allem um die Nilregion und beabsichtigt, Äthiopien bei der Suche nach Kontrolle über den Nil zu konterkarieren. Kairo ist dort sehr aktiv und versucht, sich als attraktiver Partner zu präsentieren.
Sie haben die Qataris, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten erwähnt, die sich vor allem für die Region des Nils interessieren. Aber was ist mit Saudi – Arabien zum Beispiel?
Die Saudis konzentrieren sich ziemlich stark auf das Rote Meer. Sie haben den Red Sea Council gegründet, eine Regionalgruppe, die alle wichtigen Länder des Roten Meeres einbezieht, um eine bessere Zusammenarbeit in dieser Region zu fördern.
Riyadh geht nicht weit über die Unterstützung ihrer religiösen Institutionen hinaus, die auf der ganzen Welt und auch in Afrika verbreitet sind. Die Saudis üben auf dem afrikanischen Kontinent nicht eine so große wirtschaftliche und politische Rolle aus, wie die Vereinigten Arabischen Emirate es tun. Ich würde sagen, dass die Emiratis jetzt die Nummer eins der arabischen Mächte in Afrika sind.
Es gibt auch den Oman, der einige historische Verbindungen zu Tansania hat, aber nicht auf regionaler Ebene.
Und natürlich gibt es auch die nordafrikanischen Länder, die immer enge Beziehungen zu ihren Nachbarn südlich der Sahara hatten. Marokko hat sich erfolgreich in der religiösen Diplomatie eingesetzt, um in der Region Sub – Sahara Fuß zu fassen. Der marokkanische König wird als Hüter einer der Sufi – Orden, der Tijaniyyah, angesehen. Dieser Link wurde erfolgreich vom marokkanischen König genutzt, um Kanäle für wirtschaftlichen Einfluss in vielen Ländern in West – und Zentralafrika zu eröffnen.
Was Algerien betrifft, so war es immer ein Land, das sich auf Sicherheitsfragen und diplomatisch auf eine der Säulen der Afrikanischen Union konzentrierte. Aktuell betreibt das Land aktiv Lobbyarbeit gegen die Intervention in Niger, die potenziell bestimmte Spillover – Effekte auf die andere Seite der Grenze haben könnte. Aber Algier ist kein starker Akteur in Afrika, wie es in der Vergangenheit der Fall war, und der Einfluss, den es immer noch hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter sinken.
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