Der Besuch des indischen Premierministers Narendra Modi vom 24 auf den 25 Juni 2023 in Kairo ist zugleich der erste Besuch eines indischen Staatsoberhauptes seit dem Jahre 1997. Der Besuch ist darüberhinaus ein Wendepunkt in den ägyptisch – indischen bilateralen Beziehungen. Der Besuch Modi‘s folgte auf den Empfang des ägyptischen Staatsoberhauptes Abdel Fattah El – Sisi im Januar 2023 in Indien. El – Sisi wohnte als Hauptgast den Feierlichkeiten zum 74. Jahrestag der Republik Indien bei. Diese politischen Gegeneinladungen, die innerhalb von sechs Monaten stattfanden, sind ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Festigung der bilateralen Beziehungen, die beide Nationen bereits während des Besuchs von El – Sisi auf ein strategisches Niveau und damit zu einer nationalen Priorität gehoben hatten. Der dreitägige Besuch des Premierministers Modi in den Vereinigten Staaten vom 21. bis 23. Juni 2023, der auf die ausdrückliche Einladung von US – Präsident Joe Biden stattfand, spielt dabei eine bedeutende politische und diplomatische Rolle. Es ist jedoch unbedingt erforderlich, die tiefgreifende geopolitische Bedeutung des späteren Besuchs Modi‘s in Ägypten zu verstehen und richtig einzuordnen. Diese Reise hat ein beträchtliches strategisches Gewicht, vor allem in der asiatischen Geopolitik.
Indiens Engagement mit Ägypten, einer der einflussreichsten Nationen Afrikas, ist für Indiens Regionalpolitik von entscheidender Bedeutung. Dabei ist die geopolitische Lage Ägyptens besonders bedeutsam, da Indiens Outreach nach Afrika vertieft werden soll. Seit Premierminister Modi an die Macht gekommen ist, hat Indien fast 20 neue Missionen auf dem afrikanischen Kontinent eröffnet, was seine Absicht widerspiegelt, seinen diplomatischen und wirtschaftlichen Einfluss auszuweiten.
Modi’s Besuch ist auch für die geopolitischen Ambitionen Indiens von Bedeutung. Indien versucht, seine Position als Stimme des Globalen Südens zu festigen, insbesondere deshalb, da Indien anstrebt, das G20 – Treffen im September auszurichten. Der Besuch in Ägypten, einem der bevölkerungsreichsten Länder in der MENA Region, wird als weitere Manifestation dieser Ambitionen angesehen.
Indien ist weltweit derzeit der sechstgrößte Handelspartner Ägyptens. Allerdings ist das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern ein bescheidenes: 7,26 Milliarden Dollar waren es in den Jahren 2021 und 2022, wobei der jüngste bilaterale Handel in der Höhe von 5,18 Milliarden Dollar von April 2022 bis Januar 2023 erwirtschaftet wurde. Diese Zahl steht im Vergleich zu Chinas bilateralem Handel mit Ägypten, mit einem Handelsvolumen von knapp 15 Milliarden Dollar jährlich. Dieser starke Kontrast unterstreicht die Notwendigkeit Indiens, seine wirtschaftlichen Beziehungen zu Ägypten und seine Stellung in der Region zu stärken und Chinas wachsenden Einfluss zu konterkarieren.
Es wird erwartet, dass der Besuch des indischen Staatsoberhauptes Investitionen in das nordafrikanische Land verstärkt, was möglicherweise der momentan schwächelnden ägyptischen Wirtschaft zugute kommen kann. Ägypten hofft darüberhinaus, dem BRICS – Wirtschaftsblock beizutreten. Modi wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Unterstützung Indiens für das Aspiranten Ägyptens verkünden. Darüber hinaus spielt die geostrategische Lage Ägyptens für Indien eine entscheidende Rolle. Etwa 12% des globalen Handels wird durch den Suezkanal geschleußt, was Ägypten zu einem bedeutenden Akteur im internationalen Handel macht. Indien könnte Kairo als Sprungbrett nutzen, um auf substanzielle Märkte in Europa, Afrika und dem Nahen Osten zuzugreifen und so seine Position in der globalen Wirtschaft zu stärken.
Darüber hinaus erhofft sich Indien durch die engere und wachsende Wirtschaftskooperation mit Ägypten einen tieferen Zugang in die arabische Welt und Afrika, sowie einen potenziell tiefgreifenderen Zugang zu Israel. Seitdem Modi an die Macht kam, versuchte Indien aktiv seine außenpolitische Reichweite auszubauen. Ägyptens Einladung zur Teilnahme als „Gastland“ zum G – 20 Gipfel, nachdem Indien im Dezember 2022 die G20 – Präsidentschaft übernommen hatte, stärkt die Beziehungen der beiden Länder zusätzlich.
Interessanterweise spielen auch die Beziehungen Ägyptens zu Indien eine entscheidende Rolle in der außenpolitischen Strategie der Regierung um Staatspräsidenten El – Sisi. Im Laufe der Jahre hat Ägypten seinen Einfluss in regionalen Angelegenheiten, wie etwa in Bezug auf Palästina, Äthiopien, und anderen afrikanischen Ländern, gesehen. Deshalb ist der Blick über den Kontinent, um Partnerschaften mit wachsenden globalen Mächten wie Indien aufzubauen, ein strategischer Schachzug für Ägypten. Der jüngste Austausch auf hoher Ebene zwischen den beiden Ländern markiert einen signifikanten Wandel im außenpolitischen Ansatz Ägyptens, der auf eine absichtliche Anstrengung zur Diversifizierung seiner Partnerschaften über den westlichen Block hindeutet.
Darüber hinaus bilden Indien und Ägyptens gemeinsame Geschichte als Gründungsmitglieder der Non – Alignment Movement (NAM) eine einzigartige Grundlage für ihre Beziehung. Das NAM, ein weltweites Forum von 120 Entwicklungsländern, beruhte auf dem Glauben an die Nichtausrichtung signifikter Machtbloka. Diese gemeinsame Geschichte beeinflusst weiterhin den Ansatz der Nationen in der Außenpolitik, indem sie ihr Engagement für die Zusammenarbeit stärkt.
Ägypten versucht, die Investitionen Indiens im eigenen Land zu erhöhen, während Indien einen tieferen Zugang zur Region des Nahen Ostens und Nordafrikas (MENA) über Ägypten anstrebt. Ägyptens aktuelle finanzielle Herausforderung, die zunächst durch die Pandemie ausgelöst und durch den Krieg in Russland verschärft wurden, haben das Land noch mehr für Investitionen aus Indien bereit gemacht. Indien, im Gegenzug, sieht Ägypten als ein Tor zu den wichtigsten Märkten in Europa und Afrika, die es mit einem strategischen Vorteil in seinen globalen Handel verfolgt und anvisiert.
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