Es klingt wie ein billiger Agentenkrimi: Österreichische Geheimdienstler sollen einen Syrer illegal in die Alpenrepublik gebracht haben, auf Drängen der Kollegen aus Israel. Alles spielte sich 2015 ab, zur Zeit der großen Flüchtlingswelle. Die Hintergründe werden nun vor Gericht aufgearbeitet.
Mehrere Geheimdienst-Agenten stehen nun vor Gericht, sie sollen den syrischen General Khaled H. ohne Rechtsgrundlage nach Österreich gebracht haben, um ihm Schutz zu bieten. Vor dem Richter gaben sie an, vom Verdacht gegen den Syrer nichts gewusst zu haben. Über den mutmaßlichen syrischen Geheimdienstler weiss man mittlerweile, dass er General des GID war, einer der vielen Geheimdienste des Diktators Bashar al-Assad. H. selbst behauptet, er habe Gefangene gut behandelt und sogar den Aufständischen gegen das Regime geholfen. Khaled H. war eine größere Nummer im Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad: Geheimdienstoffizier im Rang eines Brigadegenerals, Leiter einer Abteilung des Statssicherheitsdiensts in der Stadt Raqqa, in der sich besonders starker Widerstand gegen den Machthaber zeigte. Kurz bevor Raqqa im Jahr 2013 von Rebellen erobert wurde, setzte sich H. ins Ausland ab. Der desertierte General landete in Frankreich, wo er um Asyl ansuchte.
Ein Regime-Insider wie H. steht naturgemäß ganz oben auf dem Informanten-Wunschzettel. Im konkreten Fall war es der israelische Mossad, der den Überläufer akquirieren wollte. Doch in Frankreich ließ sich das nicht so unproblematisch umsetzen, weshalb der Mossad an Österreich herantrat. Das BVT schloss mit dem israelischen Geheimdienst eine Kooperationsvereinbarung: der syrische General würde in Österreich untergebracht, die Israelis die finanziellen Mittel dafür bereitstellen.
soll sich im Laufe des Bürgerkrieges von Syrien nach Frankreich abgesetzt haben. Der israelische Auslandsgeheimdient Mossad zeigte Interesse an Informationen, die der General besitzen konnte. Allein: Die französischen Behörden waren offenbar nicht übermäßig kooperativ, weshalb ein Plan ausgeheckt wurde: Der damalige stellvertretende Chef des österreichischen Inlands-Geheimdienstes flog im März 2015 zu einem Treffen mit Mossad-Mitarbeitern nach Tel Aviv, dort wurde eine Kooperationsvereinbarung getroffen. Der syrische General sollte nach Österreich gebracht werden, hier Asyl erhalten und den Israelis zur Verfügung stehen. Der Agent beauftragte einen Kollegen mit der Ausführung, dieser wiederum weihte seinen direkten Untergebenen ein.
Laut Anklage wurde am 6. Mai 2015 dann Kontakt mit einem Beamten des Asylamtes aufgenommen, um zu erfahren, wie man für einen syrischen Staatsangehörigen in Österreich Asyl bekommen könnte, wenn dieser bereits in Frankreich ein Asylverfahren habe. Die Mail-Antwort: Man könne dafür sorgen, dass der „Akt liegen bleibt“, nach zwei Monaten könne Österreich das Asylverfahren einfach von Frankreich übernehmen. „Das wäre aus unserer Sicht eine wesentlich elegantere Lösung“, wurde festgehalten.
In der Vereinbarung mit den israelischen Spionen war festgehalten, dass der Mossad dem General monatlich 5.000 Euro zahlen würde, die Österreicher ihn aber nicht als Quelle benutzen dürfe, sondern nur der Mossad ihn „abschöpfen“ dürfe. Trotzdem soll einer der Angeklagten dem General geholfen haben, als angeblich Mittelloser in die österreichische Grundversorgung aufgenommen zu werden.
