Trumps Außenminister Marco Rubio und sein russischer Kollege Sergei Lawrow einigen sich in Riad auf Verhandlungen zum Ende des Ukraine-Krieges. Die Europäer zeigen sich konsterniert. Sogar Juri Uschakow, der außenpolitische Berater von Russlands Präsidenten Wladimir Putin schien zufrieden. Die Gespräche seien gut verlaufen, sagte er in Riad. Zuvor hatte Uschakow gemeinsam mit Russlands Außenminister der amerikanischen Delegation gegenübergesessen.
Man habe über alle Themen gesprochen, verkündete Uschakow – und meinte damit vor allem eines: den Krieg in der Ukraine. Trump will den blutigen Waffengang, der 2022 mit Putins Überfall auf das Nachbarland begonnen hatte, so schnell wie möglich zu Ende bringen. Dafür ist er bereit, mit der bisherigen amerikanischen Politik zu brechen – und sich mit den zuletzt geächteten Russen an einen Tisch zu setzen.
Das hochrangige Treffen in Riad diente dabei der Vorbereitung eines weitaus wichtigeren Gipfels. In Kürze will der amerikanische Präsident höchstpersönlich mit Putin in Riad zusammenkommen. Bereits jetzt deutet sich an, was die beiden mächtigen Männer im Alleingang aushandeln wollen. Man erhoffe sich ein rasches Ende der Sanktionen, heisst es vonseiten der Russen, die auch den Chef ihres Investmentfonds in die arabische Wüste geschickt haben. Die beiden Seiten vereinbarten auch, ihre Botschaften im jeweils anderen Land wieder regulär zu besetzen.
Weder die mit den USA verbündeten Europäer noch der in einem blutigen Abwehrkampf befindliche ukrainische Präsident Wolodimir Selenski waren in Riad mit von der Partie. Selenski weilte zwar zur gleichen Zeit in den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Schicksal seines Landes jedoch wird offenbar über seinen Kopf hinweg zwischen Moskau und Washington in Eigenregie verhandelt.
Konkrete Ergebnisse wurden aus den Vorgesprächen noch nicht bekannt. Das Treffen in Riad zeigt jedoch, dass sich vor allem die Europäer in Zukunft warm anziehen müssen. Unter Trump wird Washington kaum Rücksicht auf europäische Befindlichkeiten nehmen. Stattdessen setzt er fortan auf den direkten Kontakt mit Moskau. In den Hauptstädten der traditionellen Verbündeten Washingtons dürfte aber noch ein weiterer Umstand für grosse Verunsicherung sorgen. War Joe Biden am Vorabend der russischen Invasion noch mit Putin in der traditionellen Diplomatenstadt Genf zusammengekommen, wird nun ausgerechnet in Riad Weltpolitik gemacht.
Für Saudi-Arabien, welches seit Jahren nach Weltgeltung strebt, bedeutet der Gipfel zwischen den beiden Grossmächten einen enormen Prestigegewinn. In letzter Zeit hatte sich dessen mächtiger Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) immer wieder als ehrlicher Makler im Ukraine-Krieg aufgedrängt. Der Prinz, der über gute Beziehungen zu Russland verfügt, mit dem er im Erdölkartell Opec plus über Fördermengen verhandelt, hatte unter anderem einen Gefangenenaustausch zwischen den Kriegsparteien erwirkt. Doch sein jetziger Coup übertrifft alles bisher Dagewesene. Sollten sich Putin und Trump tatsächlich in seinem Königreich treffen, dürfte MBS der grosse Gewinner sein – ganz gleichgültig, was bei den Verhandlungen am Ende herauskommen sollte.
Zu verdanken hat MBS das seinen guten Beziehungen zu Trump. 2017 war der damals neu gewählte US-Präsident in Riad wie ein König empfangen worden. Auch nach dessen Abwahl bestanden weiterhin Geschäftsbeziehungen. Ob die neuerlichen Flitterwochen allerdings von Dauer sein werden, ist eine andere Frage. Denn während sich Saudi-Arabien im Ukraine-Krieg als perfekter Vermittler in Szene setzen kann, droht MBS bei einem anderen Thema mit der Trump-Administration aneinanderzugeraten. Erst vor kurzem hatte der US-Präsident mit dem Vorschlag, den ausgebombten Gazastreifen zu entvölkern und komplett neu aufzubauen, im Nahen Osten für Entsetzen gesorgt.
Anrainerstaaten wie Ägypten stemmen sich mit aller Kraft dagegen, Palästinenser aufnehmen zu müssen. Saudi-Arabien, welches seinem selbsternannten Anspruch als arabische Führungsmacht gerecht werden muss, steckt in einem Dilemma. So hatte der Kronprinz die eigentlich schon als ausgemacht geltende Normalisierung mit Israel infolge des Gaza-Krieges auf die lange Bank geschoben. Ohne einen Palästinenserstaat sei diese nicht zu haben, hieß es aus Riad. Doch Trump gilt – im Gegensatz zur Biden-Administration – nicht gerade als geduldig, wenn es um seine Herzensprojekte, wie etwa die israelisch-arabische Aussöhnung ohne Palästinenser, geht.
Riad will dem nun mit einem eigenen Vorschlag zu Gaza entgegenwirken – und hat deshalb einen arabischen Mini-Gipfel einberufen. Ob es den oftmals zerstrittenen und angesichts der Gaza-Krise furchtsamen Araberstaaten dort gelingen wird, mehr als nur vage Ideen zu produzieren, ist fraglich. Saudi-Arabien sonnt sich daher lieber in seinem derzeitigen Ruhm als Ukraine-Vermittler. Doch die neue Weltordnung, die Trump und Putin bei ihrem möglichen Treffen in Riad wohl zelebrieren werden, betrifft am Ende nicht nur die geschockten Europäer. Auch Mittelmächte wie Saudi-Arabien könnten in Zukunft schnell ins Fadenkreuz der neuen, imperial auftretenden Amerikaner geraten, sollten sie nicht spuren.