Dieser Monat war ein bitterer Tag für Schweden, denn man hatte vor knapp einem Jahr gemeinsam mit Finnland den Aufnahmeantrag bei der NATO gestellt, man wollte gemeinsam und zeitgleich beitreten. Alles lief zunächst nach Plan, 28 der 30 Mitgliedsländer ratifizierten die beiden Gesuche. Dann stellte aber der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unannehmbare Forderungen an Schweden, unter anderem, indem er die Auslieferung schwedischer Staatsbürger forderte, die in seinen Augen Terroristen sind. Erschwerend kam hinzu, dass prokurdische Demonstranten im Januar eine Erdogan-Puppe an den Füßen aufhängten, und, schlimmer noch, dass der dänisch-schwedische Rechtsextremist Rasmus Paludan in Stockholm einen Koran verbrannte. Nach dieser Aktion vor der türkischen Botschaft brach Ankara die Gespräche mit Schweden ab.
Und so wurde nur die finnische Fahne vor dem NATO-Hauptquartier in Brüssel gehisst. Schweden muss weiter um seine Aufnahme in das Verteidigungsbündnis bangen, zumal auch noch Viktor Orbán in Budapest sein politisches Süppchen kocht. Er konnte auch auf wiederholte Anfrage der schwedischen Regierung nicht wirklich erklären, warum Ungarn bisher dem Antrag aus Stockholm die Unterschrift verweigert, Finnland aber durchgewinkt wurde.
Am Tag, als Finnland neues Mitglied des Verteidigungsbündnisses wurde – ohne seinen Nachbarn -, verlas eine schwedische Richterin ein Urteil, welches nicht nur juristisch den Weg weist, sondern auch ein Vorbote sein kann für die (Nicht-)Zukunft des skandinavischen Landes in der NATO: Koran-Verbrennungen sind in Schweden auch weiterhin erlaubt.
Nach Paludans Aktion hatte es große antischwedische Demonstrationen in der muslimischen Welt gegeben. Extremistische Websites riefen offen zu Anschlägen auf, sodass der schwedische Staatsschutz Säpo bald von einer erhöhten Terrorgefahr sprach. Als dann im Februar eine kleine Stockholmer Organisation und ein Privatmann weitere Koran-Verbrennungen anmelden wollten, untersagte die Polizei beide Aktionen unter Verweis auf die gestiegene Terrorgefahr.
Das aber, so das Urteil, war verfassungswidrig. Die Verwaltungsrichterin betonte in ihrer Urteilsbegründung, dass die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Schweden verfassungsrechtlich geschützte Rechte sind. Die generelle Bedrohungslage reiche nicht als Begründung dafür aus, die Demonstrationen zu verbieten.
Einer der beiden Antragsteller sagte den schwedischen Medien, er sei „glücklich und dankbar“ über das Urteil. Er, der aus dem Irak stammt, betonte, er wolle mit seiner Aktion nicht dem NATO-Antrag schaden: „Mir geht es nicht um die NATO, sondern darum, den Koran zu kritisieren, der meines Erachtens weltweit verboten werden sollte, nicht nur in Schweden.“
Die kleine Organisation Liberty Apallarkerna hingegen, die den zweiten Antrag gestellt hatte, zielt mit ihrer Aktion ganz bewusst auf eine Verhinderung des Beitritts. Der Vorsitzende des Vereins erklärte, es werde keine Verbrennung geben: „Das war nie unser Ziel, wir finden es barbarisch, Bücher zu verbrennen. Wir werden das Urteil der türkischen Botschaft vorlegen und es mit der Bitte übergeben, dass Präsident Erdogan zu seinem Wort steht, Schweden nicht in die NATO zu lassen, wenn die Koran-Verbrennung erlaubt wird“, sagte er.
Der türkische Außenminister reagierte umgehend sehr vehement und polemisch auf das Urteil, zog er doch beim NATO-Außenministertreffen in Brüssel Parallelen zwischen Nazideutschland und Schweden: „Die Nazis begannen damit, Bücher zu verbrennen, dann griffen sie religiöse Versammlungsstätten an, und dann versammelten sie Menschen in Lagern und verbrannten sie, um ihre endgültigen Ziele zu erreichen. So fangen solche Dinge an“, sagte er laut türkischen Medien.
Was die erhöhte Terrorgefahr in Schweden angeht, so erklärte die schwedische Polizei ebenfalls, man habe in Eskilstuna, Linköping und Strängnäs fünf junge Männer vorübergehend festgenommen, die im Verdacht stehen, einen Anschlag zu planen. Die Polizei teilte mit, man gehe nicht von einem unmittelbar bevorstehenden Anschlag aus, habe aber „einen begründeten Verdacht“, zumal die fünf Männer mit internationalen islamistischen Gruppierungen in Verbindung stünden.
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