In Deutschland hat jeder Mensch einen gesetzlichen Anspruch auf Gleichbehandlung. Niemand darf aufgrund seiner Herkunft, des Glaubens, Geschlechts oder der eigenen Sexualität eine Benachteiligung erfahren. Die Realität auf den deutschen Straßen sieht für viele Minderheiten anders aus. Besonders Muslime sehen sich seit Jahren steigenden Anfeindungen ausgesetzt. 68 Prozent von ihnen erlebten nach Angaben der Europäischen Agentur für Grundrechte aus dem Jahr 2024 rassistische Diskriminierung, das ist einer der höchsten Werte in der EU.
Wie viele solcher Erfahrungen es tatsächlich in Deutschland gibt, lässt sich kaum verlässlich sagen. Bislang kümmern sich vor allem zivilgesellschaftlich organisierte Stellen um die Erfassung derartiger Fälle in Deutschland. In Nordrhein-Westfalen startete nun eine Landesmeldestelle für antimuslimischen Rassismus, die das Dunkelfeld weiter aufhellen soll. Gleichzeitig nehmen auch Meldestellen für Queerfeindlichkeit, Antiziganismus und für Rassismus gegen schwarze und asiatische Menschen ihre Arbeit auf. Aber: „Die Meldestellen prüfen keine Vorfälle auf Strafbarkeit und sie haben keinen Verfolgungs- oder Sanktionierungsauftrag“, heißt es aus dem zuständigen Ministerium.
Es gehe lediglich darum, das Ausmaß des Problems zu verstehen. Den Weg zu Polizei und Anwälten müssen Betroffene nach wie vor selbst suchen. Dabei beklagen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW), den Anstieg von „antimuslimischem Rassismus“, ein zugegeben etwas irreführender Begriff, in Deutschland. Es gebe weder eine Arbeitsdefinition für diese Form von Rassismus noch offizielle Daten oder Investitionen in die institutionelle Unterstützung der Betroffenen, so HRW. Letztlich fehle der Bundesregierung die Einsicht, dass es sich dabei überhaupt um Rassismus handele, nicht nur um religiöse Anfeindungen. Der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung kam 2023 zu dem Schluss, dass Menschen den Islam besonders häufig als bedrohlich wahrnehmen.
Aus einem jüngsten NGO-Bericht geht hervor, dass es 2023 in Deutschland im Schnitt fünfmal am Tag zu antimuslimischen Straftaten, Beleidigungen oder Diskriminierungen kam. In der Regel richtet sich die Diskriminierung gegen Einzelpersonen, in den meisten Fällen Frauen. Aber in dem Bericht sind diskriminierende Flyer, Plakate oder Hassrede im Netz nicht enthalten. Die insgesamt 1926 verzeichneten Fälle seien nur die „Spitze des Eisbergs“, und längst nicht alle Vorfälle würden gemeldet. Teils wüssten Betroffene nach wie vor nichts von den Meldestellen, teils sei der Rassismus bereits normalisiert, die eigenen Rechte unbekannt. Diverse Betroffene würden sich zudem aus Angst nicht an die Polizei wenden, hätten fehlendes Vertrauen in staatliche Behörden und Institutionen.
Erkenntnissen des unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit zufolge ist die Diskriminierungsform kein gesellschaftliches Randphänomen, sondern in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet. Experten begrüßen Projekte wie die Landesmeldestelle in Nordrhein-Westfalen, stellen aber klar: „Rassismus existiert nicht nur auf individueller Ebene, sondern ist auch strukturell und institutionell verankert.“ Die Meldestellen sollten daher unbedingt an zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Einrichtungen gekoppelt sein. Immerhin – die neue Einrichtung in NRW liegt in der Trägerschaft zweier regionaler Vereine. Die Ergebnisse sollen nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewertet werden, so das Ministerium. Der erste Jahresbericht ist 2026 zu erwarten.