Die Europäische Union hat im vergangenen Monat erstmals ein Gipfeltreffen mit sechs Golfstaaten in Brüssel abgehalten. „Wir gehen neue Wege, indem wir uns gegenseitig als strategische Partner sehen“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Eröffnung. Der Vorsitzende des Golf-Kooperationsrates und Emir von Katar, Tamim Bin Hamad Al Thani, verwies auf gemeinsame wirtschaftliche Interessen und das Völkerrecht als Grundlage der Beziehungen. Allerdings wurden in den Verhandlungen über eine gemeinsame Erklärung so große Differenzen deutlich, dass eine Abschlusserklärung nur in stark verwässerter Form möglich war.
Auf europäischer Seite nahmen die meisten Staats- und Regierungschefs teil, nicht jedoch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Für Saudi-Arabien kam Kronprinz Muhammad Bin Salman nach Brüssel, der wegen seiner Verwicklung in die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi 2018 eine Zeit lang als Gesprächspartner gemieden worden war. Während auch Bahrain und Kuwait durch ihre Regierungschefs vertreten wurden, schickten die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman nur Stellvertreter nach Brüssel. Das Treffen kam auf Initiative des scheidenden Ratspräsidenten Charles Michel zustande.
Die inhaltlichen Differenzen betrafen zum einen die Ukraine. Gemäß einem Entwurf, der in Brüssel zirkulierte, sollten alle Staaten aufgerufen werden, Russland nicht mehr zu unterstützen und Iran für die Lieferungen von ballistischen Raketen und Drohnen zu verurteilen. Dagegen wollten die Golfstaaten auch dazu aufrufen, nicht länger Waffen an die Ukraine zu liefern – was für die EU inakzeptabel war. Sie bestanden zudem darauf, eine Passage zu streichen, in der es darum ging, die Umgehung von Sanktionen gegen Russland weiter einzudämmen. Insbesondere der Hafen von Dubai spielt dabei eine zentrale Rolle.
Zum anderen gingen die Meinungen zum Nahostkonflikt auseinander. Zwar forderten beide Seiten einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza und in Libanon und unterstützten eine Zweistaatenlösung. Doch forderte Al Thani die EU-Staaten auf, schon jetzt Palästina als Staat anzuerkennen und gegen die „Kriegsverbrechen“ Israels vorzugehen. „Es darf keine doppelten Standards geben“, sagte er. Dazu gibt es in der EU jedoch keine einheitliche Position. Umgekehrt haben vier der sechs Golfstaaten bisher Israel nicht anerkannt.
Neben globalen Fragen sollte es in den Gesprächen um die Energiepolitik, die Klimaziele und um die Handelspolitik gehen. Verhandlungen über eine gemeinsame Freihandelszone sind vor langer Zeit gescheitert. Seitdem bemüht sich die EU um bilaterale Vereinbarungen. Die Golfstaaten selbst sind in dieser Frage gespalten. Während Saudi-Arabien ein Regionalabkommen bevorzugt, setzen die Emirate auf einen bilateralen Deal. Ihre Bürger können auch schon ohne Visum in die EU reisen, während die anderen fünf Länder noch auf ein solches Privileg warten.
Die Beziehungen beruhen auf einem Kooperationsabkommen von 1989, mit dem ein gemeinsamer Rat auf Ebene der Außenminister eingerichtet wurde. Im Juni 2022 verständigten sich die EU-Staaten auf das Ziel einer strategischen Partnerschaft mit den Golfstaaten. Ende jenes Jahres wurde ein Bestechungsskandal im Europäischen Parlament publik, in den Katar verwickelt ist. Diese Affäre, zu der immer noch strafrechtlich ermittelt wird, sollte bei dem Treffen in Brüssel jedoch keine Rolle spielen. „Wir fühlen uns weniger davon betroffen“, sagte ein leitender EU-Beamter.