Das Bild und entsprechende Meldungen sind seit Monaten bekannt: Rechte und muslimfeindliche Extremisten haben die liberale Gesetzgebung in Ländern wie Dänemark oder Schweden ausgenutzt, um Korane öffentlich zu schänden, indem sie das heilige Buch der Muslime verbrannte oder zerrissen. Wiederum reagierten darauf die Extremisten aus der Islamisten-Szene mit Anschlägen und Drohungen. MENA Research Center berichtete extensiv über die Lage in den skandinavischen Ländern. Die Regierung in Dänemark hat mittlerweile die entsprechende Gesetzgebung geändert, Schweden bleibt bei seinem Kurs.
In Dänemark und Schweden gilt Meinungsfreiheit wie in kaum anderen Ländern der Welt. Das bedeutet auch, dass eine Schändung religiöser Schriften nicht explizit verboten war. Ein Umstand, den sich Aktivisten aus unterschiedlichen politischen Lagern für ihre Provokationen zunutze gemacht haben.
Das Parlament in Kopenhagen hat nun nach schon gefühlt endlosen Debatten beschlossen, die Verbrennung des Korans zu verbieten. Am Ende hatte sich das Argument durchgesetzt, dass man das Risiko von Terroranschlägen verhindern müsse. Wie auch das Nachbarland Schweden war Dänemark das gesamte vergangene Jahr über von wiederholten Schändungen des Korans vor Moscheen und Botschaften muslimischer Länder erschüttert worden. Unter anderem hatten irakische Aktivisten in Stockholm vor dem Parlament und einer Moschee einen Koran verbrannt. Auf der rechtsextremen Seite war es vor allem der Däne Rasmus Paludan, der sowohl in Stockholm als auch in Kopenhagen in der Öffentlichkeit mehrfach die Heilige Schrift der Muslime angezündet hatte.
Bereits im Frühjahr 2022 begannen die Proteste, als der Däne Rasmus Paludan in mehreren schwedischen Städten Korane verbrannte. Im Januar 2023 flammten der Konflikt erneut auf, als der dänische Rechtsextremist einen Koran vor der türkischen Botschaft in Stockholm verbrannte. Die Aktion trug nicht zur Verbesserung der Beziehungen zur Türkei bei, die aufgrund des Scheiterns der Nato-Verhandlungen ohnehin angespannt waren. Ankara hatte einen Beitritt Schwedens in das Verteidigungsbündnis blockiert.
Die Schändungen weiteten sich auf Dänemark aus, wo Anhänger von Paludan und andere Akteure die Initiative ergriffen. Im Sommer 2023 eskalierten die Lage in beiden Ländern weiter. In der Folge wurde die schwedische Botschaft in Bagdad gestürmt, Botschafter mehrerer muslimischer Länder wurden aus Stockholm und Kopenhagen abberufen und Außenminister aus 57 Ländern kamen bei der Organisation für Islamische Zusammenarbeit zusammen, um ein Verbot der Koranschändung zu fordern.
Die rechtspopulistischen Dänemarkdemokraten kritisieren die Entscheidung des Parlaments. „Jetzt steht es 1:0 für die Islamisten“, sagt deren Vorsitzende, nachdem das veränderte Gesetz die Kammer passierte. Nach Meinung der Kritiker dieser Reform sei Schweden entschlossener für die Rechte der Freiheit eintreten – während die dänische Regierung sich weitgehend dem Veto der Gewalttäter beuge. Anstatt ein Verbot zu erwägen, prüft die schwedische Regierung jetzt, ob die Sicherheit des Landes bei der Genehmigung von Demonstrationen und angekündigten Aktionen wie etwa Koranverbrennungen noch stärker berücksichtigt werden sollte.
Der dänische Vorschlag wurde im August vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Sicherheitslage aufgrund einer Reihe von Koranschändungen erheblich verschlechtert und die Terrororganisation al-Qaida hatte Dänemark und Schweden sogar offiziell den Krieg erklärt. Die terroristische Bedrohungsstufe in Schweden wurde von drei auf vier auf einer fünfstufigen Skala angehoben, Dänemark befand sich bereits auf Bedrohungsstufe vier.
Die dänische Regierung – bestehend aus Sozialdemokraten und zwei liberalen Parteien – hat das Gesetz mit der Begründung verteidigt, es sei gefährlich geworden, Däne zu sein. Man verwies auf die Ermordung von zwei Schweden bei einem Terroranschlag in Belgien im Oktober, der vermutlich durch die Verbrennungen des Korans motiviert war. Schwedische als auch dänische Sicherheitsdienste unterstreichen, dass sich die Bedrohungslage aufgrund des Gaza-Krieges weiter verschlechtert habe, der Konflikt im Nahen Osten polarisiere und aktiviere gewalttätige Extremisten.
Kurz nach der Abstimmung in Kopenhagen teilte der schwedische Justizminister mit, dass seine Regierung nicht den gleichen Weg wie Dänemark einschlagen wolle. „Wir werden uns um unsere Meinungsfreiheit bemühen“, sagte er. Juristen weisen darauf hin, dass die unterschiedliche Rechtsauffassung in Dänemark und Schweden auch formale rechtliche Gründe habe. Die Meinungsfreiheit in Schweden ist sogar noch tiefer verankert als die Dänemarks. „Man will nicht an der Verfassung rütteln“, sagt ein dänischer Politikwissenschaftler und Terrorismusforscher. Die Hürde dafür sei sehr hoch. Für eine Änderung bräuchte es zwei identische Parlamentsabstimmungen mit dazwischen liegenden Wahlen. Die Anpassung des Ordnungsgesetzes sei dagegen viel einfacher. Es regelt unter anderem die Genehmigung von Demonstrationen und die öffentliche Koranverbrennung.
Ein weiterer Grund für die unterschiedlichen Wege Schwedens und Dänemarks ist, dass die Länder unterschiedliche Traditionen der Toleranz gegenüber Religionskritik haben. In Dänemark gab es 334 Jahre lang ein Blasphemiegesetz, das die Schändung religiöser Texte verbot. Es wurde jedoch im Jahr 2017 abgeschafft. Den Dänen ist der Gedanke an ein erneutes Verbot der Koranverbrennung also nicht fremd, während es in Schweden bereits seit dem Jahr 1970 kein solches Gesetz mehr gibt.
Experten warnen nun, dass Schweden aufgrund seiner Tolerierung solcher Aktionen zukünftig exponierter sein werde, wenn die Möglichkeit der Schändung religiöser Schriften in Dänemark entfällt. Die jüngste Welle von Koranverbrennungen ist zwar abgeklungen, aber man hält es für möglich, dass sie wieder aufflammen könnte. Schweden könnte zu einem verwundbaren Ziel für Terroristen werden.
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