Die juristische Aufarbeitung der in Österreich als „Operation Luxor“ bekannt gewordenen Razzien gegen Sympathisanten der Muslimbruderschaft geht in eine weitere Runde.
Ende 2020, kurz nach dem Terroranschlag vom 1. November in Wien, kam es zu Razzien bei mutmaßlichen Sympathisanten der extremistischen Muslimbruderschaft in vielen Städten der Alpenrepublik. Die als „Operation Luxor“ bekannt gewordene Aktion ging dabei nicht gerade zimperlich vor: Sonderkräfte der Polizei brachen in den frühen Morgenstunden in die Privatwohnungen von Verdächtigen ein, durchsuchten die Räumlichkeiten der Beschuldigten, bewaffnet und vermummt standen sie in den Zimmern von kleinen Kindern. Der Vorwurf damals: Die islamistische Muslimbruderschaft in Österreich soll zusammen mit der als Terror-Organisation eingestuften Hamas Anschläge geplant, Gelder gewaschen haben. Dazu wurden auch die oben beschriebenen Hausdurchsuchungen veranlasst.
Der leitende Staatsanwalt in der Causa ist Johannes Winklhofer, er hat die Ermittlungen gegen mutmaßliche Extremisten aus der Szene der Muslimbruderschaft geleitet, vertritt die Republik Österreich nun auch in der gerichtlichen Aufarbeitung der „Operation Luxor“. Er wurde bereits mehrmals von Beschuldigten, aber auch von Personen, die immer wieder das Stichwort „Islamophobie“ in den Ring der öffentlichen Diskussion werfen, als rechts-konservativer Populist im Talar der Justiz gebrandmarkt, ein Staatsanwalt, der aus seiner muslimfeindlichen Gesinnung keinen Hehl mache. Gegenüber MENA Research Center meinte ein muslimischer Vertreter aus dem Umfeld der Ermittlungen: „Wenn jemand gegen uns Muslime vorgeht, ist es doch klar, dass er islamfeindlich ist. Die Angeklagten haben doch gesagt, dass sie nichts mit der (Muslim-)Bruderschaft zu tun haben. Islamophobie ist überall hier in Europa! Auch wenn wir die Gesetze und Bräuche hier nicht anerkennen … na und?“
Tatsache ist jedoch, dass Winklhofer in der Vergangenheit bekannt wurde für seine Ermittlungen gegen die Identitäre Bewegung aus dem rechtsextremen Umfeld, daher ist ihm eine politische Schieflage sicherlich nicht nachzusagen. Trotzdem gab es bei den Ermittlungen gegen die Muslimbruderschaft in Österreich auch Rückschläge für die Staatsanwaltschaft zu verzeichnen: In einigen Fällen wurden die Razzien vom Oberlandesgericht in Graz für rechtswidrig erklärt, auch wurde infrage gestellt, ob jeder Muslimbruder automatisch als Terrorist gelten kann, das Gericht hinterfragt die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Ermittlungen und entließ zwei Gutachter wegen des Anscheins der Befangenheit.
Neben dem Strafprozess haben sich einige Beschuldigte auch auf zivilrechtlicher Ebene gegen die Anschuldigungen gewehrt. Nun hat auch ein Hinweisgeber, der die Mitgliedschaft von Beschuldigten in einer extremistischen Vereinigung gegenüber der Staatsanwaltschaft bezeugte, in erster Instanz bei einem Zivilgericht verloren. Er belastete diese nicht nur vor der Justiz, sondern auch in einem Medium, welches der regierenden konservativen ÖVP nahesteht. Es folgten anwaltliche Abmahnungen und Klagen wegen Kreditschädigung gegen den Zeugen, nun wurde er wegen übler Nachrede gegen zwei Beschuldigte zu einer Geldstrafe von mehreren tausend Euro verurteilt. Laut Gericht konnte der Mann keine Belege, sondern bloße Gerüchte für seine Anschuldigungen vorbringen. Auch Entlastungszeugen des Beschuldigten glaubte man nicht, darunter war auch auch der Leiter des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle Politischer Islam, Mouhanad Khorchide. Der in Deutschland lebende Religionspädagoge wurde zudem auch bei den Ermittlungen rund um die Operation Luxor als Zeuge von den Behörden befragt.
Die Niederlage des Hinweisgebers vor einem Zivilgericht hat natürlich auch Auswirkungen auf das noch laufende Ermittlungsverfahren. Ein Ex-Staatsanwalt meinte dazu gegenüber der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“, dass ein solches Urteil unweigerlich in die Beweiswürdigung einfließen würde. „Wenn ich so ein Verfahren führen würde und das Oberlandesgericht Beschlüsse fasst, dass essenzielle Teile der Ermittlungen so nicht gehen, dann muss ich als Staatsanwalt in mich gehen, mich fragen, wo ich stehe, und ob es überhaupt noch genügend Beweise gibt, die meine Theorie stützen“, so der Jurist im Interview.
