Der bisher größte Deal der Sportgeschichte soll schon bald Realität werden. Scheich Jassim bin Hamad Al Thani aus Katar will den Fußballklub Manchester United kaufen und hat ein offizielles Angebot vorgelegt. Wie viel Geld das Konsortium vom Golf bietet, ist nicht bekannt. Man werde zu „gegebener Zeit“, darüber informieren, heißt es. Doch der Kaufpreis dürfte würde den bisherigen Rekord für solche Geschäfte pulverisieren.
Der Scheich entstammt der reichsten Familie Katars. Die Al Thanis sind seit rund 250 Jahren der mächtigste Stamm des Landes, sie regieren Katar seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1971 als absolute Monarchen. Jassim ist der Sohn eines ehemaligen Premierministers von Katar und der Bruder des derzeitigen Herrschers, dem Emir Tamim bin Hamad Al Thani. Der 44-jährige Jassim ist der Vorsitzende mehrerer Firmen, er kontrolliert eine der größten Banken des Landes. Er lässt sich von seinem PR-Team als United-Fan von Kindesbeinen an beschreiben und will im ersten Schritt alle Schulden des Klubs tilgen. Sein Ziel: United wieder zum besten Verein Europas und der Welt machen, das Stadion modernisieren und nebenbei die umliegende Infrastruktur aufpäppeln. Wie das aussieht, kann man im Osten der Stadt besichtigen, wo Manchester Citys Eigentümer Scheich Mansour aus Abu Dhabi reihenweise Apartmentblöcke aus dem Boden gestampft hat, wodurch ein komplettes Viertel praktisch nicht wiederzuerkennen ist.
Die sich abzeichnende Bieterschlacht um den Traditionsklub – nicht nur der autoritär geführte Golfstaat, auch Investoren aus den USA und Großbritannien zeigen Kaufinteresse – ist der bisherige Höhepunkt einer Entwicklung, die vor mehreren Jahren begonnen hat. Fußballklubs aus beliebten Ligen – vor allem aus der englische Premier League – sind attraktiv für Investoren geworden. Früher haben Mäzene aus fußballerischer Leidenschaft Geld in Clubs gepumpt oder sich aus Eitelkeit ein teures Hobby geleistet. Mittlerweile ist Fußball zu einem globalen Business geworden. Die erfolgreichsten Vereine sind Marken mit weltweiter Strahlkraft. Nur ein Bruchteil der Fans ist auf dem heimischen Markt oder gar im Stadion zu finden.
Im vergangenen November gab Manchester Uniteds amerikanische Eigentümerfamilie Glazer bekannt, sich 17 Jahre nach der Übernahme nach „strategischen Alternativen“ umzusehen. Dazu gehört explizit die Möglichkeit eines vollständigen Verkaufs. In der Ankündigung brachten sie auch gleich ihren Mini-Sales-Pitch unter: Zum Verkauf stehen demnach nicht weniger als die „Leidenschaft und Loyalität“ der „globalen Community“ von „1,1 Milliarden Fans und Followern“, die United jetzt und zukünftig „signifikante Wachstumschancen“ brächten. Mit dem Geschäftlichen wurde die amerikanische Raine Group beauftragt, die vergangenes Jahr bereits den Verkauf des FC Chelsea in die Wege geleitet hat. Im Raum steht ein Preis von umgerechnet circa fünf Milliarden Euro.
Es geht bei den Interesse Katars auch darum, Netzwerke auszuweiten und Einfluss zu gewinnen. Wohin diese Reise bisher gegangen ist, hat die Weltmeisterschaft in Katar gezeigt – ein Turnier im europäischen Winter in einem winzigen Land, das zwar keine Fußballtradition, aber durch große Gas-Vorkommen sehr viel Geld hat.
