Nachdem die dänische Regierung einen Gesetzentwurf dem Parlament vorlegte, welcher die Bestrafung im Falle der öffentlichen Beleidigung „einer fremden Nation, eines fremden Staates, seiner Flagge oder eines anderen anerkannten nationalen Symbols“ regelt, scheint entgegen einer vorher geäusserten Stellungnahme der Regierung in Schweden die dortige Regierung nicht einen ähnlichen Weg gehen zu wollen hinsichtlich der in den skandinavischen Ländern international kritisierten Koran-Verbrennungen. In Dänemark kann nun mit der Gesetzesnovelle jeder bestraft werden, „wer sich öffentlich (…) der unsachgemäßen Behandlung eines Gegenstands mit erheblicher religiöser Bedeutung für eine Religionsgemeinschaft oder eines Gegenstands, der als solcher erscheint, schuldig macht“.
Die Verbrennungen „schaden Dänemark und den dänischen Interessen“, sagte der dänische Justizminister bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs. Es bestehe „die Gefahr, dass die Sicherheit unserer Mitbürger im Aus- und Inland gefährdet wird“. Jetzt ist in Dänemark eine leidenschaftliche Debatte entbrannt, in der die Gegner des neuen Gesetzes vor allem zwei Argumente ins Feld führen: Als Dänemark 2017 sein Blasphemie-Gesetz mit parteiübergreifender Zustimmung abschaffte, sagte der damalige Justizminister: „Für uns steht die Meinungsfreiheit an erster Stelle. Wir sollten Menschen nicht bestrafen, die dumme Dinge tun.“ Viele Kritiker sehen im neuen Gesetz nicht nur eine Wiederauflage dieses Blasphemie-Gesetzes, sondern betonen auch, dass die eigene Regierung dem Druck autoritärer Staaten nachgegeben habe. Das pakistanische Außenministerium bezeichnete den Entwurf als „Schritt in die richtige Richtung“. Muqtada al-Sadr, Anführer der bewaffneten Sadr-Miliz im Irak, dessen Anhänger die schwedische Botschaft in Bagdad im Juli in Brand gesetzt hatten, erklärte, dass er nun bereit sei, in einen sinnvollen und konstruktiven Dialog mit Dänemark und Schweden einzutreten.
Führende Journalisten in Dänemark schreiben nun, das Land habe sich international gedemütigt, indem es „die Meinungsfreiheit auf absehbare Zeit einschränkt“. Sie fürchten, dass die Gesetzesergänzung einen Präzedenzfall schaffe: Was, wenn nun andere Regierungen weitere Forderungen stellen bezüglich der Rede- oder Pressefreiheit? Was hat das Gesetz, wenn das Parlament mit Mehrheit es verabschieden wird, für Konsequenzen in Fällen, die nicht das blinde Verbrennen im Vordergrund stehen haben? Vor wenigen Wochen schredderte eine Exil-Iranerin vor der Botschaft ihres Heimatlandes in Kopenhagen mithilfe einer Käsereibe einen Koran, um gegen die Unterdrückung der Frauen durch das Mullah-Regime zu protestieren. Würde sie bei einer Wiederholung dieser Aktion verhaftet werden? Das Gesetz sieht bei Wiederholungstaten bis zu zwei Jahre Haft vor.
Gerade Beispiel dient nun als Blaupause für eine Debatte in Schweden: Dort wird die Regierung eindringlich davor warnt, es Dänemark gleichzutun. Schweden schaut sehr genau auf die dänische Initiative, schließlich gab es in Stockholm in diesem Jahr bereits neun Koranverbrennungen, MENA Research Center berichtete darüber. Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson erklärte nun, dass seine Regierung nicht den gleichen Schritt wie Dänemark gehen werde, da dies voraussichtlich eine Änderung der Verfassung erfordern würde. Stattdessen wurde der Justizminister damit beauftragt, das schwedische Gesetz über die öffentliche Ordnung zu überarbeiten. Nach einer Reform könnten Versammlungen verboten werden, die die öffentliche Sicherheit Schwedens gefährden.
Gerade Schwedens Sozialdemokraten scheinen noch keine Strategie gefunden zu haben: Noch Mitte August sagte deren rechtspolitischer Sprecher, seine Partei sehe keinen Bedarf für Gesetzesänderungen, die Meinungsfreiheit müsse unbedingt geschützt werden. Nun aber berief die sozialdemokratische Oppositionsführerin nach der Erklärung der dänischen Regierung eilends eine Pressekonferenz ein, in der sie Kristerssons Regierung das bisherige Vorgehen als Führungsschwäche auslegte und explizit den dänischen Gesetzesvorstoß lobte. Vielleicht hängt dieser Sinneswandel damit zusammen, dass sich in einer aktuellen Meinungsumfrage 53 Prozent der Schweden für ein Verbot der Verbrennungen ausgesprochen haben; von den sozialdemokratischen Wählerinnen und Wählern sind mittlerweile sogar 65 Prozent für ein solches Verbot.
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