Der Verein „Säkularer Islam“ hat die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) dazu aufgefordert, die Kooperation mit dem Zentralrat der Muslime (ZMD) umgehend zu beenden. Als Grund nannte die Vereinigung um die Soziologin Necla Kelek die Zusammenarbeit des Zentralrats mit dem „Islamischen Zentrum Hamburg“ (IZH), welches vom Landesverfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird.
Ministerin Nancy Faeser solle „umgehend das Verbot des IZH und die Schließung der Imam-Ali-Moschee in Hamburg“ verfügen, heißt es in in einem Brief an das deutsche Innenministerium. Die „Zusammenarbeit, Kooperationen und Gesprächsformate“ mit dem ZMD sollten eingestellt werden, „solange das IZH und seine Umfeldorganisationen dort Mitglied sind“.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland mit seinem Vorsitzenden Aiman Mazyek hat nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem durch seine Kooperation mit dem IZH: Der größte Mitgliedsverband des ZMD ist die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V.“ (ATIB). ATIB ist, wie der deutsche Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021 erneut dokumentiert, ideologisch den türkischen Grauen Wölfen zuzurechnen, die mit 18.000 Anhängern eine der personenstärksten rechtsextremistischen Strömungen hierzulande sind. Die faschistische Ideologie der Grauen Wölfe ist nicht nur maßgeblich durch Antisemitismus geprägt, sondern seine Anhänger verbreiten ebenso systematisch rassistischen Hass auf Mitglieder der kurdischen, jesidischen und alevitischen Communitys und andere Minderheiten.
Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage, warum der ZMD weiterhin bis in höchste politische Kreise als Vertreter und glaubwürdiger Ansprechpartner der deutschen Muslime gilt und akzeptiert wird.
Vollkommen zu Recht kämen Politiker und staatliche Institutionen hierzulande nicht auf die Idee, einen Verband zu hofieren, in dem Reichsbürger oder Anhänger neonazistischer Parteien wie der der NPD organisiert sind.
Anfang des Monats begann die mündliche Verhandlung beim Verwaltungsgericht Hamburg über die Einstufung des Islamzentrums als extremistische Organisation durch den Landesverfassungsschutz. Die Behörde bewertet das IZH und die von ihr betriebene Imam-Ali-Moschee in Hamburg als Außenposten des iranischen Regimes in Europa. Bei der Verhandlung vor Gericht geht es hauptsächlich um die Einstufung des Zentrums als extremistische Organisation durch das Landesamt für Verfassungsschutz. Das IZH – das die Imam-Ali-Moschee, besser bekannt als Blaue Moschee an der Alster betreibt – wird vom Verfassungsschutz als Außenposten des iranischen Regimes in Europa gesehen und steht seit Jahrzehnten unter Beobachtung. Kürzlich hat Hamburgs Innenbehörde den stellvertretenden Leiter des IZH, Seyed Soliman Mousavifar, wegen enger Kontakte zu Terrororganisationen ausgewiesen.
Laut Verfassungsschutz steht das Islamische Zentrum Hamburg für ein islamistisches Regime, das mit den Werten des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. Das IZH und die Islamische Akademie Deutschland, die ebenfalls in den Verfassungsschutzberichten von 2018 und 2019 als extremistische Organisation genannt ist, weisen diese Einschätzung zurück und haben dagegen geklagt.
In dem Brief an Innenministerin Faeser betont der Verein Säkularer Islam nun: „Seit langem bedrängen und bedrohen Repräsentanten und Vertreter des Islamischen Zentrums Hamburg von der Imam-Ali-Moschee mit ihrer Unterstützung von antisemitischen Aktivitäten, den Kontakten zur Hisbollah und dessen Netzwerk, durch von ihrem Netzwerk ausgehenden Bespitzelungen von Exiliranerinnen und Iranern das friedliche Zusammenleben in Hamburg und der Bundesrepublik.“
Die Mehrheit der im Hamburger Parlament vertretenden Parteien befürworte die Forderung nach Schließung der Moschee. Die Regierung und die Parteien in Hamburg hätten jede Zusammenarbeit mit dieser Organisation eingestellt, ebenso die Schura, der Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg.
„Uns verwundert“, schreibt der Verein Säkularer Islam, „dass das Innenministerium und andere Ministerien weiterhin mit den Repräsentanten des IZH über den Zentralrat der Muslime unmittelbar und mittelbar zusammenarbeitet“. So sei etwa der Vorsitzende des ZMD, Aiman Mazyek, zum Fastenbrechen zu einer Veranstaltung des Landwirtschaftsministers eingeladen worden. Und das Islamische Zentrum Hamburg sei eine der maßgeblichen Mitgliedsorganisation des Zentralrats der Muslime, der wiederum ein gewichtiger Ansprechpartner des Innenministerium in Sachen Islam sei.
Daraus schließt der Verein Säkularer Islam: „Aktivitäten und Praxis des IZH und seiner Netzwerkorganisationen, auch mit Verbindungen zur Muslimbruderschaft, widersprechen der selbstgegebenen Verpflichtung und Satzung des Zentralrats jede Form von Antisemitismus.“ Der Verein Säkularer Islam Hamburg ist eigenen Angaben zufolge „ein überparteilicher Zusammenschluss Hamburger Bürgerinnen und Bürger internationaler Herkunft sowie diverser religiöser Orientierung“. Der Zusammenschluss möchte dem liberalen Islam eine Stimme geben und als Gegengewicht zu den meist konservativ-reaktionären muslimischen Verbänden fungieren.
In dem aktuellen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg wies der Vertreter des IZH die in den Verfassungsschutzberichten erhobenen Vorwürfe als nicht belastbar zurück. Das IZH sei der Vertreter der religiösen Autoritäten der Schiiten und Ansprechpartner der Moscheegemeinden in Deutschland. „Wir bleiben dabei, dass das IZH keine politische Zielsetzung hat“, sagte er.
Dass Anhänger der in Deutschland zwischenzeitlich als Terrororganisation verbotenen Hisbollah wie vom Verfassungsschutz behauptet in der Blauen Moschee verkehrten, sei noch kein Beleg für verfassungsfeindliche Bestrebungen des IZH, sagte er – und fügte hinzu: „Wenn ein RAF-Terrorist im Michel betet, muss dann die evangelische Kirche in Hamburg im Verfassungsschutzbericht stehen?“
Die Vertreter des Verfassungsschutzes stellten erst kürzlich klar, dass die schiitische Religion voll respektiert werde. Sie sei nicht Verfahrensgegenstand vor Gericht. Die Staatsdoktrin des Iran lasse jedoch keine Trennung von weltlicher und religiöser Führung zu. Seit der iranischen Revolution werde dies auch bei den Führungspersonen des IZH deutlich. „Man muss sich angucken, was sind das für Leute und nach welchen Kriterien werden sie ausgesucht“, sagte der Leiter der Auswertungsabteilung. Es sei klar, „dass es eine inhaltliche und organisatorische Nähe gibt des IZH zu Teheran“. Wann mit einem Urteil des Gerichts in Hamburg zu rechnen ist, wurde noch nicht mitgeteilt.
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