Katar nutzt den Fußball, um außenpolitisch Einfluss zu gewinnen. Zum einen setzen die Herrscher auf Sicherheitsgarantien durch die USA, indem es Stützpunkte bereitstellt. Zum anderen bauen sie sogenannte soft power auf. Oder wie es die deutsche „Konrad-Adenauer-Stiftung“ ausdrückt: „Wer gesehen wird und überall auf der Welt Freunde hat, kann nicht mal eben vom großen Nachbarn Saudi-Arabien verschluckt werden und von der Landkarte verschwinden.“
Über den katarischen Staatsfonds besitzt die Herrscherfamilie seit 2011 den französischen Klub Paris St. Germain (PSG). Eine komplette Übernahme des englischen Traditionsklubs wäre jedoch wegen seines Investments bei PSG nach den UEFA-Vorschriften nicht erlaubt. Das Verbot würden die Katarer durch den Einstieg von Jassim umgehen. Wie bei der Weltmeisterschaft in Qatar geht es den Kritikern um die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen sowie die allgemein schlechte Menschenrechtslage im Emirat. Der Vorwurf lautet „Sportswashing“, wodurch Qatars Ansehen durch die Assoziation mit der global vermarkteten Glitzerwelt Premier League geputzt werden soll.
Dazu gehört, dass die zur Übernahme nötigen Mittel mutmaßlich nicht eindeutig von Staatsgeldern zu trennen wären. Das wiederum führt zu einem Konflikt mit der Vorgabe der UEFA, wonach Eigentümer nicht mehr als einen Klub in einem Wettbewerb wie der Champions League besitzen dürfen – und Paris Saint-Germain ist bekanntlich ein Asset des staatsnahen Anlagevehikels Qatar Sports Investments. UEFA-Präsident Aleksander Čeferin, seinem Generalsekretär Theodore Theodoridis und Premier-League-CEO Richard Masters liegt ein Brief der Menschenrechtsorganisation Fair Square vor, darin heißt es: „Kein Konsortium qatarischer Investoren, das zu einer solchen Übernahme fähig ist, wäre in der Lage, überzeugend darzustellen, dass es unabhängig vom qatarischen Staat ist.“ Kontrollen, wie Gelder verteilt und durch die Herrscherfamilie genutzt werden, seien in Qatar „minimal bis nicht existent“.
Das Schreiben verweist auf die Korruptionsermittlungen im Umfeld des Europaparlaments und die Ermittlungsergebnisse der Premier League selbst bezüglich Verstößen gegen ihre Finanzregeln durch die Eigentümer von Manchester City. „Jeder Versuch der UEFA, ihre Regeln zu verändern, um die Eigentümerschaft von mehreren Klubs zu ermöglichen, überreicht autokratischen Staaten, die durch Unterdrückung und mangelnde Rechtsstaatlichkeit geprägt sind, den Schlüssel zum europäischen Vereinsfußball, in Qatars speziellem Fall einem Staat, dem vorgeworfen wird, Europas demokratische Institutionen zu korrumpieren.“
Die Saudis haben bereits Fuß gefasst im englischen Fußball-Business. Der Staatsfonds hatte Newcastle United aus dem englischen Norden 2021 für umgerechnet 350 Mio. Euro gekauft. Damals schwebte er in Abstiegsgefahr. Nun hat der Verein die Qualifikation für die Champions League in Reichweite.
Funktioniert hat die Strategie auch bei Manchester City. Der Verein gehört mehrheitlich der Herrscherfamilie von Abu Dhabi. Bei der Übernahme befand sich City im Niemandsland der englischen Premier League. Wenige Jahre später wurde die Meisterschaft gefeiert, bislang folgten fünf weitere Meistertitel. Derzeit droht dem Klub allerdings Ärger: Die englische Premier League ermittelt wegen zahlreicher Verstöße.
So zeigt sich in diesen Tagen in der Anbahnung des United-Deals: Im europäischem Fußball ist die brachiale Kommerzialisierung des Fußballs keine überzeichnete Karikatur, sondern schlichte Realität. Staaten wie Katar nutzen das System, um sich in Europa dauerhaft ein gewinnbringendes Vehikel zu kaufen, für eine dauerhafte Steigerung der eigenen Reputation und um den regionalen Rivalen ihre Macht im Westen zu zu demonstrieren.
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