Ein mutmaßlich von drei jungen Männern geplanter Anschlag auf die Regenbogenparade diesen Monat in der österreichischen Hauptstadt Wien konnte vereitelt werden. Hunderttausende Teilnehmer und Schaulustige hatten sich dort versammelt. Die heimische Politik reagiert betroffen.
Es war bunt, es war schrill und es war friedlich – das Zeichen, das in Wien gesetzt wurde, das Zeichen für Vielfalt und Toleranz, welches von der 27. Regenbogenparade ausging. Laut Angaben der Veranstalter sollen 300.000 Menschen teilgenommen haben. Doch der Frieden hätte möglicherweise ein jähes Ende nehmen können.
Die Verhaftung der drei Jugendlichen erfolgte am Morgen der Parade durch das Sonderkommando Cobra der Polizei. Bei einer Hausdurchsuchungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten wurden Waffen beschlagnahmt. Darunter Gasdruckwaffen, Messer, ein Säbel, eine Axt und Wurfsterne. Die Ermittler hatten auch Hinweise auf Waffenkäufe im Ausland erhalten. Auch Handys wurden beschlagnahmt.
Wie der Leiter der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) auf einer Pressekonferenz erklärte, ist einer der Verhafteten, ein 17-jähriger Jugendlicher, bereits schon früher am Radar der Staatsschutzbehörden aufgetaucht. Ein Terrorismus-Strafverfahren war anhängig, wurde aber eingestellt. Der Chef des Inlands-Geheimdienstes merkte an, es habe „zu keiner Zeit eine dezidierte Gefahr gegeben.“ In Haft ist auch weiterhin ein 14-Jähriger. Eine dritte Person wurde mittlerweile wieder auf freien Fuß gesetzt.
Laut DSN dürften sich die drei Verdächtigen im Internet radikalisiert haben. Dies ist in Islamistenkreisen durchaus gängig. Immer wieder werden salafistische Videos, etwa die Reden sogenannter Hassprediger, geteilt. Zuletzt sind in Wien und Niederösterreich etliche junge Mitglieder der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verurteilt worden, die via Internet und via soziale Netzwerke zusammengefunden hatten. In diesem Zusammenhang erneuerte der Chef des DSN seine Forderung nach mehr Polizeibefugnissen. „Es war uns rechtlich nicht möglich die Kommunikation zu überwachen.“
Laut Ermittlungserkenntnissen habe auch nichts darauf hingedeutet, dass die drei jungen Männer weitere Komplizen haben. Die Veranstalter der Regenbogenparade seien laut DSN erst Sonntagfrüh informiert worden. Einerseits um die Ermittlungen nicht zu gefährden, falls sich vorab etwas herumspricht. Andererseits um die Gefahr hintanzuhalten, dass bei der Parade „Angst und Schrecken ausbricht“. Denn genau dies gelte es zu vermeiden. Außerdem komme es Terroristen bekanntlich darauf an, Menschen zu verunsichern, dem habe man keinen Vorschub leisten wollen.
Die Vereitelung des mutmaßlichen Terroraktes hat eine Reihe von Reaktionen und Solidaritätsadressen hervorgerufen. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigte sich betroffen. „In Wien darf es keinen Platz für Hass und Ausgrenzung geben! Unsere Stadt ist bunt und weltoffen.“ Zudem dankte er den Sicherheitskräften.
„Dieser Ermittlungserfolg zeigt einmal mehr, dass man im Kampf gegen Radikale und Extremisten nie nachgeben darf“, stellte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) fest. „Es sind Gefährder für unsere Demokratie und Sicherheit, gegen die mit aller Härte vorgegangen werden muss.“ Extremismus – egal ob von links, rechts oder mit islamistischem Hintergrund – habe keinen Platz in der Gesellschaft.
„Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst hat einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie jede Form von Extremismus konsequent und effizient bekämpft“, sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). „Ich danke allen beteiligten Ermittlerinnen und Ermittlern für ihre professionelle Arbeit und ihren Einsatz. Für diese sensible und schwierige Aufgabe braucht diese Behörde aber auch weitere moderne und damit zeitgemäße rechtliche Rahmenbedingungen“, kommentierte er die Ermittlungen des Verfassungsschutzes.
Viele offene Fragen sieht Ewa Ernst-Dziedzic, grüne Sprecherin für LGBTIQ und Menschenrechte. Sie forderte „volle Transparenz ein, damit man sich ein klares Bild davon machen kann, wie wahrscheinlich so ein Anschlag war oder ob es bei Vermutungen bleibt“. Die LGBTIQ-Community verdiene nicht nur Schutz, sondern auch Respekt: „Statt Angst braucht die Community jetzt volle Aufklärung.“ Volle Aufklärung forderte auch der rote Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner, der dazu parlamentarische Anfragen in den kommenden Wochen ankündigte.
„Wir lassen uns von den Feinden der Rechte für LGBTIQ-Personen, der Demokratie und einer offenen Gesellschaft nicht unterkriegen“, hieß es vom Organisationsteam der Parade. Die Rechte der Community seien „in letzter Zeit wieder vermehrt von Rückschritten bedroht und wir müssen jeden Tag für unsere Sichtbarkeit und Sicherheit kämpfen“, sagte Ann-Sophie Otte, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. Die Regenbogenparade mit über 300.000 Teilnehmenden sei „dieses laute und sichtbare Signal“ gewesen, „dass wir hier gemeinsam zusammenstehen“.
„Die Wiener SPÖ hat Jahrzehnte weggeschaut und die Integration aufgegeben. Vielfalt und ein buntes Wien wurden als Ausrede genutzt“, kritisierte ÖVP-Landesparteichef Karl Mahrer. Ethnische Communitys würden sich abschotten, was Extremisten Tür und Tor öffne. NEOS-LGBTIQ-Sprecher Yannick Shetty forderte: „Wir dürfen Radikalisierung und Terror keinen Millimeter Platz lassen.“ Dabei dürfe man „auf keinem Auge blind sein“. Die Gefahr islamistisch-motivierter Angriffe auf die Community steige seit Jahren. Der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) dankte ebenfalls der Polizei und allen Einsatzkräften, die gestern für eine sichere Regenbogenparade gesorgt haben.
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