MENA Research Center berichtete bereits in seinem Europa Monitoring über das Mahnmal für den Völkermord an den Armeniern in Köln und wie die Stadtoberen damit umgehen wollen.
Das Mahnmal für den Genozid an den Armeniern soll nun zum wiederholten Mal entfernt werden. Im April 2018 wurde es von der Initiative „Völkermord erinnern“ an der Hohenzollernbrücke in Köln eingeweiht. Eine rostrote Stele mit einem geschlitzten Granatapfel an der Spitze, die den Titel „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ trägt und in Sichtweite zum Reiterstandbild Kaiser Wilhelms II. steht. Schließlich war das Kaiserreich im Ersten Weltkrieg ein Verbündeter des Osmanischen Reiches und entsandte deutsche Militärattachés, die dem Genozid nicht nur zusahen, sondern sich zum Teil auch daran beteiligten. Das Kaiserreich trägt also eine Mitverantwortung an den Verbrechen.
Davon aber scheint man bei der Stadt Köln nicht viel wissen zu wollen. Erst sollte das Mahnmal „wegen einer fehlenden behördlichen Genehmigung“ weg, das ist mittlerweile geklärt, es gibt sogar einen einstimmigen Beschluss der Bezirksvertretung. Nun ist plötzlich von einem Radweg die Rede, der zwar noch nicht genehmigt ist, aber in ferner Zukunft genau dort entlangführen muss. Warum dort nicht beides Platz finden kann, ist mehr als schleierhaft.
Das Mahnmal behagt vor allem nicht den türkischen Nationalisten. Schließlich ist es zentraler Bestandteil türkischer Geschichtspolitik, die Existenz eines Genozids an den Armeniern zu bestreiten. Seit die armenische Gemeinde Kölns die Stele 2018 erstmals aufstellte, drängen der türkische Staat und seine hiesigen Gefolgsleute Kölns Oberbürgermeisterin, das Mahnmal nicht zu dulden.
Und damit scheinen sie bei der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker Erfolg zu haben. Sie lässt sich vom unermüdlichen Werben der Armenier, Menschenrechtler und Historiker für das Mahnmal nicht beeindrucken. Rekers Stadtverwaltung hat nun dessen Abbau verfügt. Eine solche Entscheidung liefe auf eine Ermunterung türkischer Nationalisten hinaus, zum anderen auf einen Bruch mit den angeblich doch unverbrüchlichen Prinzipien deutscher Erinnerungskultur, vor allem mit dem erklärten Willen zum Lernen durch Auseinandersetzung mit den finsteren Teilen der Geschichte.
Bereits 2018 baute die Initiative in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Mahnmal auf. Seitdem tobt der Kampf zwischen ihr und Kölns Verwaltung. Mit Gerichtsprozessen, Versprechungen, Enttäuschungen sowie dem mehrfachen Ab- und Aufbau des Mahnmals. Zuletzt kam es 2022 zu einem Gespräch zwischen Reker und der Initiative. Die Oberbürgermeisterin war voll wohlwollender Worte für ein Mahnmal, so zitieren sie Gesprächsteilnehmer, nur habe Reker beteuert, weder sie noch der Stadtrat seien für die Genehmigung zuständig. Das obliege der Bezirksvertretung. Diese Auffassung erstaunte sogar die Ratsfraktionen.
Ernüchtert wurden die Mahnmals-Befürworter auch von den wechselnden Begründungen der Verwaltung. Mal war sie von der historischen Korrektheit der Inschrift nicht überzeugt, dann forderte sie eine Genehmigung, schließlich kündigte sie an, ein Weg in der Nähe des Mahnmals werde erweitert, weshalb für die Stele kein Platz sei. Auch den Stadtrat irritiert Rekers Kurs, werben doch alle Fraktionen für das Mahnmal.
Anscheinend hat Reker Angst vor Konflikt mit Türkeistämmigen. Schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hatte ihre Verwaltung die Ablehnung des Mahnmals damit begründet, „angesichts der Vielzahl türkischer Mitbürger in Köln“ sei dies ein „sehr sensibles Thema“. Das Genozid-Erinnern berge „hohes Konfliktpotential“. Tatsächlich zählt die Millionenstadt Köln über 53.000 türkische und rund 50.000 türkeistämmige Einwohner. Es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. 2005 hat Brandenburg den Genozid wegen der Intervention türkischer Diplomaten aus dem Lehrplan gestrichen – später wurde es wieder rückgängig gemacht. 2011 gewährte die Universität Stuttgart einem Vortrag über den Genozid keinen Raum, aufgrund von türkischem „Protest aus Berlin“ – die Universität teilte mit, „neutral bleiben“ zu wollen. 2014 wurde wegen Protesten gegen eine Inszenierung von Edgar Hilsenraths „Das Märchen vom letzten Gedanken“, das vom Völkermord handelt, das Veranstaltungsplakat am Theater Konstanz abgehängt und vor jeder Aufführung ein Statement des türkischen Konsuls verlesen. Die Premiere hatte unter Polizeischutz stattfinden müssen.
In Köln haben sich 58 türkische Vereine unter dem Namen „InitativTürk“ zusammengetan und sich den Kampf gegen das Mahnmal auf die Fahne geschrieben. Unter ihnen finden sich neben den berühmt-berüchtigten islamistischen und rechtsextremen Moscheevereinen wie DITIB und ATIB Sport- und Kulturvereine. Auch die IG Keupstraße ist dabei. Jener Verein, dessen Vorsitzende schon als Botschafterin für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet wurde und die sich unermüdlich für ein Mahnmal zum NSU-Anschlag engagiert, aber auch gegen jedes Erinnern an den Genozid an den Armeniern. Schon 2017 unterzeichnete der Verein einen Protestbrief gegen den Kreuzstein. Er drohte damit, alle rechtsstaatlichen Mittel zu nutzen, um ihn zu verhindern. Immer wieder artikuliert es vor allem eine Sorge, die an frühere innerdeutsche Debatten über das Holocaust-Gedenken erinnert: die Sorge, Türken sollten „so erzogen werden, dass sie ihre Geschichte verabscheuen oder sich für ihre Geschichte schämen“. Druck kommt aber auch aus dem Ausland. Laut Verfassungsschutz versucht sich der türkische Staat in den Kommunen „in politische Debatten einzumischen“, vor allem „wenn es um den Armenienkonflikt“ gehe. All das habe offenbar Wirkung auf Reker, so seufzen ihre Kritiker in der Initiative „Völkermord erinnern“.
Dass sich Genozidleugner in Vereinen zusammenrotten, dass Wölfe auf dem Domplatz heulen, ist das eine. Das andere ist: Warum gibt Köln dem nach? Aber einer Stadt, in der Erdogan schon seine Megamoschee eröffnen durfte, ist vermutlich nicht mehr zu helfen. Oder doch? Kleiner Tipp für Kommunalpolitiker: Tee kann man auch woanders trinken. Er schmeckt ohnehin besser, wenn er nicht von Genozidleugnern serviert wird.
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