Wo liegt nun der berühmte „Hund begraben“? Grundsätzlich ist zunächst festzuhalten, dass die sog. „Operation Luxor“ spätestens mit der Wiener Terrornacht vom 1. November 2020 politisch instrumentalisiert worden ist: Die Versäumnisse von Politik und Sicherheitsbehörden sollten mit einer breit gefächerten PR-Kampagne „Wir gehen gegen Islamisten mit aller Härte vor“ zumindest ein Stück weit unter den Teppich gekehrt werden. Zumindest die bisher publik gewordenen Anschuldigungen gegen den mittlerweile zurückgetretenen Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigen auf, wie er und sein Umfeld Politik verstanden und exekutiert haben, für sie war Politik immer ein bloßes Marketing-Instrument zur persönlichen Erfolgsmaximierung, weniger ein Gestaltungsinstrument für gesellschaftliche Orientierung. Inwieweit hier auch die populistisch agierende Politik nach dem Blutbad des Terroristen und seines Netzwerkes die Ermittlungen instrumentalisiert hat, lässt sich nicht belegen.
Auch die bereits mehrfach erwähnte „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ und deren wissenschaftlicher Beirat spielt hier eine Rolle: Auch wenn von Regierungsseite immer wieder betont wurde, dass diese nicht ein verlängerter Arm der ÖVP-geleiteten Bundesregierung seien, hat sich diese Institution bislang nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert, sondern wirkt in ihren Äusserungen und Publikationen oft so, als würde sie nur auf Zuruf einer bestimmten politischen Kraft in der Alpen-Republik reagieren. Der eigentliche Zweck der Stelle, zumindest wie der Autor ihn sieht, nämlich ein zivilgesellschaftlicher Diskurs zu den Gefahren des legalistischen Islam in Europa, wird bislang nur unzureichend abgedeckt.
Die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Muslimbruderschaft in Österreich, mögliche Verbindungen zur Terrorgruppe Hamas, dubiose Finanz-Transaktionen – im europäischen Maßstab übrigens Tatsachen, wie es diverse Verfassungsschutzberichte aus dem europäischen Umfeld belegen – haben nachweislich vor der Terrornacht begonnen. Gleichzeitig muss aber die Frage erlaubt sein, warum man nach dem 1. November schnell dazu übergegangen ist, sehr öffentlichkeitswirksam großflächige Razzien, Beschlagnahmungen, Verhaftungen vorzunehmen, die von Gerichten nachträglich für rechtswidrig erklärt wurden. Damit hat Polizei und Staatsanwaltschaft gerade denjenigen einen Gefallen getan, die sie bekämpfen will: Unter dem Mantel der „Islamophobie“, des Opferlamms können sich die Vertreter des politischen Islam in Österreich nun einer Unterstützung sicher sein. Diese kommt nicht nur aus identitätslinken Kreisen, sondern besonders auch aus Kreisen der mehrheitlich säkular eingestellten Muslime, die den islamistischen Extremismus ebenso bekämpfen wollen. Hier hat sich also die Katze in den Schwanz gebissen!
Der legalistische, politische Islam ist eine Gefahr für unsere Gesellschaft in Europa. Organisationen wie die Muslimbruderschaft agieren nicht unter dem Banner ihrer Bewegung, sie sind nicht eindeutig zu fassen. Gerade das ist ihre Strategie, festgehalten in vielen internen Papieren ihrer Chefideologen. Dies hat nicht nur taktische Gründe, wie sie am effektivsten Einfluss gewinnen können, bei Politikern, Regierungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen. Vielmehr ist es auch eine erfolgreiche Maßnahme, sich gegen den Rechtsstaat zu behaupten, wenn dieser gegen sie vorgehen will. Die bisherigen Ergebnisse in Bezug auf die „Operation Luxor“ zeigen dies anschaulich.
Ist die Muslimbruderschaft eine Terror-Organisation? Da es DIE Muslimbruderschaft in Europa, wie oben beschrieben, nicht gibt, kann sie auch nicht als terroristisch eingestuft werden. Bekannt sind aber islamische Vereinigungen als auch Personen in Europa, die eindeutig die Ideologie des politischen Islam unterstützen und diese auch verbreiten. Hier müssen die Sicherheitsorgane, aber auch die Politik endlich aktiv werden, bereits existierenden Gesetze richtig und nachhaltig anwenden, um den politischen Islam in Europa einzudämmen. Dazu braucht es nicht primär den Terror-Verdacht. Vereinigungen, die sich gegen die europäische Grundordnung, gegen die nationalen Verfassungen richten, ein großeuropäisches Kalifat fordern mit der Scharia als alleiniges Rechtssystem, gehören verboten. Ebenso leicht ist es mit den bereits bestehenden Gesetzen, Geldflüsse aus dubiosen Quellen abzuschneiden: Extremisten mit Geld sind gefährlicher als diejenigen ohne Geld! Zeigen polizeiliche Ermittlungen, dass eine Organisation des politischen Islam in Verbindung zu Terrorgruppen steht, gehört sie ebenso verboten und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
Es braucht allerdings keinen Populismus. Europäische, besonders auch österreichische Politiker, sollten aufhören mit ihrer Symbolpolitik, die genau das Gegenteil bewirkt: Eine falsch verstandene Solidarisierung unter Muslimen, wenn es um den politischen Islam geht, die zu das Erstarken paralleler Gesellschaften noch befördert. Ebenso macht es keine gute Figur, den Einfluss des politischen Islam öffentlichkeitswirksam anzuprangern, gleichzeitig aber islamistische Autokraten zu hofieren. Dies bringt vielleicht kurzfristig einige Wählerstimmen mehr aus den türkischen Communities, zielführend ist es aber nicht.
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