Die Kinder des Autors gingen im Bonner Stadtbezirk Bad Godesberg ebenfalls zur Schule. Während die beschauliche westdeutsche Stadt Bonn zwischen 1949 und 1998 Regierungssitz war, tummelten sich in Bad Godesberg in Residenzen von Botschaftern und hohen Beamten. Diese Zeiten sind aber vorbei. Während in der Stadt selber Weltkonzerne nach dem Weggang von Parlament und Regierung Einzug hielten, verlor das noble Quartier im Süden der Stadt viel seines ehemaligen Reizes. Bad Godesberg geriet in den vergangenen Jahren immer wieder wegen radikaler muslimischer Strömungen in die Diskussion und wurde oft, auch von Sicherheitsbehörden, als „Salafistenhochburg“ bezeichnet.
Seit dem Hauptstadtbeschluss von 1991 und dem Regierungsumzug nach Berlin hat sich dort vieles verändert. Inzwischen leben dort viele Migranten, Einheimische nennen die Bonner Allee im Zentrum wegen der vielen arabischen Geschäfte und Cafés auch „Bagdad-Allee“. Zudem reisen jährlich Menschen vor allem aus den arabischen Ländern an, um sich dort in Spezialkliniken behandeln zu lassen. All dies prägt nun das Image von Bad Godesberg.
Nun berichten Ordnungshüter und besorgte Eltern, strenggläubige muslimische Schüler hätten in einem Gymnasium Mitschülerinnen mit Kleidervorschriften drangsaliert und trotz Verbots während des Unterrichts gebetet.
Das Gymnasium betont in seinem Kurzprofil das Leitbild von Vielfalt, Offenheit, Toleranz und Glaubensfreiheit. Über allem steht ein lateinisches Zitat des Namensgebers, der ein bedeutender Philosoph im Spätmittelalter war: „Eadem spectamus astra!“ Übersetzt: „Wir sehen dieselben Sterne.“ Die seit 70 Jahren bestehende Schule legt zudem großen Wert auf Internationalität, betont die Herkunft ihrer Schüler und Eltern aus verschiedenen Herkunftsländern. Von aktuell 552 Schülern sind 324 Muslime. Ein paar von ihnen sollen offenbar strenggläubige Muslime sein und sich wenig um das schulische Leitbild scheren. Sie sorgen aktuell für Aufsehen, weil sie andere Mitschüler mit Kleidervorschriften drangsalieren und verbotenerweise in der Schule beten.
Die übergeordnete Schulbehörde bestätigt die Probleme und erklärt, „dass einige Schüler darüber berichtet haben, von Jungen angegangen worden zu sein, dass die Kleidervorschriften auf dem Schulhof oder im Sportunterricht nicht beachtet würden“, erklärt ein Sprecher der Bezirksregierung Köln. Es handele sich um „Einzelpersonen“; sie seien keiner Gruppen und keiner offensichtlich speziellen religiösen Strömung zuzuordnen.
Zuvor hatte die Bonner Regionalzeitung „General-Anzeiger“ darüber berichtet und sich auf Quellen berufen, die von „religiösem Mobbing“ sprechen. Die Zeitung zitiert auch die Leiterin des Amtes für Integration und Vielfalt der Stadt Bonn: „Eine Minderheit muslimischer Schüler hat gemerkt, dass man mit offensiven, herausfordernden Religionsbekundungen Lehrerinnen und Lehrer unter Druck setzen kann.“ Aus ihrer Sicht sind diese Bekundungen Provokationen.
Die Durchsetzungskraft der Schüler hängt demnach damit zusammen, dass die meisten Lehrkräfte wenig Islam-Kenntnisse hätten. „So geraten sie schnell in die Defensive. Diese Situation stärkt die provozierenden Jugendlichen und gibt ihnen eine gewisse Macht auch gegenüber anderen Schülern“, so die Amtsleiterin. Stadt und Schulleitung verweisen auf die Bezirksregierung Köln. Dort wird betont, dass die Schule bereits Maßnahmen ergriffen habe. „Jeder öffentlich erkennbare Betversuch in der Schule wird zur Erhaltung des Schulfriedens unterbunden“, so die Bezirksregierung. Zudem werden die Lehrkräfte seit mindestens einem Jahr von verschiedenen Stellen unterstützt. Diesem Zweck dienen auch das Programm „Wegweiser – Gemeinsam gegen Islamismus“ des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen sowie die sogenannte Systemberatung „Extremismusprävention und Demokratieförderung“in Zuständigkeit des Bildungsministeriums. Diese vom Land etablierten Fachkräfte sollen Lehrer und schulpsychologische Dienste darin unterstützen, wenn es um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamismus und Salafismus, Rechts- sowie Linksextremismus geht.
Nordrhein-Westfalens Bildungsministerium betont, „öffentliche Schulen des Landes sind religiös und weltanschaulich neutral. Deshalb wird diesbezüglich ausgeübter Druck – von welcher Seite auch immer – nicht geduldet.“
Gleichwohl haben auch andere Schulen Beratungsbedarf, wenn es um radikale Strömungen geht. So hilft die Wegweiser-Stelle in Bonn verschiedenen Schulen und hat nach Angaben des NRW-Innenministeriums in den vergangenen Jahren bisher 1300 konkrete Beratungen von direkt Betroffenen, zumeist Jugendlichen, durchgeführt. „80 bis 90 Prozent davon nahmen einen positiven Verlauf, ein weiteres Abrutschen in den Extremismus konnte so verhindert werden“, heißt es.
Dass es auch an anderen Bonner Schulen mitunter Probleme gibt, bestätigt die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft. „Das Gymnasium in Bonn scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein“. Sie spricht von „Hardcore-Fällen“ und erwähnt Schüler, für die das Grundgesetz nicht bindend sei, sondern der Koran. Eltern von Schülern, die sich während der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar die „One Love“-Armbindeals Zeichen für Toleranz umbanden, wurden von Schülern als homosexuell bezeichnet.
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