Das US-Magazin „The New Yorker“ machte vor zwei Jahren bereits eine Reportage zu Khaled H., in dem die Journalisten zumindest vermuten, er sei möglicherweise als israelischer Spion tätig gewesen. Oppositionelle aus Syrien beschuldigen ihn, noch nach seiner Flucht gespitzelt zu haben – möglicherweise sogar während seiner Zeit in Österreich.
Tatsächlich wurde dem syrischen Ex-General im Dezember 2015 Asyl zuerkannt. Doch schon im Jänner 2016 begann die Aktion aus dem Ruder zu laufen. Eine internationale Nicht-Regierungsorganisation Namens CIJA schlug im Justizministerium auf und stellte den Verdacht in den Raum, H. würde sich möglicherweise in Österreich aufhalten und könnte für Folterung in Syrien mitverantwortlich sein. Bei der Besprechung waren auch Agenten des Wiener Geheimdienstes anwesend, die genau wussten, dass der Syrer seit Monaten im Land war. Letztlich informierte der Dienst aber erst einige Wochen später die Justiz. Laut Staatsanwaltschaft hätten die Beamten dadurch gegen ihre Berichtspflicht verstoßen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es im Geheimdienst, dass es auch verheerend gewesen wäre, in einem Termin mit einer bis dato unbekannten Organisation Details aus einer geheimen Operation zu unterbreiten. Dass bei einer Dienstreise die vermutete CIJA-Zentrale in den Niederlanden fotografiert und unter die Lupe genommen wurde, wertet die Staatsanwaltschaft wiederum als verbotene Ermittlungsmaßnahme. Letztlich wird sich das Gericht auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob sich der Geheimdienst mehr für die NGO interessierte als für Foltervorwürfe gegen den Informanten. Als dann Frankreich den Ex-General 2018 international zur Fahndung ausschrieb eskalierte die Situation.
Inzwischen haben sich Zeugen gemeldet, die erzählen, sie seien mit H.s Wissen misshandelt worden – direkt in seinem Büro. Die Wiener Anwältin Tatiana Urdaneta Wittek vertritt im Auftrag des Centre for the Enforcement of Human Rights International (Cehri) Folteropfer aus Syrien, die H. auch belasten. 21 Zeuginnen und Zeugen vertritt sie, bei acht von ihnen wurden immer noch nachweisbare Verletzungen medizinisch begutachtet. Das Ergebnis steht vorerst aus.Die NGO hat sich der Aufgabe verschrieben, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Weltrechtsprinzips zu verfolgen. Dabei geht es vereinfacht darum, dass jeder Staat für die Verfolgung von Völkerstraftaten verantwortlich ist – auch wenn das Verbrechen nicht auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde. In der jüngsten Vergangenheit ist besonders die Justiz in Deutschland bekannt geworden mit Urteilen gegen syrische Offiziere, die sich diesen Straftaten, die nicht auf deutschem Boden verübt wurden, stellen mussten vor Gericht. Der bekannteste Fall wurde vor dem Landgericht Koblenz verhandelt.
Für Wittek ist klar, dass H. aufgrund seiner Funktion die Vorgänge im Gefängnis verantwortlich ist. Zudem habe er darüber entschieden, welche seiner Häftlinge zu weiteren Verhören in die syrische Hauptstadt Damaskus überstellt wurden – was mehr oder weniger einem Todesurteil gleichkam.
Jetzt will sie erreichen, dass H. in Österreich vor Gericht gestellt wird. Im Verfahren gegen die österreichischen Agenten gilt er nur als Zeuge; ein Antrag der Anwältin, ihre im Gefängnis von ar-Raqqa gefolterten Klienten im Verfahren als Privatbeteiligte zuzulassen, wurde von der vorsitzenden Richterin vorerst abgelehnt.
Ob es trotzdem gelingt, H. den Prozess zu machen, ist fraglich. Das wird sich zunächst daran ermessen lassen, ob er seiner Zeugenladung nachkommt – dann weiß man nämlich, ob er noch in Österreich und für die Justiz greifbar ist.
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