Als der deutsche Vizekanzler Robert Habeck am vergangenen Sonntag nach seinem Treffen mit dem Emir in Katars Hauptstadt Doha auftauchte, wirkte er zufrieden. „Es wurde fest vereinbart, eine langfristige Energiepartnerschaft, eine Kooperation einzugehen“, berichtete er. Die deutschen Unternehmen, die ihn auf seiner Reise an den Persischen Golf begleitet haben, treten nun in konkrete Vertragsverhandlungen ein. Habeck betonte, dass dies nicht nur für Lieferungen von verflüssigtem Erdgas (LNG) aus Katar nach Deutschland gelte, beim Ausbau erneuerbarer Energien kann Deutschland wiederum Katar unterstützen. Er sprach von einer „Win-Win-Situation“.
Deutschland soll laut seiner Regierung möglichst schnell unabhängig von Energieimporten aus Russland werden. Da auch bei einem rasanten Ausbau von Wind- und Sonnenenergie sowohl private Verbraucher als auch die Industrie noch einige Zeit auf Gas angewiesen sein werden, muss der grüne Vizekanzler neue Lieferländer für diese fossilen Energieträger organisieren. Katar ist die naheliegende Wahl: Es ist nach Australien der zweitgrößte Exporteur von verflüssigtem Erdgas (LNG) weltweit und will seine Produktionskapazitäten in den kommenden Jahren deutlich erhöhen.
Das Land ist aber auch wegen seines Umgangs mit Wanderarbeitern in die Kritik geraten. Die Regierung hat Reformen wie einen Mindestlohn und arbeitsfreie Zeiten während der heißen Mittagsstunden eingeführt. Menschenrechtsorganisationen halten diese jedoch für unzureichend. Habeck war sich bewusst, dass sein Besuch in Doha nicht bei allen gut ankam. Es sei inakzeptabel, dass Menschen in Armut leben und ausgebeutet werden, sagte er. Er sprach dies in allen Gesprächen an. In seinen öffentlichen Äußerungen sagte der Minister nichts über die finanzielle und ideologische Unterstützung von Doha für die extremistische Muslimbruderschaft.
Zu den Details der geplanten Energiekooperation äußerte sich Habeck nicht. Konkrete Jahreszahlen und Liefermengen seien aber bereits besprochen worden, sagte er. Das Ziel ist, dass auch Gas fließen kann, wenn die Infrastruktur für Flüssiggas in Deutschland fertig ist. Er hatte zuvor ausgerechnet, dass der Bau eines LNG-Terminals in der Regel etwa fünf Jahre dauern würde: Zwei Terminals sind in Brunsbüttel und Wilhelmshaven geplant.
Habeck sieht seine Reise an den Persischen Golf auch als Signal an Russland. „Ein großes Stück ist jetzt abgebrochen“, sagte er mit Blick auf die Einigung mit Katar. Bislang bezieht Deutschland rund 55 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland. Diese Zahl will Habeck künftig auf null reduzieren. „Wir wollen nicht das gesamte russische Gas durch katarisches Gas ersetzen“, sagte er. Deutschland muss sich breiter aufstellen, die einzelnen Lieferländer sollen nur einen Anteil zwischen 10 und 20 Prozent haben, um das Ausfallrisiko zu minimieren.
Es liegt auf der Hand, dass bei einem Stopp der Gaslieferungen aus Russland, sei es, weil Präsident Wladimir Putin es so will, oder weil die EU ein Embargo verhängt, die jetzt vereinbarte Zusammenarbeit nicht viel helfen würde. Der größte Teil der LNG-Kapazität von Katar unterliegt langfristigen Lieferverträgen, hauptsächlich für asiatische Länder.
Von Katar aus reiste Habeck dann weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate. In Abu Dhabi lag der Schwerpunkt auf Kooperationen im Bereich Wasserstoff. Dort sah er sich einer weiteren politischen Dystopie gegenüber: Der syrische Diktator Bashar al-Assad besuchte letzte Woche zum ersten Mal seit Beginn des Bürgerkriegs vor elf Jahren Abu Dhabi. Über das Blutvergießen in Syrien war in den offiziellen Verlautbarungen erwartungsgemäß wenig zu lesen, stattdessen versicherten sich die beiden Länder gegenseitig guter Beziehungen. Habeck musste also erklären, ob sich die Bundesregierung wirklich in diesem Umfeld bewegen will und die Zusammenarbeit mit Ländern sucht, die mit Massenmördern schwatzen.
Bei der Beantwortung einer Frage zu diesem Thema macht Habeck zwischen den Sätzen noch längere Pausen als sonst. „In meinen Augen ist Assad ein Verbrecher“, sagt er. Und dass er das auch seinen Gesprächspartnern deutlich macht. Er sagt aber auch, dass sich gerade Deutschland vielleicht etwas zurückhalten sollte, „allen anderen immer zu sagen, wie man Außenpolitik richtig macht“.
Bei der gesamten Reise in die Golfstaaten geht es vor allem um die Zukunft der deutschen Energieversorgung. Habeck hat mit Abu Dhabi vereinbart, eine Wasserstofflieferkette bis nach Deutschland aufzubauen. Wichtigster Partner auf Seiten der Araber: der staatliche Ölkonzern ADNOC.
Doch über den einzelnen Zahlen und Projekten steht immer die grundsätzliche Frage: Wenn die Grünen eine wertebasierte Außenpolitik betreiben wollen, sollte das nicht auch für ihre Außenwirtschaftspolitik gelten?
Der frühere deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) schaltete sich Anfang dieser Woche in die Debatte ein: „Katar bedroht niemanden, finanziert keine Terrororganisation, beherbergt aber auf Bitten der USA die Hamas und die Taliban, um in der Lage zu sein mit ihnen in Doha zu verhandeln“, sagte er. „Katar ist einfach ein verlässlicher Partner für den Westen.“
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