Der türkische Unternehmer wollte schon immer hoch hinaus. Sein Name: Selcuk Bayraktar. Seines Zeichens nicht nur erfolgreich in der Wirtschaft, sondern zusätzlich auch Schwiegersohn des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Vor sechs Jahren hatte ihn die mit 6.000 Gästen gefeierte Hochzeit mit Sümeyye Erdogan, einer der Töchter des neuen türkischen Sultans, zu einer Berühmtheit der besseren Gesellschaft Istanbuls gemacht.
Sein Business und Profit erlangt er vorwiegend in der Rüstungsindustrie. Die berühmten Bayraktar-Drohnen, erfolgreich im ukrainischen Abwehrkampf gegen die russischen Bombardements auf Städte und Zivilisten tragen seinen Namen. Fotos und Filme von ihm in einem Kampfjet oder vor einer seiner Waffen stellt türkische Drohnenmagnat und Spross einer Istanbuler Unternehmerfamilie selbst ins Netz. Der im Jahr 1979 geborene Selcuk wurde in der Türkei und in den USA zum Ingenieur ausgebildet. Als Doktorand an der Penn University und am Massachusetts Institute of Technology (MIT) befasste er sich mit autonom fliegenden Drohnen und Hubschraubern. Im Jahr 2007 ging er zurück in das 1984 vor seinem Vater als Autozulieferer gegründete Unternehmen und ist seither Baykars Chief Technology Officer (CTO).
4000 Menschen, das Durchschnittsalter der Belegschaft beträgt 29 Jahre, arbeiten hier, entwickeln und bauen Aufklärungs- und Kampfdrohnen, die – Stand November 2023 – in 33 Länder exportiert wurden. Die Kampfdrohne TB2 hat es nicht zuletzt im Ukrainekrieg zu einiger Bekanntheit gebracht. Die größere und besser gegen die gegnerische elektronische Abwehr ausgestattete TB3 steht vor dem Produktionsbeginn. Von der großen Kampfdrohne Akinci hat Saudi-Arabien kürzlich eine ganze Produktionsstraße in Milliarden-Dollar-Höhe bestellt. Derweil arbeitet Bayraktar an einem autonom fliegenden Düsenjet, dem Kizilelma-Fighter. Auch eine Weltraumrakete ist in Vorbereitung. Hier ist er Leuten wie Elon Musk nicht unähnlich.
Auf den schnell wachsenden Hersteller von Kampfdrohnen, den Selcuk Bayraktar als Chief Technology Officer mit seinem fürs Geschäftliche zuständigen Bruder Haluk in den vergangenen 20 Jahren um- und aufgebaut hat, entfällt aktuell etwa ein Viertel der Exporte der ebenfalls schnell wachsenden türkischen Rüstungsindustrie. Diese sind im vergangenen Jahr laut der Vereinigung der türkischen Exporteure um 27 Prozent auf 5,5 Milliarden US-Dollar geklettert. Pünktlich zum neuen Jahr hat der 44 Jahre alte passionierte Flieger und Drohneningenieur eine weitere Spitzenstellung bekräftigt, eine Position, die die meisten Menschen zu vermeiden suchen: Er ist der größte Steuerzahler seines Landes.
Die türkische Steuerbehörde teilte mit, er habe 2022 564 Millionen Lira Einkommensteuern entrichtet. Das summiert sich bei einem durchschnittlichen Lira-Wechselkurs umgerechnet auf etwa 34 Millionen US-Dollar zusammen, das etwa Vierfache dessen, was Bayraktar noch ein Jahr zuvor an den Fiskus abgab. Auch da stand er schon an der Spitze der türkischen Steuerzahler.
Dies ist nicht nur ein Zeichen dafür, dass Erdogans Schwiegersohn gut verdient hat, sondern wirft auch Fragen auf. Etwa die, warum die Steuerbehörde geheim hält, wer der zweitgrößte Einkommensteuerzahler ist, vor Rahmi Koc, bereit greisen Patriarchen der gleichnamigen Industriellenfamilie, die in der Türkei ein über Jahrzehnte gewachsenes Netz an Industriebeteiligungen unterhält. Rahmi Koc wird auf den einschlägigen Listen der reichsten Personen des Landes aktuell mit einem Vermögen von 2,3 Milliarden US-Dollar auch nur auf Rang 7 verortet. Bayraktar, der größte Steuerzahler des Landes, taucht dort erst gar nicht auf. Es steht zu vermuten, dass die Bekanntgabe der geschützten Steuerdaten nicht ohne Einverständnis der Betroffenen geschah. Aber es wird dem Ansehen des berühmten Schwiegersohns nicht schaden, wenn die Öffentlichkeit ihn als ehrlichen und großen Steuerzahler wahrnimmt. Immerhin hat er politische Ambitionen nicht ausgeschlossen, frei nach der Devise: Wenn das Land mich ruft!
Erdogan selbst darf nach der aktuellen Verfassung nicht noch einmal als Präsident kandidieren. Bayraktar wäre nicht das erste Familienmitglied Erdogans in hohen Ämtern: Von 2018 bis 2020 war schon Schwiegersohn Berat Albayrak Finanzminister der Türkei.
In der Türkei ist Selcuk eine Berühmtheit. Sein wirtschaftlicher Erfolg mit Hightech-Waffen erfüllt viele seiner Landsleute mit Stolz. Er hat auch nichts dagegen, von der Politik vereinnahmt zu werden. Hohe Orden aus Aserbaidschan und von den Putschisten im afrikanischen Mali, alles seine Kunden, hat er angenommen. Bei den Protesten gegen Israels Antwort auf dem Terrorangriff der Hamas gehörte Bayraktar zu den ersten prominenten Teilnehmern auf der Straße und in sozialen Medien, die er gerne für seine Profilierung in der Öffentlichkeit benutzt. Allein auf der Plattform X (früher Twitter) folgen im fast 3 Millionen Menschen. Da ist die Vermutung naheliegend, dass er mehr will als nur die Nr. 1 zu sein in der Türkei, was die Steuerabgaben betrifft.
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